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Die unternehmensverbundene Familienstiftung nach dem Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts (Baßler/Stöffler/Blecher, ZIP 2021, 1125)

Neuerungen und Handlungsempfehlungen für bestehende Stiftungen

Das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts bringt wesentliche Änderungen für Stiftungen mit sich, allen voran die Schaffung eines einheitlichen Bundesstiftungsrechts, wodurch die Landesstiftungsgesetze größtenteils abgelöst werden. Der Beitrag zeigt die Auswirkungen des neuen Stiftungsrechts für bestehende unternehmensverbundene Familienstiftungen auf und gibt Handlungsempfehlungen. Insbesondere wird dabei auf das Stiftungsvermögen und seine Verwaltung, die Stiftungsorgane und ihre Haftung, den Sitz der Stiftungsverwaltung und seine Verlegung sowie auf die Möglichkeit von Satzungsänderungen und Auflösung der Stiftung eingegangen. Bestehende unternehmensverbundene Familienstiftungen sollten sich frühzeitig mit den Änderungen vertraut machen, um rechtzeitig vor deren Inkrafttreten am 1.7.2023 auf alle Veränderungen vorbereitet zu sein.

I. Einleitung
II. Das Stiftungsvermögen und seine Verwaltung

1. Begriff und Zusammensetzung des Stiftungsvermögens, § 83b BGB n.F.
2. Vermögensverwaltungsgrundsätze, § 83c BGB n.F.
3. Ausgewählte Aspekte zur Vermögensverwaltung
a) Nachträgliche Bildung von Grundstockvermögen durch Umwidmung gem. § 83b Abs. 2 Nr. 3 BGB n.F.
b) Teilverbrauch des Grundstockvermögens  (§ 83c Abs. 2 BGB n.F.)
c) Behandlung von Umschichtungsgewinnen  (§ 83c Abs. 1 Satz 3 BGB n.F.)
III. Die Stiftungsorgane und ihre Haftung
1. Abberufung eines Organmitglieds
2. Haftung der Stiftungsorgane
a) Allgemeine Regelung
b) Privileg der Business-Judgement-Rule
c) Haftungserweiterung für „ehrenamtlich“ tätige Stiftungsorgane
IV. Der Sitz der Stiftungsverwaltung und seine  Verlegung (in das Ausland)
V. Die Änderung der Satzung sowie die Auflösung der Stiftung
VI. Fazit


I. Einleitung

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„Was lange währt ...“ heißt es im Sprichwort. Insofern besteht die Erwartung, dass das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes  (nachfolgend StiftVereinhG) dereinst positiv bewertet werden wird. Immerhin sind sieben Jahre vergangen, seitdem die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) auf der 199. Sitzung im Juni 2014 beschloss, „die stiftungsrechtlichen Vorschriften auf Möglichkeiten zur Vereinheitlichung, Vereinfachung und Zusammenführung zu überprüfen“,  und dazu das Bundesinnenministerium bat, innerhalb der Bundesregierung auf die Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hinzuwirken. Nach Vorlage ihres Berichts  wurde die Arbeitsgruppe beauftragt, die Interessenvertretungen von Stiftungen und Stiftern sowie Vertretern der Kirchen zu dem Bericht anzuhören und einen Diskussionsentwurf zur Änderung des Stiftungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch zu erarbeiten.  Im Anschluss daran veröffentlichte das BMJV am 28.9.2020 einen – um Regeln zur Einführung eines bundeseinheitlichen Stiftungsregisters ergänzten – Referentenentwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts , der trotz massiver Kritik aus der Literatur  mit nur punktuellen Änderungen als Grundlage eines Regierungsentwurfs für ein gleichnamiges Gesetzes vom 31.3.2021 diente.  Im Gesetzgebungsverfahren wurden Inhalt und Name des Entwurfs im Zeichen der Pandemiebekämpfung um sachfremde Vorschriften zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes ergänzt, im Übrigen aber inhaltlich nur wenig verändert.

