Aktuell in der GmbHR

Eine GmbH mit ewigem Gewinnausschüttungsverbot - Bahnbrechende Innovation oder volkswirtschaftlich bedenkliche Perpetuierung? (Weitemeyer/Weißenberger/Wiese, GmbHR 2021, 1069)

National wie international besteht ein Bedürfnis nach hybriden Rechtsformen, die nachhaltiges Wirtschaften unter Minimierung des Gewinnanreizes ermöglichen sollen. In Deutschland hat die Initiative einer GmbH mit gebundenem Vermögen für einiges Aufsehen gesorgt. Der Beitrag stellt das Ziel und die Umsetzung des Vorhabens vor und setzt sich kritisch mit der vorgeschlagenen GmbH-Variante auseinander. Es zeigt sich, dass die neue Rechtform nicht nur umständlich und missbrauchsanfällig ist, sondern auch zur Umgehung des Erb- und Familienrechts einladen und ungerechtfertigte Steuervorteile genießen würde. Zielführender wären die weitere Reform des Stiftungsrechts, ein Branding für Sozialunternehmen, steuerliche Verbesserungen von Unternehmensspenden sowie eine erhöhte Arbeitnehmerbeteiligung.

I. Gestaltung und Zielrichtung einer GmbH mit  gebundenem Vermögen
1. Erleichterung der Nachfolge in Unternehmen
2. Vertrauensbildung durch Rechtsform
II. Bewertung
1. Verbot von Selbstzweckorganisationen
2. Problem der zwingenden Vermögensbindung  („Asset Lock“)
3. Finanzverfassung und Umgehungsmöglichkeiten
4. Gesellschafterverträge und verdeckte  Gewinnausschüttungen
5. Unternehmerische Fehlanreize
6. Friktionen gegenüber dem Insolvenz-, Familien- und Erbrecht
7. Steuervorteile
III. Rechtspolitischer Ausblick
1. Vorschläge zur Vertrauensbildung am Markt
2. Notwendige Fortentwicklung des Stiftungsrechts
IV. Fazit


I. Gestaltung und Zielrichtung einer GmbH mit gebundenem Vermögen

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Nachhaltige Unternehmensführung ist en vogue. Danach sollen Unternehmen neben dem Gesellschaftszweck auch einen gemeinwohlorientierten „Purpose“ aufweisen und somit nicht nur die Interessen der Gesellschafter berücksichtigen, sondern auch der weiteren Personen, für die die Entwicklung des Unternehmens sozialökonomisch relevant ist (Stakeholder).  Gesetzgeber und private Standardsetter arbeiten an Rahmenkonzepten für eine nichtfinanzielle Berichterstattung, über die Unternehmen ihre Maßnahmen im Hinblick auf Corporate Social Responsibility (CSR) offenlegen.  Zwischen Markt, Staat und Drittem Sektor ist ein neuer Typus von Unternehmen entstanden, die als „Social Ventures“ ihre Gewinne gerade aus solchen Geschäftsmodellen ziehen wollen, die auch einen spürbaren Beitrag zur Verbesserung eines allgemeinen sozialen Wohlstands leisten.

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Ähnlich motiviert schlagen die Initiatoren der „Stiftung Verantwortungseigentum“ eine neue Variante der GmbH vor, die „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen mbH (GmbH-gebV)“.  Das Vermögen und die Gewinne der GmbH-gebV sollen dauerhaft allein dem Unternehmen zugutekommen. Gewinnausschüttungen an Gesellschafter sollen ebenso ausgeschlossen sein wie die Beteiligung der Gesellschafter an den Wertsteigerungen des Unternehmens bei Ausscheiden aus der Gesellschaft oder Liquidation (sog. Asset Lock).  Zulässig ist im Grundsatz nur die Rückzahlung der geleisteten Einlage zum Nennwert. Eine Veräußerung zu einem höheren Kaufpreis an einen geeigneten Erwerber ist möglich, allerdings greifen für diesen wieder die bestehenden Verbote einer Gewinnausschüttung.  Im laufenden Betrieb sollen die Gesellschafter allenfalls eine (angemessene) Vergütung im Rahmen gesonderter Rechtsverhältnisse erhalten, z.B. in Form von Gehalt, Darlehenszinsen, Lizenzgebühren, Miete oder Pacht.  Die GmbH-gebV soll auch nicht ohne weiteres vererbt oder höchstbietend veräußert werden, sondern unabhängig von Familie und Vermögen nur mit Zustimmung aller Gesellschafter an intrinsisch motivierte  Verantwortungseigentümer derselben „Fähigkeiten- und Wertefamilie“  übergeben werden können. Verweigern die überlebenden Gesellschafter die Zustimmung zur Aufnahme der Erben in die Gesellschaft, erhalten diese nur einen Ausgleich für die Beteiligung in Höhe des Nennwerts der Einlage.

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Im Ergebnis sollen die Gesellschafter der GmbH-gebV damit „als Treuhänder“  die Kontrolle über die Gesellschaft im Interesse des Unternehmens und der nächsten Generation ausüben: Sowohl erwirtschaftete als auch erwartete Gewinne bleiben im Unternehmenskapital gebunden und können nicht persönlich durch die Gesellschafter vereinnahmt werden. Hinter diesen Gestaltungsmerkmalen der neuen Rechtsform stehen die im Folgenden dargestellten Überlegungen.

1. Erleichterung der Nachfolge in Unternehmen
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Mit der Rechtsform der GmbH-gebV soll die Unternehmensnachfolge intrinsisch motivierter Nachfolger gesichert werden. In klassischen Familienunternehmen wird das Unternehmen mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts durch Abfindungsbeschränkungen, Vinkulierungsklauseln, Schutzgemeinschaftsverträge, erhöhte Mehrheitsquoten bis hin zu 100 %-Quoten für die Änderung der Satzung und der Etablierung eines Ankergesellschafters vor Zersplitterung geschützt.  Gegenwärtig kann ein Unternehmen aber nicht ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.10.2021 16:02
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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