Aus der GmbHR

Die virtuelle Gesellschafterversammlung in der GmbH (Beck, GmbHR 2021, 901)

Die COVID 19-Pandemie hat in vielen Bereichen dazu geführt, dass persönliche Zusammenkünfte vermieden werden und stattdessen Treffen unter Verwendung von Kommunikationsmedien virtuell stattfinden. Für die Gesellschafterversammlung in der GmbH fehlt es jedoch an einer gesetzlichen Regelung – sowohl in der Pandemie als auch für den regulären Betrieb danach. Das Gesetz geht von Präsenz-versammlungen aus. Der Weg zu einer virtuellen Gesellschafterversammlung führt nach der h.M. über die Verankerung in der Satzung. Insgesamt steckt die Fachdiskussion über die virtuelle Gesellschafterversammlung aber bei vielen Punkten noch in den Kinderschuhen. Der Beitrag will ein wenig Anschubhilfe für virtuelle Gesellschafterversammlungen auch nach der Pandemie geben.


I. Einleitung

II. Der aktuelle Stand der virtuellen Gesellschafterversammlung

1. Der Regelungsumfang der Gesellschafterversammlung im GmbHG

2. Präsenzversammlung als gesetzgeberischer Status quo

a) Die Regelung in § 48 GmbHG durch den Gesetzgeber und die Interpretation in der Literatur

b) Wortlaut und Normzweck des § 48 GmbHG

c) Regelung zur virtuellen Hauptversammlung in der AG

d) Keine Änderung durch das COVMG

e) Ergebnis

III. Die „virtuelle Gesellschafterversammlung“ als  Gestaltungsaufgabe

1. Die Satzungsgrundlage

a) Erforderlichkeit einer Satzungsgrundlage

b) Zulässigkeit einer Satzungsgrundlage

2. Der Minderheitenschutz

a) Die Problematik einer schutzbedürftigen Gesellschafterminderheit

b) Die Erschwernis der Teilnahme

c) Was kann dem Gesellschafter zugemutet werden?

d) Schlussfolgerungen für den Minderheitenschutz

IV. Die Umsetzung der virtuellen Gesellschafterversammlung

1. Die technische Notwendigkeit der Zwei-Wege- Echtzeitkommunikation

2. Einberufung der virtuellen Gesellschafterversammlung

a) Einberufungsmedium

b) Angaben des Versammlungsorts und des Versammlungslokals

c) Einberufungsfrist

3. Fehlerfolgen bei der virtuellen Gesellschafterversammlung

a) Nichtigkeit und Anfechtbarkeit als Grundsatz

b) Anfechtbarkeit bei technischen Störungen

c) Keine Anfechtbarkeit bei technischen Störungen im Verantwortungsbereich des Gesellschafters

V. Zentrale Aspekte und Abschluss


I. Einleitung

Die Gesellschafter der GmbH fassen Beschlüsse in Gesellschafterversammlungen (§ 48 Abs. 1 GmbHG). Damit besteht grundsätzlich die Notwendigkeit, zur Beschlussfassung solche Gesellschafterversammlungen abzuhalten. So wichtig es in der derzeitigen Lage ist, auf Versammlungen in Form von Präsenzveranstaltungen zu verzichten, so nützlich mag das ganz allgemein sein. Auch ohne pandemiebedingte Einschränkungen lassen sich etwa bei einem weit verteilten Kreis der Teilnehmer und/oder bei nur kurzen Versammlungen Zeit und Kosten sparen. Für AGs werden die Chancen in der Zukunft bereits gesehen, für die GmbH darf man ebenfalls darüber nachdenken, das Potential der präsenzlosen Zusammenkunft zu nutzen.

Vor diesem Hintergrund betrachtet der vorliegende Beitrag die virtuelle Gesellschafterversammlung. Der hier verwendete Begriff meint eine Versammlung der Gesellschafter unter ausschließlicher Verwendung von Kommunikationsmedien ohne notwendige gleichzeitige physische Präsenz an einem Ort, in der es möglich ist, wirksam Gesellschafterbeschlüsse im Sinne des GmbHG zu fassen. Beschlüsse, die in dieser virtuellen Gesellschafterversammlung gefasst werden, sind keine Umlaufbeschlüsse i.S.d. § 48 Abs. 2 GmbHG, sondern in einer Versammlung gefasste Beschlüsse. Bei dieser virtuellen Versammlung handelt es sich nur um eine alternative Art der Durchführung der Gesellschafterversammlung.

