Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 37)

Hier finden Sie Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

OLG Düsseldorf 24.9.2020, 12 U 1/20
Befriedigung der sowohl durch Gesellschaft als auch Gesellschafter gesicherten Forderung eines Gläubigers durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

1. §§ 143 Abs. 3 Satz 1, 135 Abs. 2 InsO sind analog anwendbar, wenn die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters gesicherte Forderung eines Darlehensgläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt wird.

2. Für die Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO reicht es aus, dass der Insolvenzverwalter zur Befriedigung Mittel der Gesellschaft aufgewandt hat und die vom Gesellschafter gestellte Sicherheit hierdurch frei geworden ist. Dies gilt auch dann, wenn der befriedigte Gläubiger anfechtungsfest am Gesellschaftsvermögen gesichert war.

3. Das Verjährenlassen der Gesellschaftersicherheit durch den Gläubiger ändert – wie der Erlass oder eine sonstige Freigabe – nichts an der Haftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft im Innenverhältnis.

4. Die Verjährungsfrist des § 146 Abs. 1 InsO beginnt in einem solchen Fall (erst) mit dem Freiwerden der Gesellschaftersicherheit aufgrund der Verwertung der Gesellschaftssicherheit zu laufen.
(alle amtl.)

 

Österreichischer OGH 25.11.2020, 6 Ob 209/20h
Vorstandshaftung wegen Missachtung von konzernweiten Zustimmungsvorbehalten im faktischen Konzern nach österreichischem Recht

1. Harte Patronatserklärungen begründen die Verpflichtung des Patrons, z.B. einer Obergesellschaft in einem Konzern, eine Tochtergesellschaft so auszustatten, dass sie zur Bezahlung ihrer Schulden in der Lage ist.

2. Ein faktischer Konzern ist keine Gesellschaft und hat daher keine Organe.

3. Der Vorstand der Obergesellschaft im faktischen Konzern hat eine gewisse Konzernleitungspflicht und ein beschränktes Weisungsrecht gegenüber den Tochtergesellschaften, wenn es sich um konzernrelevante Geschäfte bei der Tochtergesellschaft handelt, z.B. bei der Übernahme großer Haftungsrisiken durch den Vorstand der Tochtergesellschaft.

4. Auf konzernrelevante Geschäfte der Tochtergesellschaft erstreckt sich auch die Aufsichtspflicht des Aufsichtsrats der Obergesellschaft.

5. Konzernrelevante Geschäfte der Tochtergesellschaft können einem konzernweiten Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Aufsichtsrats der Obergesellschaft unterliegen.

6. Verletzen die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat der Obergesellschaft die konzerndimensionalen Organpflichten, machen sie sich schadensersatzpflichtig.
(alle nicht amtl.)

 

OLG Köln 20.5.2021, 18 AktG 1/21
Keine Aussetzung des Freigabeverfahrens gegen Bestätigungsbeschluss

1. Eine Verfahrensaussetzung gem. § 148 Abs. 1 ZPO ist mit dem Wesen des Freigabeantrags insbesondere dann nicht vereinbar, wenn der nachweislich fehlende Mindestanteilsbesitz eine Freigabeentscheidung ohne inhaltliche Prüfung des Sachvortrags der Minderheitsaktionäre rechtfertigt.

2. Das Freigabeverfahren ist auch bei Bestätigungsbeschlüssen i.S.d. § 244 AktG statthaft.

3. Die in § 319 Abs. 6 AktG i.d.F. des ARUG v. 30.7.2009 vorgesehene Eingangszuständigkeit des OLG und die Unanfechtbarkeit der Entscheidung sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

4. Der Gesichtspunkt der Angemessenheit der Höhe der Barabfindung nach § 327b AktG hat bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Freigabeantrags i.S.v. § 327e Abs. 2 i.V.m. § 319 Abs. 6 AktG außer Betracht zu bleiben.

5. Die Ermittlung des durch § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 AktG vorgegebenen Mindestquorums stellt auf den anteiligen Nennbetrag am Grundkapital ab.

6. § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 AktG ist nicht verfassungswidrig.
(alle amtl.)

 

BFH 17.11.2020, I R 2/18
Gestaltungsmissbrauch bei Verschmelzung einer „Gewinngesellschaft“ auf eine „Verlustgesellschaft“

1. Einzelsteuergesetzliche Vorschriften zur Verhinderung von Steuerumgehungen, die tatbestandlich nicht einschlägig sind, schließen die Anwendung des § 42 AO nicht aus.

2. Bei der Prüfung des Vorliegens eines Missbrauchs i.S.d. § 42 Abs. 2 AO sind diejenigen Wertungen des Gesetzgebers, die den von ihm geschaffenen einzelsteuergesetzlichen Vorschriften zur Verhinderung von Steuerumgehungen zugrunde liegen, zu berücksichtigen.

3. Wird eine „Gewinngesellschaft“ auf eine „Verlustgesellschaft“ verschmolzen und verrechnet diese die positiven Einkünfte der „Gewinngesellschaft“ des Rückwirkungszeitraums mit ihren eigenen Verlusten, dann stellt dies nach der Rechtslage des Jahres 2008 keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar. Dies gilt auch dann, wenn die „Gewinngesellschaft“ die Gewinne des Rückwirkungszeitraums bereits an ihre frühere Muttergesellschaft ausgeschüttet hatte.
(alle amtl.)

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.09.2021 08:17
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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