Aktuell in der GmbHR

Die Einheits-GmbH & Co. KG nach MoPeG (Wertenbruch, GmbHR 2021, 1181)

Bei der Einheits-GmbH & Co. KG ist die KG die einzige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH, so dass durch das Ausscheiden von Kommanditisten aus der KG von vornherein keine Beteiligungsdisparitäten auftreten können. Die bislang rechtlich diffizile Stimmrechtsausübung der KG in der Gesellschafterversammlung der GmbH regelt künftig die MoPeG-Vorschrift des § 170 Abs. 2 HGB n.F. Die Öffnung der Rechtsformen der OHG und der KG für die Freien Berufe bezieht sich grundsätzlich auch auf die Einheits-GmbH & Co. KG, und zwar insbesondere für die gemeinschaftliche Berufsausübung von Rechtsanwälten und Steuerberatern, weil insoweit die Novelle der Berufsrechte schon verabschiedet worden ist.

I. Einleitung und Problemstellung
II. Die Gründung der Einheits-GmbH & Co. KG

1. Übertragungsmodell und Beteiligungsmodell
2. Leistung der Kommanditeinlagen nach §§ 171 Abs. 1 Halbs. 2, § 172 Abs. 6 HGB
3. Analoge Anwendung des § 33 Abs. 1 GmbHG bei Übertragung nicht voll eingezahlter GmbH-Geschäftsanteile auf die KG
III. Die Neuregelung des § 170 Abs. 2 HGB n.F. zur Stimmrechtsausübung in der GmbH
1. Organschaftliche Vertretungsmacht der  Kommanditisten – gesetzliche Auffanglösung
2. Rechtsnatur und verdrängende Wirkung der Vertretungsmacht nach § 170 Abs. 2 HGB n.F. – Unterschiede zur rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung
3. Einordnung bestehender vertraglicher Vollmachtlösungen bei Inkrafttreten des MoPeG
4. Einheitliche Ausübung des Stimmrechts in der GmbH nach Maßgabe der Beschlussfassung in der KG
5. Keine Erstreckung des § 170 Abs. 2 HGB n.F. auf den Vollzug von GmbH-Gesellschafterbeschlüssen
IV. Stimmverbote in den beiden Gesellschafterversammlungen der Einheits-GmbH & Co. KG
V. Nachteile der klassischen GmbH & Co. KG im  Vergleich zur Einheitsgesellschaft

1. Beteiligungsidentität und Gleichschaltungsklauseln der verzahnten Gesellschaftsverträge als Ausgangspunkt
2. Kündigung der Mitgliedschaft
3. Unterschiedliche Rechtsfolgen bei Ausscheiden von Todes wegen
4. Beteiligungsasymmetrie wegen Legitimationswirkung der GmbH-Gesellschafterliste gem. § 16 Abs. 1 GmbHG
a) Legitimationswirkung der Gesellschafterliste bei Anteilseinziehung gem. § 34 GmbHG
b) Störung der Beteiligungsidentität durch einstweilige gerichtliche Untersagung der Änderung der Gesellschafterliste bei Anteilseinziehung und Geschäftsführerabberufung
c) Keine Gesellschafterlisten-Problematik bei der  Einheits-GmbH & Co. KG
5. Kosten einer rechtsgeschäftlichen Übertragung von GmbH-Geschäftsanteil und Kommanditanteil
VI. Die Einheits-GmbH & Co. KG für Freie Berufe –  insbesondere Anwälte und Steuerberater
1. Allgemeine Öffnung der OHG/KG für die Freien  Berufe gem. § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. ab 1.1.2024
2. Grundsätzliche Zulässigkeit der Einheits-GmbH & Co. KG für Anwälte und Steuerberater ab 1.8.2022
3. Zulässigkeit der anwaltlichen Einheits-GmbH & Co. KG gem. § 59i BRAO n.F.
4. Zulässigkeit der Einheits-GmbH & Co. KG für  Steuerberater gem. §§ 49, 55a StBerG n.F.
5. Problematik der Sitzverlegung bei Zuständigkeit der Landesgesetzgeber für das Berufsrecht
VII. Anwendung des StaRUG auf die Einheits-GmbH & Co. KG
1. Geltung des obligatorischen Frühwarnsystems nach § 1 StaRUG
2. Adressaten der Pflichten aus § 1 Abs. 1 Satz 2  StaRUG – keine Erweiterung durch § 170 Abs. 2 HGB n.F.
3. Bildung der Gesellschaftergruppe nach § 9 StaRUG bei Abstimmung über Restrukturierungsplan  (§ 25 Abs. 1 StaRUG)
VIII. Zusammenfassung und Ausblick


I. Einleitung und Problemstellung

1
Das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) ist in der letzten planmäßigen Sitzungswoche der 19. Legislaturperiode am 25.6.2021 vom Deutschen Bundestag einstimmig beschlossen worden. Der Bundesrat hat am selben Tag die Nichtanrufung des Vermittlungsausschusses beschlossen, so dass das MoPeG also noch an diesem Tag gem. Art. 78 Var. 2 GG zustande gekommen ist. Die Verkündung im Bundesgesetzblatt erfolgte am 17.8.2021. Das MoPeG tritt gem. Art. 137 Satz 1 MoPeG grundsätzlich am 1.1.2024 in Kraft. Es beruht im Wesentlichen auf dem Mauracher Entwurf der Expertenkommission „Modernisierung Personengesellschaftsrecht“. Auch die Aufnahme des § 170 Abs. 2 HGB n.F. zur Einheits-Kapitalgesellschaft & Co. KG stützt sich auf die gleichlautende Vorschrift des Mauracher Entwurfs. Diese dispositive Vorschrift ordnet die Ausübung des Stimmrechts der KG in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-Kapitalgesellschaft durch die Kommanditisten an, die bislang gem. § 170 HGB a.F. (§ 170 Abs. 1 HGB n.F.) in vollem Umfang von der Vertretung der KG und damit von der Selbstorganschaft ausgeschlossen sind. Die zurzeit bestehenden Rechtsunsicherheiten bezüglich der Zulässigkeit von gesellschaftsvertraglichen Vollmachtlösungen führen in der Praxis häufig noch dazu, dass bei der Rechtsformwahl die Nutzen-Risiko-Abwägung in Bezug auf die Einheits-GmbH & Co. KG negativ ausfällt.

