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Fakultative Aufsichtsgremien - Ein rechtstatsächlicher Streifzug durch die GmbH-Landschaft (Lieder/Becker/Hoffmann, GmbHR 2021, 621)

Ein zentrales Strukturmerkmal der GmbH besteht in der weitgehenden Gestaltungsfreiheit im Innenverhältnis. Durch die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags können die Gesellschafter nicht nur die Kompetenzverteilung zwischen den obligatorischen Gesellschaftsorganen regeln, sondern auch für die Einrichtung weiterer, fakultativer Gesellschaftsorgane, z.B. einen Aufsichtsrat (§ 52 Abs. 1 GmbHG) oder einen Beirat, optieren und deren Zuständigkeiten nach ihren individuellen Präferenzen festschreiben. Über die Typologie und die einzelnen Erscheinungsformen solcher (fakultativer) Aufsichtsgremien ist bisher erstaunlich wenig bekannt. Um diese Forschungslücke zu schließen, haben die Verfasser im Rahmen einer breit angelegten Studie GmbH-Satzungen analysiert, die eine Einrichtung solcher Kontrollgremien vorsehen. Der Grundlagenbeitrag erläutert die Zielstellung und Methodik der Untersuchung und präsentiert erste Ergebnisse der empirischen Studie.

I. Einleitung
II. Untersuchungsgegenstand

1. Gesellschaftsorgan
2. Fakultativer Charakter
a) Mitbestimmungsrecht
b) Kapitalanlage- und Energiewirtschaftsrecht
c) Kapitalmarktorientierung
3. Aufsichtsorgan
III. Methodik
IV. Allgemeine Erkenntnisse

1. Gesellschafterstruktur
2. Terminologie
3. Mehrere Gremien
4. Regelungsdichte
5. Statutarischer Dispens von § 52 GmbHG
V. Mitgliederzahl der Aufsichtsorgane
1. Rechtliche Rahmenbedingungen
2. Empirische Auswertung
a) Fixe Mitgliederzahl
b) Mindest- und Höchstmitgliederzahl
c) Atypische Gestaltungen
d) Abgleich mit der Gesellschafterstruktur
VI. Bestellung der Organmitglieder
1. Wahl durch die Gesellschafterversammlung
2. Entsendung
3. Vorschlags- und Präsentationsrechte
4. Gleichlaufklauseln
5. Kooptationsrechte
VII. Wählbarkeitsvoraussetzungen
1. Qualifikationserfordernisse
2. Weitere Wählbarkeitsvoraussetzungen
3. Natürliche und voll geschäftsfähige Personen
4. Altersgrenze
VIII. Beendigung der Organstellung
1. Amtszeit
2. Abberufung
3. Amtsniederlegung
a) Frist
b) Form und Verfahren
c) Wichtiger Grund
IX. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse


I. Einleitung
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Der rechtstatsächliche Erfolg der GmbH als Verbandsform beruht – neben dem Haftungsprivileg (vgl. § 13 Abs. 2 GmbHG) – maßgeblich auf der weitreichenden Satzungsautonomie, die die normative Grundlage für die rechtspraktische Vielgestaltigkeit und die Zweckoffenheit der GmbH bildet. Die besondere Gestaltungsfreiheit war bereits dem historischen GmbH-Gesetzgeber – gerade im Vergleich zur AG – ein besonderes Anliegen. Die Vertragsfreiheit im Innenverhältnis sollte dafür sorgen, den verschiedenen Realtypen der GmbH durch individuelle Vertragsgestaltung gerecht werden zu können. Im Gegensatz zu § 23 Abs. 5 AktG macht vor allem § 45 Abs. 1 GmbHG deutlich, dass in erster Linie die Gesellschafter durch die Satzungsgestaltung die Binnenverfassung der GmbH determinieren, soweit dem keine gesetzlichen Vorschriften entgegenstehen. Das gilt für die konkrete Zuständigkeitsverteilung zwischen Gesellschafterversammlung und Geschäftsführern ebenso wie für die Schaffung weiterer, fakultativer Gesellschaftsorgane.

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Zwar ist heute durch anekdotische Evidenz hinlänglich bekannt, dass die Unternehmenspraxis von diesen Regelungsoptionen regen Gebrauch macht.  Bisher fehlt es indes an einer systematischen Aufbereitung der maßgeblichen Rechtstatsachen. Diese Forschungslücke lässt sich nur durch einen Blick auf das natürliche Habitat fakultativer Gesellschaftsorgane schließen – den Gesellschaftsvertrag. Durch die Analyse eines Querschnitts von GmbH-Satzungen, die fakultative Aufsichtsgremien vorsehen oder zu deren Einrichtung ermächtigen, sollen deren Typologie sowie die einzelnen Erscheinungsformen einer umfassenden empirischen Analyse unterzogen werden.

II. Untersuchungsgegenstand
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Den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bilden ausschließlich fakultative Aufsichtsorgane.

1. Gesellschaftsorgan
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Die Gesellschafter können grundsätzlich zwischen zwei Typen von Aufsichtsgremien wählen. Den Grundfall bildet das organschaftliche Kontrollgremium. Auf der Grundlage einer gesellschaftsvertraglichen Regelung wird dieser Typus als selbständiges Gesellschaftsorgan in die Organisationsstruktur der GmbH korporativ eingebettet. Demgegenüber kommt schuldrechtlichen Aufsichtsgremien, deren Mitglieder sich auf schuldrechtlicher Basis, typischerweise durch den Abschluss von Beraterverträgen, gegenüber dem Unternehmen verpflichten, keine Organeigenschaft zu. Mangels korporativer Verankerung können diesem Typus auch keine organschaftlichen Überwachungs , Kontroll- oder Weisungsbefugnisse übertragen werden, so dass sie auf rein beratende Tätigkeiten beschränkt sind und sich die Frage nach der Kompetenzabgrenzung zu den übrigen Gesellschaftsorganen nicht stellt. Dementsprechend erweisen sich schuldrechtliche Aufsichtsgremien im Vergleich zu korporativen Kontrollgremien für eine empirische Untersuchung als deutlich weniger geeignet und interessant. Sie sind zudem seltener in der Unternehmenspraxis anzutreffen als organschaftliche Aufsichtsgremien. Schließlich konnten sie im Rahmen der vorliegenden Satzungsanalyse auch deshalb keine Berücksichtigung finden, weil sich ihre Einrichtung anhand der untersuchten Gesellschaftsverträge gerade nicht nachweisen lässt.

2. Fakultativer Charakter
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Gleichermaßen sind alle diejenigen Aufsichtsorgane aus der Untersuchung ausgeklammert worden, deren Errichtung gerade nicht auf einem freien Willensentschluss der Gesellschafter und damit auf ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.06.2021 16:49

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