Aktuell in der GmbHR

Halbseitige und gemischte Gesamtvertretung in der GmbH (Bayer, GmbHR 2021, 968)

Nach einer kurzen Einführung in die grundlegende Dogmatik der organschaftlichen Gesamtvertretung in der GmbH behandelt der Beitrag zunächst die Variante der halbseitigen Gesamtvertretung sowie dann ausführlich die zahlreichen Streitfragen im Zusammenhang mit der Variante der gemischten Gesamtvertretung, einschließlich der Abgrenzung zur gemischten Gesamtprokura. Der Beitrag schließt mit Ausführungen zur Rechtslage, wenn im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Geschäftsführer wegfallen.

I. Überblick und Grundlagen zur organschaftlichen Vertretung der GmbH
1. Einzelvertretung durch den Alleingeschäftsführer
2. Gesamtvertretung bei mehreren Geschäftsführern
a) Dogmatik der organschaftlichen Gesamtvertretung
b) Bevollmächtigung eines organschaftlichen Gesamtvertreters
3. Abweichende Regelungen im Gesellschaftsvertrag
a) Abweichende Anordnung bzw. Ermächtigung zur Abänderung
b) Alleinvertretung der Geschäftsführer oder differenzierende Regelungen
c) Kein Ausschluss und keine inhaltliche Beschränkung der Vertretungsmacht
d) Eintragung im Handelsregister
II. Halbseitige Gesamtvertretung
1. Rechtsentwicklung
2. Halbseitige Gesamtvertretung in der GmbH
III. Gemischte Gesamtvertretung
1. Begriff und grundsätzliche Zulässigkeit der gemischten Gesamtvertretung
2. Umfang der gemischten Gesamtvertretung
3. Ausübung der gemischten Gesamtvertretung
4. Schranken der Zulässigkeit
a) Gewährleistung der Vertretung der Gesellschaft ausschließlich durch organschaftliche Vertreter
b) Gemischte Gesamtvertretung nur neben einer echten Gesamtvertretung?
5. Abgrenzung zur gemischten Gesamtprokura
a) Begriff und Bedeutung
b) Zulässigkeit und Varianten der gemischten Gesamtprokura
aa) Grundsätzliche Anerkennung
bb) Bindung des Prokuristen an die Mitwirkung eines organschaftlichen Einzelvertreters
cc) Bindung des Prokuristen an die Mitwirkung eines organschaftlichen Gesamtvertreters
dd) Rechtsnatur der gemischten Gesamtprokura
c) Umfang der gemischten Gesamtprokura
IV. Wegfall von Geschäftsführern
1. Allgemeine Grundsätze
2. Wegfall von Geschäftsführern bei gemischter Gesamtvertretung
a) Vertretungsbefugnis
b) Schutz des Rechtsverkehrs
V. Zusammenfassung/Fazit


I. Überblick und Grundlagen zur organschaftlichen Vertretung der GmbH

1. Einzelvertretung durch den Alleingeschäftsführer

1
Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, besteht nach der ungeschriebenen gesetzlichen Regel  Einzelvertretungsbefugnis. Dies gilt im Zweifel auch dann (siehe auch unten IV., Rz. 58), wenn nach dem Gesellschaftsvertrag mehrere Geschäftsführer zu bestellen sind, indes nicht bestellt wurden. Denn die gesetzliche Anordnung der Gesamtvertretung gilt nach § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG erst dann, wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind (näher I.2.a], Rz. 2).

2. Gesamtvertretung bei mehreren Geschäftsführern

a) Dogmatik der organschaftlichen Gesamtvertretung

2
Nach § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG gilt bei Vorhandensein mehrerer Geschäftsführer im Zweifel Gesamtvertretung, was bedeutet, dass zur organschaftlichen (Aktiv-)Vertretung der GmbH alle Geschäftsführer „nur gemeinschaftlich“ berechtigt sind. Gemeinschaftlich bedeutet nicht, dass die Willenserklärungen durch die gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer gemeinsam abgegeben werden müssen.

3
Ein Gesamtvertreter kann auch zum alleinigen Handeln ermächtigt werden; diese in § 125 Abs. 2 Satz 2 HGB, § 78 Abs. 4 AktG explizit eröffnete Möglichkeit gilt in analoger Anwendung auch für die GmbH. Seit der Grundsatzentscheidung des BGH vom 6.3.1975  ist geklärt, dass der Ermächtigte nicht etwa bevollmächtigt wird, vielmehr erstarkt seine bisherige Gesamtvertretungsmacht für den bestimmten Geschäftsbereich zur organschaftlichen Alleinvertretungsmacht. Dogmatisch handelt es sich allerdings nicht um eine Übertragung bzw. Erweiterung von Vertretungsbefugnissen, sondern  lediglich um eine Ausübungsermächtigung.

4
Nach h.M. wird die Ermächtigung vom organschaftlichen Vertretungsorgan in vertretungsberechtigter Zahl erklärt, wobei der Adressat der Erklärung mitwirken darf (also keine Beschränkung durch § 181 BGB); richtigerweise erfolgt die Ermächtigung jedoch durch die übrigen Gesamtvertreter. Entgegen einer verbreiteten Ansicht können gesamtvertretungsberechtigte GmbH-Geschäftsführer jedoch nicht von der Gesellschafterversammlung zum alleinigen Handeln ermächtigt werden, da die Gesellschafter hierfür – in gleicher Weise etwa wie für eine Genehmigung eines schwebend unwirksamen Geschäfts eines nicht vertretungsberechtigten Geschäftsführers  – nicht zuständig sind.

b) Bevollmächtigung eines organschaftlichen Gesamtvertreters
5
Entgegen der h.M. kann einem gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer auch Spezialvollmacht erteilt werden. Die Gegenansicht – die sich dogmatisch auf das Urteil des BGH vom 6.3.1975 beruft, allerdings ältere Wurzeln hat  – differenziert regelmäßig nicht zwischen Einzel- und Gesamtvertretung, sondern verneint jegliche ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.09.2021 14:28
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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