BFH v. 3.12.2020 - IV R 16/18

Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei "vorgefasstem Plan" im Zusammenhang mit einem kompletten Gesellschaftertausch

§ 8 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GrEStG verlangt eine kausale Verknüpfung der Änderung des Gesellschafterbestands mit einem Plan zur Bebauung. Zum einen muss es einen vorgefassten Plan geben, mit dem sich die Gesellschaft über einen Gesellschafterwechsel hinaus in wesentlichen Punkten so auf die Bebauung eines Grundstücks festgelegt hat, dass sie sich im Regelfall nur noch unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder Einbußen davon lösen könnte. Zum anderen müssen die Neugesellschafter die Gesellschaftsanteile wegen des Plans erworben haben.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Die Komplementärin war nicht am Gesellschaftskapital beteiligt. Kommanditisten waren vier natürliche Personen. Die Komplementärin hatte im Februar 2004 mit der X-GmbH einen Mietvertrag über einen noch zu errichtenden Lebensmittelmarkt in K. geschlossen. Mit Vertrag vom 28.9.2004 erwarb die Klägerin ein Grundstück von der Stadt K. Sie verpflichtete sich gegenüber der Stadt, dort bis spätestens 30.9.2007 einen Lebensmittelmarkt zu errichten. Die Bauaufsichtsbehörde erteilte der Klägerin am 24.11.2004 für den Neubau des Marktes eine Baugenehmigung unter Auflagen. Die Auflagen betrafen u.a. Stellplätze. Für diese wollte die Klägerin einen geplanten Verkaufsplatz für Gebrauchtwagen auf dem Nachbargrundstück verwenden. Am 14.2.2005 trat die Klägerin an Stelle der Komplementärin als Vermieterin in den Vertrag mit der X-GmbH ein. Am 14.4.2005 stellte sie einen Bauantrag für die Stellplätze, der jedoch abgelehnt wurde.

Am 13.5.2005 veräußerte die Komplementärin ihre Beteiligung an der Klägerin an die M-GmbH, die vier Kommanditisten ihre Kommanditbeteiligungen an die M-KG. Weder an der M-GmbH noch an der M-KG waren die bisherigen Gesellschafter beteiligt. Der Vertrag nahm auf die bestandskräftige Baugenehmigung vom 24.11.2004 sowie den Mietvertrag mit der X-GmbH aus Februar 2004 Bezug. Zu jenem Zeitpunkt hatten die Kommanditisten bereits Honoraransprüche für verschiedene Leistungen erworben, die sie für die Projektierung erbracht hatten. Nach der Anteilsveräußerung wurden die Bauverträge geschlossen. Die Klägerin erwarb noch im Jahre 2005 von der Stadt K ein weiteres, benachbartes Grundstück für die Stellplätze und schloss mit der X-GmbH im Juni 2006 einen neuen Mietvertrag. Das Objekt wurde 2006 fertiggestellt.

Das Finanzamt nahm die Klägerin auf Grundlage von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG a.F. auf Grunderwerbsteuer in Anspruch. Während die Klägerin der Auffassung war, die Bemessungsgrundlage müsse der Wert des unbebauten Grundstücks sein, setzte das Finanzamt als Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 GrEStG a.F. den Grundbesitzwert zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes an. Im Laufe der Zeit bis in das Klageverfahren hinein erließ das Belegenheitsfinanzamt eine Reihe von Grundbesitzwertfeststellungen. Einerseits stellte es den Grundbesitzwert auf den 13.5.2005 für das unbebaute Grundstück i.H.v. 695.000 € fest. Andererseits stellte es später auf den 13.5.2005 einen Grundbesitzwert für das bebaute Grundstück i.H.v. 8.705.000 € fest. Auf der zuletzt genannten Grundlage setzte es die Grunderwerbsteuer endgültig auf 304.675 € fest.

Das FG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Auch die Revision der Klägerin vor dem BFH blieb erfolglos.

Gründe:
Der Grunderwerbsteuer war der Wert des Grundstücks zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes zugrunde zu legen.

