BGH v. 11.3.2021 - IX ZR 266/18

Insolvenzgericht zuständig bei Streitigkeiten über Mitgliedschaft im Gläubigerausschuss

Zuständig für die Entscheidung über Streitigkeiten darüber, wer Mitglied im Gläubigerausschuss ist, ist das Insolvenzgericht, nicht das Prozessgericht. Wird über das Vermögen einer GmbH, die Mitglied in einem Gläubigerausschuss eines anderen Insolvenzverfahrens ist, das Insolvenzverfahren eröffnet, unterliegt ihre Vertretung in dem Gläubigerausschuss dem Verwaltungsrecht ihres Insolvenzverwalters.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der R. GmbH (im Folgenden: R.) und begehrt die Feststellung von Mitgliedschafts- und Teilhaberechten im Gläubigerausschuss. Die Beklagten sind Mitglieder des Gläubigerausschusses im Insolvenzverfahren über das Vermögen der K. GmbH (im Folgenden: K.), deren Gläubigerin auch die R. ist. Nachdem das Insolvenzgericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss eingesetzt hatte, entschied die Gläubigerversammlung der K. über die Zusammensetzung des endgültigen Gläubigerausschusses mit Beschluss vom 17.9.2012 wie folgt:

"Der Gläubigerausschuss besteht nunmehr aus folgenden Mitgliedern:
1. S., vertreten durch Herrn R. W.
2. Herr H. W.
3. S. GmbH & Co. KG, vertreten durch Herrn G. und Herrn Dr. P.
4. R. GmbH, vertreten durch Herrn F.
5. Herr H."

Die R. hatte Rechtsanwalt F. bevollmächtigt, sie in dem Gläubigerausschuss zu vertreten. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen im Jahr 2014 machte der Kläger geltend, die R. im Gläubigerausschuss zu vertreten, und widerrief die Rechtsanwalt F. erteilte Vollmacht. Die Beklagten und der Insolvenzverwalter der K. vertraten jedoch die Auffassung, die R. werde weiterhin von Rechtsanwalt F. vertreten. Der Kläger wurde im Folgenden weder zu Sitzungen des Gläubigerausschusses eingeladen noch über diese unterrichtet. Ein Rundschreiben, mit dem er die Vorlage aller Protokolle und Mitteilung von Ort und Termin der nächsten Gläubigerversammlung verlangte, blieb unbeachtet. Der Kläger forderte das Insolvenzgericht auf, den Insolvenzverwalter der K. anzuweisen, ihm etwaige Informationen, die dieser an die Gläubigerausschussmitglieder richte, zu übersenden. Einen vom Kläger beantragten Erlass eines deklaratorischen Beschlusses, dass die R. im Ausschuss durch ihn vertreten werde, lehnte das Insolvenzgericht ab.

Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagten zuletzt auf Feststellung in Anspruch, dass die R. im Gläubigerausschuss allein durch ihn vertreten werde (Klageantrag zu 1). Er begehrt weiterhin die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, die Wahrnehmung der Mitgliedschaft der R. im Gläubigerausschuss durch seine Ladung zu den Sitzungen des Gläubigerausschusses als deren Vertreter zu ermöglichen, ihm die Korrespondenz und sämtliche im Ausschuss ausgetauschten Informationen zugänglich zu machen sowie ihn als Vertreter der R. an sämtlichen Abstimmungen und sonstigen Entscheidungen zu beteiligen (Klageantrag zu 2).

Das LG wies die zunächst noch weitere Anträge umfassende Klage bzgl. des Klageantrags zu 2) als unzulässig, im Übrigen als unbegründet ab. Das OLG gab der Klage statt und verurteilte die Beklagten nach den verbliebenen Anträgen. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Klage als unzulässig ab.

Die Gründe:
Das OLG hat die Feststellungsklage zu Unrecht für zulässig erachtet.