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Das Gesetz verfolgt im Bereich des Stiftungsrechts zwei Ziele: Wie sein Name verdeutlicht, wird eine bundesrechtliche Vereinheitlichung des quo ante bestehenden Stiftungsrechts angestrebt. Explizit unterstreicht dies die Begründung zum Gesetzentwurf: „Durch den Entwurf soll das Stiftungsrecht nicht grundlegend geändert werden, ...“.  Dies schließt Änderungen im Einzelfall jedoch nicht aus und tatsächlich bewirkt das Gesetz eine Reihe von Änderungen der Rechtslage. Dies resultiert zum einen aus dem Umstand, dass angesichts des Flickenteppichs von 16 ähnlichen, aber doch en detail vielfach abweichenden Landesstiftungsgesetzen bislang ein einheitliches Stiftungsprivatrecht in Deutschland nicht existierte, so dass jede Vereinheitlichung notwendigerweise hier und da Rechtsänderungen mit sich bringen muss. Zusätzlich geht das Gesetz zumindest punktuell über das hinaus, was bisher auch nur in einem oder einzelnen Landesstiftungsrechten normiert war, und schafft insoweit eine vollständig neue Rechtslage. Das zweite Ziel des Gesetzes besteht darin, durch ein zentrales Stiftungsregister die Transparenz der Stiftungslandschaft zu erhöhen und mittels Registerpublizität den Stiftungsorganen den Nachweis ihrer Vertretungsmacht zu erleichtern.  Dieses zweite Ziel ist nicht Gegenstand dieses Beitrags.

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Das StiftVereinhG sieht bedeutende Übergangsfristen vor. Bereits in Kraft getreten sind nur die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingefügten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes (Art. 9, 10 i.V.m. Art. 11 Abs. 3 StiftVereinhG). Das neugefasste Stiftungsprivatrecht (Art. 1, 2 StiftVereinhG) wird zusammen mit einigen Folgeänderungen in anderen Gesetzen erst am 1.7.2023 (Art. 11 Abs. 2 StiftVereinhG) in Kraft treten, die Regeln zum Stiftungsregister sogar erst am 1.1.2026 (Art. 11 Abs. 1 StiftVereinhG). Einmal in Kraft, werden die neuen Regeln für alle dann bestehenden Stiftungen gelten (Art. 229 § 59 Satz 1 EGBGB i.d.F. von Art. 2 StiftVereinhG). Dies sollte Anlass für alle deutschen Stiftungen sein, sich eingehend mit der Neuregelung zu befassen und die Zeit bis zum Inkrafttreten zu nutzen, eventuell notwendige Änderungen anzustoßen. Der Beitrag konzentriert sich dabei im Folgenden auf bestehende Familienstiftungen mit einem Unternehmensbezug („unternehmensverbundene Familienstiftungen“).

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Die durch Art. 1 StiftVereinhG vollständig neugefassten §§ 80–88 BGB (im Folgenden „BGB n.F.“) bringen für bestehende Stiftungen einen bunten Strauß von Detailänderungen. Diese kann man in vier Kategorien einteilen: das Stiftungsvermögen und seine Verwaltung (unter II.), die Stiftungsorgane und ihre Haftung (unter III.), der Verwaltungssitz der Stiftung und seine Verlegung (unter IV.) sowie die Änderung der Stiftungssatzung einschließlich der Auflösung der Stiftung (unter V.).

II. Das Stiftungsvermögen und seine Verwaltung
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Mit §§ 83b und 83c BGB n.F. wurden erstmals Regelungen zum Begriff und zur Verwaltung des Stiftungsvermögens in das BGB aufgenommen. Entgegen dem grundsätzlichen Bestreben, eine einheitliche und abschließende Regelung des Stiftungsrechts auf Bundesebene zu schaffen, sollten für das Stiftungsvermögen allerdings nur grundlegende Bestimmungen in Anlehnung an ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.10.2021 13:39
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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