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Die Verstümmelung des Abfindungsanspruchs ausscheidender Gesellschafter durch die Rechtsprechung des II. Zivilsenats - und wie man auf sie reagieren sollte (Otte/Schwarzer, GmbHR 2021, 862)

Satzungsklauseln, die die Abfindung eines Gesellschafters bei seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft begrenzen und/oder deren Auszahlung in Raten über eine längere Zeitspanne anordnen, sollen die Gesellschaft vor hohen Kapitalabflüssen schützen und ihre Liquidität sicherstellen. Für den – ob freiwillig oder unfreiwillig – ausscheidenden Gesellschafter geht hiermit indes ein nicht unerheblicher Vermögensverlust und das Risiko einher, im schlimmsten Fall ohne angemessene Kompensation aus seiner Gesellschaft auszuscheiden. Dieses Risiko hat sich durch die jüngste höchstrichterliche Rechtsprechung des II. Zivilsenats deutlich erhöht. Der Beitrag untersucht die Risiken gängiger Abfindungsregelungen für ausscheidende Gesellschafter und zeigt Wege für eine interessengerechte Vertragsgestaltung auf.

I. Gesetzliche Ausgangslage: Mit Ausscheiden fällige Abfindung zum Verkehrswert
II. Modifikationen der Abfindung durch Satzungsklauseln

1. Abfindungsbeschränkungen der Höhe nach
2. Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen
a) Abschied von der „Bedingungslösung“ (BGH v. 24.1.2012 – II ZR 109/11)
b) Persönliche Haftung der verbleibenden Gesellschafter nur bei treuwidriger Fortführung des Unternehmens (BGH v. 10.5.2016 – II ZR 342/14)
c) Einordnung des Abfindungsanspruchs als Gesellschafterforderung i.S.v. § 199 InsO (BGH v. 28.1.2020 – II ZR 10/19)
III. Empfehlungen für die Gestaltung des Gesellschaftsvertrags
IV. Fazit


I. Gesetzliche Ausgangslage: Mit Ausscheiden fällige Abfindung zum Verkehrswert

1
Scheidet ein Gesellschafter aus seiner Gesellschaft aus, steht ihm analog § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung für seinen Geschäftsanteil zu. Nach der gesetzlichen Regelung kann er dabei dasjenige verlangen, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Der BGH hat schon früh entschieden, dass bei der Bemessung des Abfindungsanspruchs auf den Wert des fortgeführten Unternehmens der Gesellschaft abzustellen ist, den die Gesellschafter bei dessen Veräußerung zum Stichtag des Ausscheidens erzielen könnten.  Maßgeblich ist mithin nicht der Liquidations , sondern der Verkehrswert der Beteiligung.

2
Der Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters ist gem. § 271 Abs. 1 BGB sofort, d.h. mit der Einziehung bzw. Abtretung des Geschäftsanteils, in voller Höhe fällig.  Aufgrund der teils signifikanten Beteiligungen einzelner Gesellschafter kann das Ausscheiden eines Gesellschafters die Gesellschaft daher dazu zwingen, kurzfristig erhebliche Liquidität aufzubringen, um die Abfindungsforderung begleichen zu können.

II. Modifikationen der Abfindung durch Satzungsklauseln
3
Vor diesem Hintergrund ist es gängige Praxis, dass Gesellschaftsverträge Regelungen enthalten, die den gesetzlichen Abfindungsanspruch der Gesellschafter modifizieren.  Der Gesetzgeber sieht in Abfindungsbeschränkungen sogar ein typisches Erkennungsmerkmal von Familienunternehmen, was sich in der Regelung des § 13 Abs. 9 Nr. 3 ErbStG niedergeschlagen hat.  Die Modifikationen können die Ermittlung des Abfindungsanspruchs und/oder einen prozentualen Abschlag auf den Anteilswert regeln, aber auch eine Stundung des Anspruchs oder seine Auszahlung in Raten vorsehen.

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Dem Interesse der verbleibenden Gesellschafter an einer möglichst niedrigen Belastung der Gesellschaft mit Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem ausscheidenden Gesellschafter steht aber dessen Interesse daran gegenüber, eine möglichst äquivalente Gegenleistung für die Aufgabe seiner Beteiligung – die im Moment seines Ausscheidens wirtschaftlich den übrigen Gesellschaftern anwächst  – zu erhalten. Satzungsklauseln zu Abfindungsbeschränkungen sind daher daran zu messen, ob sie das Kündigungsrecht eines Gesellschafters unvertretbar beschränken, indem sie sein Abfindungsinteresse missachten und/oder ihn mit einem untragbaren und unübersehbaren Inflations- und Insolvenzrisiko belasten.

5
Nachfolgend soll zunächst die Zulässigkeit von Abfindungsbeschränkungen der Höhe nach analysiert werden (Rz. 6 ff.), bevor auf die Rechtsprechung zum Schicksal des Abfindungsanspruchs nach dem Ausscheiden des Gesellschafters eingegangen wird (Rz. 16 ff.).

1. Abfindungsbeschränkungen der Höhe nach
6
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sind Beschränkungen des Abfindungsanspruchs der Höhe nach grundsätzlich zulässig,  solange sie nicht schon bei ihrer Aufnahme in die Satzung grob unbillig sind und daher gegen § 138 BGB verstoßen.  Vorgaben dazu, wann ein grobes Missverhältnis in diesem Sinn vorliegt, lehnt der II. Zivilsenat ab. Er hat stattdessen darauf hingewiesen, dass man ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.08.2021 13:03
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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