Aktuell in der GmbHR

Beschlussfassung in der GmbH-Gesellschafterversammlung im Pandemiemodus (Bayer/Möller, GmbHR 2021, 461)

Durch die Sonderregelung in § 2 COVMG soll die präsenzlose Beschlussfassung der GmbH-Gesellschafter während der Corona-Pandemie vereinfacht werden. Nicht zuletzt aufgrund der Schnelligkeit bei dem Erlass dieser Vorschrift fehlt eine umfassende Regelung der Auswirkungen auf das Beschlussverfahren. Daher ist ein Rückgriff auf die bereits bekannten Verfahrensgrundsätze in Betracht zu ziehen. Zudem stellt sich die Frage, was gilt, wenn die Gesellschafter durch die Satzung bereits eigene Regelungen getroffen haben. Die Neuerungen durch § 2 COVMG hinsichtlich des Beschlussverfahrens in der GmbH werden in dem Beitrag näher beleuchtet.

I. Einführung
II. Grundsätze der Beschlussfassung in der GmbH

1. Beschlussfassung innerhalb einer Versammlung
2. Beschlussfassung ohne Versammlung
3. Satzungsautonomie
III. Darstellung und Auswirkungen der Neuregelungen
1. Inhalt
2. Anwendungsbereich
3. Geltungsdauer
IV. Vorbereitung der präsenzlosen Beschlussfassung
1. Initiierung des Beschlussverfahrens
2. Mitteilung an Gesellschafter und Frist zur  Stimmabgabe
3. Anspruch auf präsenzlose Beschlussfassung?
V. Verfahren der präsenzlosen Beschlussfassung
1. Stimmabgabe
2. Mehrheitsverhältnisse
3. Beschlussfeststellung
VI. Beschlussmängel
VII. Satzungsgestaltung

1. Vorrang früherer Satzungsregelungen?
a) Ausschluss präsenzloser Beschlussfassung
b) Sonstige Satzungsregelungen
2. Abweichung durch die Satzung
3. Virtuelle Gesellschafterversammlung
VIII. Fazit


I. Einführung

1
Auf die weltweite COVID 19-Pandemie hat der Gesetzgeber bereits im März 2020 mit einem ganzen Maßnahmenpaket reagiert: Durch das COVMG  wurde die präsenzlose Beschlussfassung für verschiedene Rechtsformen vereinfacht. Die einzelnen Normen bezwecken, dass wirksame Beschlüsse auch in einer Zeit gefasst werden können, in der physische Zusammenkünfte wegen der Pandemiebekämpfung zu reduzieren sind. Während für die AG auch die Möglichkeit eröffnet wurde, eine virtuelle Hauptversammlung durchzuführen, beschränkt sich § 2 COVMG auf die Modifikation der bereits vorhandenen Regelung in § 48 Abs. 2 GmbHG. Nunmehr bedarf es zur Fassung von Gesellschafterbeschlüssen außerhalb einer Versammlung nicht mehr des Einverständnisses sämtlicher Gesellschafter.

II. Grundsätze der Beschlussfassung in der GmbH

1. Beschlussfassung innerhalb einer Versammlung

2
Nach § 48 Abs. 1 GmbHG findet die Beschlussfassung der Gesellschafter einer GmbH grundsätzlich in einer Versammlung statt. Aufgrund ihrer mitgliedschaftlichen Stellung sind sämtliche Gesellschafter zur Teilnahme an der Versammlung berechtigt. Eine Teilnahmepflicht besteht grundsätzlich nicht, was jedoch im Einzelfall auf Grundlage der Treupflicht anders sein kann.  Indes verlangt § 48 Abs. 1 GmbHG keine persönliche Teilnahme der Gesellschafter an der Versammlung. Zulässig ist nicht nur eine gesetzliche und organschaftliche Vertretung, sondern die Gesellschafter können sich auch – wie § 47 Abs. 3 GmbHG bestätigt – durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Ferner verliert eine Gesellschafterversammlung ihren Präsenzcharakter nicht dadurch, dass einzelne Gesellschafter der Versammlung audiovisuell zugeschaltet werden.

2. Beschlussfassung ohne Versammlung
3
Unter den Voraussetzungen von § 48 Abs. 2 GmbHG kann ein Beschluss auch ohne Versammlung gefasst werden.

4
Zunächst können Beschlüsse nach § 48 Abs. 2 Alt. 1 GmbHG einstimmig gefasst werden, wenn sich sämtliche Gesellschafter in Textform (§ 126b BGB) mit dem Beschlussantrag einverstanden erklären.

5
Im Wege des zweistufigen Verfahrens nach § 48 Abs. 2 Alt. 2 GmbHG lassen sich auch Mehrheitsbeschlüsse fassen. Auf der ersten Stufe müssen sämtliche Gesellschafter mit der Durchführung eines Umlaufverfahrens einverstanden sein, wobei die notwendige Erklärung auch formlos sowie konkludent möglich ist. Die eigentliche Stimmabgabe zum Beschlussantrag erfolgt erst auf der zweiten Stufe. Im Schrifttum ist umstritten, ob dabei die Schriftform i.S.d. § 126 BGB einzuhalten ist  oder die Textform (§ 126b BGB) genügt. Die im Wortlaut von § 48 Abs. 2 Alt. 2 GmbHG angelegte Differenzierung zwischen der Einverständniserklärung in Textform und der „schriftlichen Abgabe der Stimmen“ spricht auf den ersten Blick für ein Schriftformerfordernis.  In materieller Hinsicht wird dafür auch das gesteigerte Bedürfnis nach einer klaren Beschlusslage angeführt, weil § 48 Abs. 2 Alt. 2 GmbHG auch Mehrheitsbeschlüsse zulässt. Dagegen spricht jedoch nicht nur die mangelnde Praxistauglichkeit, sondern auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Bevor durch eine gesetzliche Änderung im Jahr 2001 explizit klargestellt wurde, dass die Textform für die Einverständniserklärung ausreicht, war überwiegend anerkannt, dass auch die Stimmabgabe in Textform erfolgen kann.  Für die Annahme, dass der Gesetzgeber daran etwas ändern wollte, fehlen entsprechende Anhaltspunkte. Da eine BGH-Entscheidung zur Klärung dieser Frage jedoch (noch) aussteht, ist für die Beschlusspraxis zu empfehlen, entweder die Schriftform einzuhalten oder für die Textform eine Satzungsgrundlage zu schaffen (vgl. § 45 GmbHG).

3. Satzungsautonomie
6
Das Verfahren der Beschlussfassung kann von den Gesellschaftern nach § 45 Abs. 2 GmbHG größtenteils frei durch die Satzung gestaltet werden.  Auch kann satzungsmäßig festgesetzt werden, dass die Stimmabgabe zum Teil in der Gesellschafterversammlung und zum Teil außerhalb einer solchen erfolgt. Das Einverständnis zwischen den Gesellschaftern reicht indes nicht aus, um ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.04.2021 10:02
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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