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Restrukturierungshaftung der Geschäftsleiter nach dem StaRUG (Korch, GmbHR 2021, 793)

Nach kurzen, aber bewegten Verhandlungen zum Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) haben die Restrukturierungspflichten und die Restrukturierungshaftung der Geschäftsleiter in § 43 StaRUG ihre finale Fassung gefunden. Im Gegensatz zu den Entwürfen sieht die Vorschrift allerdings von einer umfassenden Neujustierung ab. Zugleich fügt sie sich nur schwer in die gesellschaftsrechtliche Haftungskonzeption ein und bleibt teils deutlich hinter den Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie zurück.


I. Einführung

II. Restrukturierungshaftung i.e.S.

1. Restrukturierungspflichten der Geschäftsleiter

2. Haftung gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG

3. Geschäftsleiterermessen und gerichtliche Kontrolldichte

4. Haftung für den (unzureichenden) Einsatz von  Sanierungsinstrumenten

5. Verzicht und Verjährung

6. Weisungen der Gesellschafter

III. Restrukturierungshaftung i.w.S.

IV. § 43 StaRUG im Haftungsgefüge

1. Verhältnis zur gesellschaftsrechtlichen Geschäftsleiterhaftung

2. Verhältnis zu deliktischen Ansprüchen

V. Ergebnisse


I. Einführung

In Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie (RL (EU) 2019/1023 – RRL) hat der Gesetzgeber noch kurz vor Jahreswechsel einen besonderen Rechtsrahmen für Unternehmen in der Krise geschaffen. Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) strahlt dabei weit in das Gesellschaftsrecht hinein. Die früher binäre Unterscheidung zwischen außerinsolvenzrechtlicher Sanierung einerseits und Insolvenz der Gesellschaft andererseits wird um verschiedene Zwischenschritte ergänzt. Entlang dieser Zwischenschritte verschärft sich auch die Sanierungsverantwortung der Geschäftsleiter. Die maßgebliche Vorschrift des § 43 StaRUG erfasst allerdings nur noch einen kleinen Ausschnitt und bleibt auch inhaltlich hinter den Gesetzentwürfen zurück. § 2 des Regierungsentwurfs enthielt noch weitreichende Pflichten sowohl der geschäftsführenden als auch der überwachenden Organe, deren Verletzung § 3 StaRUG-RegE mittels einer Binnenhaftung gegenüber der Gesellschaft sanktionierte. Dabei blieb der Entwurf indes nicht stehen: In § 45 StaRUG-RegE war sogar eine Außenhaftung der Geschäftsleiter gegenüber den Gläubigern vorgesehen. Nach deutlicher Kritik wurden die Vorschriften allerdings während der Verhandlungen im Rechtsausschuss in letzter Minute gestrichen und durch den deutlich schlankeren § 43 StaRUG ersetzt. Für Wissenschaft und Praxis hält die Norm manche Herausforderung bereit. So ist wenige Monate nach Inkrafttreten der Vorschrift umstritten, ob sich Geschäftsleiter auf die Business Judgment Rule berufen können, in welchem Umfang die Gesellschafter haftungsbefreiende Weisungen erteilen können (II., Rz. 6 ff.), ob die Vorgaben des Art. 19 RRL ausreichend umgesetzt wurden (III., Rz. 19 ff.) und wie sich § 43 StaRUG zu den allgemeinen Haftungsvorschriften verhält (IV., Rz. 22 ff.).

II. Restrukturierungshaftung i.e.S.

1. Restrukturierungspflichten der Geschäftsleiter


Die Pflichten des Schuldners während der Restrukturierung konkretisiert § 32 StaRUG: Er hat die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers zu betreiben. Handelt es sich beim Schuldner um eine Kapitalgesellschaft, spiegelt § 43 StaRUG diese Pflichten in das Innenverhältnis. Die Geschäftsleiter haben darauf hinzuwirken, dass die Gesellschaft die Restrukturierungssache sorgfältig betreibt und die Interessen der Gläubiger wahrt. Abweichend davon sah § 2 RegE noch einen Vorrang der Interessen der Gläubiger vor den Interessen der Gesellschafter und der übrigen Stakeholder vor. Gesetz geworden ist dieser sog. shift of fiduciary duties nicht. Allerdings bringt auch die abgeschwächte Fassung des § 43 Abs. 1 StaRUG Veränderung, allen voran für die Geschäftsleiter der GmbH, die nach Ansicht des BGH und der h.L. sonst primär den Gesellschafterinteressen verpflichtet sind. Künftig müssen sie bei ihren Entscheidungen stets auch die Interessen der Gläubiger im Blick behalten. Darüber hinaus lässt sich § 32 Abs. 1 Satz 2, 3 StaRUG entnehmen, dass keine Maßnahmen getroffen werden dürfen, die die Erfolgsaussichten der Restrukturierung gefährden.

Auch der zeitliche Anwendungsbereich der Vorschrift bleibt deutlich hinter den Entwürfen zurück. Nach nahezu einhelliger Ansicht erfasst § 43 Abs. 1 Satz 1 StaRUG lediglich den Zeitraum ab Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache, die nach § 31 Abs. 3 StaRUG mit Anzeige beim Restrukturierungsgericht eintritt. Für die zeitliche Beschränkung der Geschäftsleiterpflichten streitet der Wortlaut, der vom Betreiben der Restrukturierungssache spricht, da vor der Anzeige keine Restrukturierungssache besteht. Zudem kann sich diese Lesart auf die Entstehungsgeschichte stützen. § 2 Abs. 1 StaRUG-RegE erfasste noch ausdrücklich den Zeitraum der drohenden Zahlungsunfähigkeit, weshalb der geänderte Wortlaut auf einen zeitlich verkürzten Anwendungsbereich des § 43 Abs. 1 StaRUG hindeutet. Künftig wird man deshalb zwischen der ausdrücklich geregelten Restrukturierungshaftung i.e.S. sowie der Restrukturierungshaftung i.w.S. im Zeitraum zwischen Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache (dazu unter III., Rz. 19 ff.) unterscheiden müssen.

2. Haftung gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG

Verstoßen Geschäftsleiter gegen ihre Sanierungspflichten, haften sie gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG gegenüber der Gesellschaft. Im Vergleich mit den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen, namentlich § 43 GmbHG und § 93 AktG, fallen einige Besonderheiten auf. Zunächst enthält die Vorschrift keine ausdrückliche Regelung zum Geschäftsleiterermessen, worauf zurückzukommen ist (unten unter II.3., Rz. 6 ff.). Zudem weicht die Beweislastverteilung ab: Allein das Vertretenmüssen wird zum Nachteil der Geschäftsleiter vermutet, nicht hingegen die Pflichtverletzung. Ob dies allerdings zu einer spürbaren Einschränkung der Haftungsrisiken führen wird, hängt von der künftigen Verteilung der Substantiierungslast ab. Trifft die Gesellschafter eine strenge sekundäre Darlegungslast, verschwimmen die Grenzen zur Beweislastverteilung gem. § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG.

Die Haftung besteht in Höhe des Schadens, den die Gesamtheit der Gläubiger infolge der Pflichtverletzung erfährt. Das Konzept ähnelt damit dem (...)



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.07.2021 07:53
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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