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Die Neuregelung des § 170 Abs. 2 HGB n.F. supplementiert zum einen das geschriebene Recht der KG in einem bedeutsamen Bereich. Zum anderen visualisiert die darauf bezogene Reformdiskussion die Schwachstellen der klassischen GmbH & Co. KG in den Fällen, in denen – wie vor allem bei Familiengesellschaften – die Beteiligungsidentität das kardinale Mantra der beiden Gesellschaftsverträge ist. Im Lichtkegel steht insoweit nicht so sehr die Komplexität der Gründung der Einheits-GmbH & Co. KG, sondern vielmehr die zumindest temporäre Störung der symmetrischen Beteiligung durch Kündigung, Tod eines Gesellschafters oder Ausschluss aus wichtigem Grund. Verschärft wird diese Konkordanzproblematik insbesondere im Ausschlussfall dadurch, dass die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste nach § 16 Abs. 1 GmbHG nur für die Beteiligung an der Komplementär-GmbH, nicht aber in Bezug auf die parallele Gesellschafterstellung in der KG Platz greift.

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Die Verabschiedung des MoPeG am Ende der 19. Legislaturperiode koinzidiert außerdem mit dem Erlass des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe. Die Novelle von BRAO und StBerG tritt allerdings schon am 1.8.2022 in Kraft, so dass sich die Frage stellt, ob die dort geregelte Öffnung der Rechtsform der OHG und KG schon zu diesem Zeitpunkt und nicht erst mit Inkrafttreten des MoPeG am 1.1.2024 erfolgt (vgl. unten III.3., Rz. 33). Die Verschachtelungen bei der Rechtsform der Einheits-GmbH & Co. KG werfen auch Fragen auf bei der Zuordnung von Pflichten und Zuständigkeiten im Krisenfall nach StaRUG.

II. Die Gründung der Einheits-GmbH & Co. KG

1. Übertragungsmodell und Beteiligungsmodell

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Protagonisten der Gründung einer Einheits-GmbH & Co. KG sind die späteren Kommanditisten. Nach dem in der Praxis – zumindest bei Neugründungen – vorherrschenden Übertragungsmodell errichten die späteren Kommanditisten als erstes die GmbH und dann mit ihr als Komplementärin die KG. Diese Rolle kann die GmbH auch schon als Vorgesellschaft übernehmen. Die Kommanditisten übertragen dann ihre GmbH-Geschäftsanteile unisono auf die KG, die dadurch alleinige Gesellschafterin ihrer eigenen Komplementärin wird. Möglich ist auch, dass die Komplementär-GmbH nur von einem Kommanditisten, aber auf Rechnung aller Kommanditisten, errichtet und dann der dabei von ihm übernommene einzige Geschäftsanteil auf die KG übertragen wird. Besteht schon eine GmbH & Co. KG, so kann die Errichtung einer Einheits-GmbH & Co. KG dadurch vonstattengehen, dass die GmbH-Geschäftsanteile auf die KG übertragen und deren Gesellschaftsvertrag angepasst wird.

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Bei Wahl der Gründungsalternative in Gestalt des Beteiligungsmodells wird von den Gründern zunächst die KG errichtet.  Da zu diesem Zeitpunkt die Komplementär-GmbH noch nicht existiert, muss ein Protagonist interimistisch die Stellung des Komplementärs übernehmen, bis die GmbH gegründet ist und diese Position übernimmt. Dies ist dann grundsätzlich mit einer temporären persönlichen Haftung nach §§ 161 Abs. 2, 128 HGB (§ 126 HGB n.F.) des Übergangskomplementärs verbunden, dessen endgültiger Status die Kommanditistenstellung ist. Die Frage, ob das Übertragungsmodell oder das Beteiligungsmodell vorzugswürdig ist, hängt von einer differenzierten Betrachtung ab. Im Falle der völligen Neugründung einer unternehmenstragenden Personenhandelsgesellschaft liegen die Vorteile des Übertragungsmodells aufgrund der Vermeidung einer persönlichen Haftung während der Interimsphase auf der Hand und führen zu einer dominierenden Stellung dieses Modells in der gesellschaftsrechtlichen Vertragspraxis. Besteht dagegen schon eine KG mit einer natürlichen Person als Komplementärin oder eine OHG, so tritt der Aspekt der unbeschränkten persönlichen Gesellschafterhaftung einer natürlichen Person in den Hintergrund. Die bestehende KG oder OHG kann in dieser Konstellation eine Ein-Person-GmbH gründen und sie anschließend als Komplementärin unter Änderung des Gesellschaftsvertrags der KG bzw. OHG aufnehmen.

2. Leistung der Kommanditeinlagen nach §§ 171 Abs. 1 Halbs. 2, § 172 Abs. 6 HGB
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Nach § 172 Abs. 6 Satz 1 HGB gilt die Einlage eines Kommanditisten gegenüber den Gläubigern einer KG, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, als nicht geleistet, soweit sie in Anteilen an der Komplementär-Gesellschaft „bewirkt ist“. Eine Ausnahme greift insoweit nach § 172 Abs. 6 Satz 2 HGB Platz, wenn ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.11.2021 14:33
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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