Aktuell in der GmbHR

Untauglichkeit des „aktienrechtlichen Anfechtungsmodells“ bei Entziehung von Gesellschafterrechten aus wichtigem Grund in der Personengesellschaft und der GmbH (Altmeppen, GmbHR 2021, 345)

Die Übertragung des „aktienrechtlichen Anfechtungsmodells“ (§§ 241 ff. AktG analog) ist für die GmbH gewohnheitsrechtlich anerkannt. Sie soll künftig auch in der Personenhandelsgesellschaft gelten. Dazu liegt seit dem 20.1.2021 der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) vor. In der Reformdiskussion wird die Übertragung der Regelungen des MoPeG zum Anfechtungsmodell auf die GmbH befürwortet. Der Verfasser legt dar, dass eine Übertragung des „aktienrechtlichen Anfechtungsmodells“ auf Gesellschafterbeschlüsse, die einem Mitgesellschafter seine Rechte aus wichtigem Grund entziehen sollen, weder in der Personenhandelsgesellschaft noch in der GmbH in Betracht kommt.

I. Einleitung
II. Klageobliegenheit, Darlegungs- und Beweislast bei Entziehung von Gesellschafterrechten aus wichtigem Grund in der Personenhandelsgesellschaft

1. Die Rechtslage de lege lata
2. Das „aktienrechtliche Anfechtungsmodell“ für die Entziehung von Gesellschafterrechten in der  Personenhandelsgesellschaft
3. Zwischenergebnis
III. Die Entziehung von Gesellschafterrechten in der GmbH aus wichtigem Grund
1. Die Bedeutung der „Beschlussfeststellung“
2. Beschlussfeststellungskompetenz des Versammlungsleiters bei der Beschlussfassung über das Vorliegen eines wichtigen Grundes in seiner Person
3. „Behauptungslösung“ oder „Ist-Lösung“?
4. Die „Ist-Lösung“ als „Notlösung“ auf Basis der  falschen Prämisse des „aktienrechtlichen Anfechtungsmodells“
5. Behauptungslösung und Klagelast der Gesellschaft
6. Anfechtungsmodell und Gesellschafterliste
a) Meinungsstand
b) Stellungnahme
IV. Ergebnisse


I. Einleitung

1
Das „aktienrechtliche Anfechtungsmodell“ (§§ 241 ff. AktG) soll nach dem Regierungsentwurf zum MoPeG  künftig auch in der Personenhandelsgesellschaft gelten (§§ 110 ff. HGB-E). Eine gleichzeitige gesetzliche Regelung des Beschlussmängelrechts in der GmbH, die im Schrifttum dringend empfohlen  und auch vom Deutschen Juristentag angeregt worden war , soll aus unerfindlichen Gründen derzeit unterbleiben. Mit Recht ist im Schrifttum darauf hingewiesen worden, dass es naheliegend wäre, das Beschlussmängelrecht der Personenhandelsgesellschaft und der GmbH zu vereinheitlichen, weil „das neue Beschlussmängelrecht der Personenhandelsgesellschaften das näherliegende Modell [für die GmbH] wäre.“ 

2
Die Vereinheitlichung des Beschlussmängelrechts der GmbH und der OHG wird schon deshalb zu Recht befürwortet, weil die GmbH nur um der Haftungsbeschränkung willen als juristische Person verfasst, materiell aber als Personengesellschaft zu begreifen ist.  Es besteht kein Sachgrund dafür, dass die Beschlüsse der Gesellschafter einer OHG im Hinblick auf ihre Nichtigkeit und Anfechtbarkeit anderen Regeln folgen sollen als die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH, nur weil deren Gesellschafter den Gläubigern nicht persönlich haften. Im Zusammenhang mit dem Beschlussmängelrecht kann das tertium comparationis nur die Rechtsfähigkeit des Verbandes sein, dem der Beschluss als Organakt der Gesellschafterversammlung zugerechnet wird. Die unbeschränkte persönliche Haftung der Personengesellschafter einerseits und der Ausschluss der persönlichen Haftung von Gesellschaftern der Körperschaft GmbH andererseits (§ 13 Abs. 2 GmbHG) haben mit Fragen der Beschlussmängel im Organ Gesellschafterversammlung nichts zu tun.

3
Allerdings gibt es im Aktienrecht den Fall gar nicht, dass dem Aktionär seine Rechte aus wichtigem Grund durch Hauptversammlungsbeschluss entzogen werden (näher III.3., Rz. 22 ff.). Insofern bleibt im Dunkeln, was die Übertragung des „aktienrechtlichen Anfechtungsmodells“ auf entsprechende Beschlüsse in der OHG/GmbH bedeuten soll. Vorgreiflich sind Fragen der Beschlussfeststellung und des Stimmverbots des Betroffenen. In der GmbH kommt die Frage der „negativen Legitimationswirkung“ einer geänderten Gesellschafterliste hinzu (näher bei III.6., Rz. 41 ff.).  Der Meinungsstand zu diesen ineinandergreifenden Fragenkreisen ist inzwischen so verworren, dass auf der Hand liegende Einsichten zur Darlegungs- und Beweislast verkannt werden.

II. Klageobliegenheit, Darlegungs- und Beweislast bei Entziehung von Gesellschafterrechten aus wichtigem Grund in der Personenhandelsgesellschaft

1. Die Rechtslage de lege lata

4
Das HGB verlangt für die Entziehung von Gesellschafterrechten aus wichtigem Grund eine Gestaltungsklage der Mitgesellschafter des Betroffenen. Dies gilt nicht nur für den schwerwiegendsten Eingriff des Entzugs des Mitgliedschaftsrechts (§ 140 HGB), sondern gleichermaßen für die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis oder der Vertretungsmacht (§§ 117, 127 HGB). Die „übrigen Gesellschafter“ haben danach die Klagelast, die nach allgemeinen Grundsätzen mit dem Prozessrisiko namentlich im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast für den wichtigen Grund verbunden ist.

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Früher wurde angenommen, der Gesellschaftsvertrag könne die Gestaltungsklage nicht durch Gesellschafterbeschluss ersetzen.  Doch das ist Rechtsgeschichte. Heute entspricht es allgemeiner Ansicht, dass ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.03.2021 16:36
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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