Im Streitfall kam allein § 8 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GrEStG a.F. in Betracht. Die Vorschrift verlangt eine kausale Verknüpfung der Änderung des Gesellschafterbestands mit einem Plan zur Bebauung. Zum einen muss es einen vorgefassten Plan zur Bebauung eines Grundstücks geben, mit dem sich die Gesellschaft über einen Gesellschafterwechsel hinaus in wesentlichen Punkten festgelegt hat. Zum anderen muss die Änderung des Gesellschafterbestands in der Weise auf diesem Plan beruhen, dass die Neugesellschafter die Gesellschaftsanteile wegen des Plans erworben haben.

Der vorgefasste Plan zur Bebauung eines Grundstücks bildet innerhalb des durch die Formulierung "beruht" zum Ausdruck gebrachten Kausalzusammenhangs den Grund, nicht die Folge. In zeitlicher Hinsicht muss der Plan vor der Änderung des Gesellschafterbestands und damit unter der Ägide der Altgesellschafter gefasst worden sein. Andernfalls wäre er nicht "vorgefasst" und könnte die Änderung des Gesellschafterbestands auch nicht veranlassen.

In sachlicher Hinsicht muss sich der Plan auf eine im Wesentlichen feststehende Bebauung beziehen. Er muss nur die Bebauung, nicht auch die Änderung des Gesellschafterbestands zum Gegenstand haben. Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass aus Sicht der Gesellschaft die geplante Bebauung im Wesentlichen feststeht. Der Plan zur Bebauung muss sich bei der Gesellschaft in einer solchen Weise verdichtet haben, dass sie sich im Regelfall nur noch unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder Einbußen davon lösen könnte.

Die Änderung des Gesellschafterbestands i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. muss auf dem vorgefassten Plan "beruhen". Der Plan muss Grund des Gesellschafterwechsels gewesen sein. Dafür reicht es aus, wenn der Gesellschafterwechsel wegen des Plans stattfindet. Es ist nicht erforderlich, dass der Gesellschafterwechsel wegen des Plans notwendig ist. Grund des Anteilserwerbs muss der Plan aus Sicht der Neugesellschafter sein. Es ist erforderlich, aber regelmäßig auch ausreichend, wenn die Neugesellschafter bei Erwerb der Anteile Kenntnis von dem vorgefassten Plan zur Bebauung hatten. In diesem Falle ist er integraler Bestandteil des Vorstellungsbildes der Neugesellschafter geworden.

Im Streitfall hatte das Finanzamt zu Recht nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GrEStG a.F. die Grunderwerbsteuer nach dem durch gesondert festgestellten Grundstückswert von 8.705.000 € für das Grundstück im Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes bemessen. Die Klägerin hatte nämlichen einen vorgefassten Plan zur Bebauung eines Grundstücks, von dem sie sich nur unter Schwierigkeiten hätte lösen können. Sie hatte sich schon vor dem Stichtag 13.5.2005 auf die Bebauung mit einem Lebensmittelgroßmarkt festgelegt. Bereits der Vertrag, mit dem sie selbst das Grundstück erworben hatte, enthielt eine Bauverpflichtung. Sie war vertragliche Bindungen eingegangen und stand unter entsprechendem rechtlichem und wirtschaftlichem Druck, das Bauvorhaben auch zu realisieren. Soweit die --bereits erteilte-- Baugenehmigung lediglich unter Auflagen erteilt worden war, mögen diese Auflagen die Durchführung des Projekts erschwert haben, was jedoch an den wirtschaftlichen Zwängen nichts ändert. Das gilt nicht zuletzt auch für die Frage der Stellplätze.

Die Neugesellschafter hatten die Gesellschaftsanteile auch wegen dieses Plans erworben. Die Bauverpflichtung bestand nicht nur nach außen fort. Die Parteien des Anteilskaufvertrages hatten das Bauvorhaben überdies über die im Vertrag vom 13.5.2005 enthaltenen Bezugnahmen zum integralen Bestandteil des Vertrages gemacht und so in ihren rechtsgeschäftlichen Willen aufgenommen.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.05.2021 16:06
Quelle: BFH online

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