Die Feststellungsklage ist wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Eine nicht nur einfachere und kostengünstigere, sondern dem Rechtsschutzinteresse des Klägers zudem besser gerecht werdende Klärung der Streitfragen im Zusammenhang mit dem Mitgliedschaftsrecht in dem Gläubigerausschuss ist durch eine Entscheidung des Insolvenzgerichts analog § 70 InsO zu erreichen. Mit der damit möglichen Beantwortung der Streitfragen des Antrags zu 1 durch das Insolvenzgericht entfällt auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung einzelner Teilhaberechte, die Gegenstand des Antrags zu 2 sind.

Die InsO enthält zwar keine ausdrückliche Bestimmung darüber, dass das Insolvenzgericht Streitigkeiten über die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Gläubigerausschuss entscheidet. Eine dahingehende Befugnis ist jedoch analog § 70 InsO anzuerkennen. Bereits aus dem Regelungszweck des § 70 InsO, die ordnungsgemäße Abwicklung des Verfahrens zu gewährleisten, kann die Befugnis des Insolvenzgerichts abgeleitet werden, deklaratorisch über die Zugehörigkeit einer Person zum Gläubigerausschuss zu entscheiden. Besteht in einem Gläubigerausschuss Streit über die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit eines Mitglieds, so kann die Entscheidung des Streits durch das Insolvenzgericht eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Ausschussmitglieder wiederherstellen und ein als Pflichtverletzung zu qualifizierendes obstruktives Verhalten einzelner Mitglieder für die Zukunft unterbinden.

Die Entscheidungszuständigkeit des Insolvenzgerichts lässt die Kompetenzen der Gläubigerversammlung unberührt. Die Klärung streitbefangener Zugehörigkeiten zum Gläubigerausschuss durch das Insolvenzgericht entspricht auch dem der Entlassung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses (§ 70 InsO) zugrundeliegenden Regelungskonzept, nach dem Störungen der Funktionsfähigkeit des Ausschusses abzuwenden sind, aber zugleich die Unabhängigkeit des einzelnen Mitglieds des Gläubigerausschusses im Vergleich zu der nach früherem Recht bestehenden Möglichkeit eines Widerrufs seiner Bestellung durch die Gläubigerversammlung zu wahren. Für die Anerkennung einer Entscheidungszuständigkeit des Insolvenzgerichts spricht überdies, dass dadurch ein sachnäherer Rechtsschutz gewährleistet werden kann, als dies im ordentlichen Zivilprozess der Fall wäre. Ein Feststellungsinteresse folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger vor Klageerhebung bei dem zuständigen Insolvenzgericht erfolglos eine Entscheidung über die Streitfrage beantragt hat.

In der Sache dürfte der Antrag des Klägers zum Erfolg führen. Das Insolvenzgericht wird zu berücksichtigen haben, dass die R. nach dem Beschluss der Gläubigerversammlung Mitglied des Ausschusses ist. Nichts anderes folgt aus der Angabe zu ihrer Vertretung durch Rechtsanwalt F., die dem Bedürfnis der Praxis nach Kontinuität in der Wahrnehmung des Amtes für eine juristische Person als Ausschussmitglied Rechnung trägt. Nachdem über das Vermögen der R. das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, wird diese in dem Gläubigerausschuss durch den Kläger vertreten, der insoweit an die Stelle der nach dem Gesellschaftsrecht zuständigen Organe tritt. Die von dem Berufungsgericht dargestellten Bezüge der Ausschusstätigkeit zu dem verwalteten Vermögen der R. sprechen gegen eine insolvenzfreie Angelegenheit und für die Zuständigkeit des Verwalters nach § 80 Abs. 1 InsO. Die dem ursprünglichen Vertreter erteilte Vollmacht ist damit erloschen (§ 117 InsO); der von dem Kläger als Verwalter erklärte Widerruf lässt für eine Billigung der weiteren Vertretung durch Rechtsanwalt F. keinen Raum.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.04.2021 12:10
Quelle: BGH online

zurück zur vorherigen Seite