Nachfolgend wird zunächst betrachtet, wie es aktuell um die virtuelle Gesellschafterversammlung steht und wie sie sich nach dem Gesetz zur Präsenzversammlung verhält (dazu II., Rz. 4 ff.). Sodann wird diskutiert, wie die Gesellschafter das Instrument in der Satzung verankern können (dazu III., Rz. 13 ff.) und wie die virtuelle Gesellschafterversammlung in der Praxis umgesetzt werden kann (dazu IV., Rz. 29 ff.). Schließlich werden zentrale Aspekte herausgestellt (V., Rz. 44 ff.).

II. Der aktuelle Stand der virtuellen Gesellschafterversammlung

1. Der Regelungsumfang der Gesellschafterversammlung im GmbHG


Die Gesellschafterversammlung als solche ist im GmbHG nicht ausdrücklich geregelt. Sie wird vorausgesetzt. Die mit „Gesellschafterversammlung“ überschriebene Vorschrift des § 48 GmbHG enthält jedenfalls keine detaillierte Regelung zur Durchführung der Gesellschafterversammlung. Die Vorschrift regelt (nur) die Art und Weise der Willensbildung der Gesellschafter. Zentral angesprochen wird damit die Beschlussfassung – in der Gesellschafterversammlung.

2. Präsenzversammlung als gesetzgeberischer Status quo

a) Die Regelung in § 48 GmbHG durch den Gesetzgeber und die Interpretation in der Literatur


Gesellschafterversammlungen sind Versammlungen der Gesellschafter in Präsenz. Im Gesetz findet sich das nicht, gelegentlich lässt sich diese Annahme aber sogar ausdrücklich so lesen. Es handelt sich dabei um die richtige Interpretation des § 48 GmbHG, da der Gesetzgeber des GmbHG ursprünglich wohl keine anderen als Präsenzversammlungen gekannt haben dürfte. Fragt man danach, welchen Sachverhalt der Gesetzgeber seinerzeit eigentlich regeln wollte, wird man also zu dem Ergebnis kommen, dass es die Präsenzversammlung war.

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es jemals durch den Gesetzgeber beabsichtigt oder gebilligt wurde, virtuelle Versammlungen den Präsenzversammlungen gleichzustellen. Dafür, dass er im Rahmen von Änderungen des GmbHG den Begriff der „Gesellschafterversammlung“ ohne Änderung des Wortlauts zu irgendeiner Zeit so verstanden wissen wollte, dass auch virtuelle Versammlungen erfasst sein sollten, findet sich in den Gesetzesmaterialien nichts.

b) Wortlaut und Normzweck des § 48 GmbHG

Betrachtet man den Wortlaut des § 48 GmbHG und erkennt den Regelungszweck der Norm darin, dass „sich die Teilnehmer sehen und hören und damit in einer Weise kommunizieren können, wie dies unter Anwesenden üblich ist“, könnte man zu der Auffassung gelangen, dass virtuelle Versammlungen Gesellschafterversammlungen i.S.d. § 48 GmbHG sein können. Einer Satzungsermächtigung zur Abhaltung virtueller Gesellschafterversammlungen bedürfte es danach nicht. Allerdings dürfte dieses Ergebnis vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG nicht im Wege der Gesetzesauslegung zu erreichen sein: Eine Interpretation, die vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein.

c) Regelung zur virtuellen Hauptversammlung in der AG

Der Blick über die Grenzen des GmbHG in das AktG mag schließlich bei der Bestätigung, dass die Gesellschafterversammlung nach dem Gesetz eine Präsenzversammlung ist, helfen: Für die aktienrechtliche Hauptversammlung entspricht es jedenfalls der weitgehend einhelligen und vielfach zu lesenden Auffassung, dass (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.09.2021 13:57
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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