OLG Hamm v. 21.5.2021 - 27 W 25/21

Keine Löschung einer GmbH nach § 74 Abs. 1 GmbHG bei noch nicht abgeschlossenen Besteuerungsverfahren

Geeignet, berechtigte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der einzutragenden Tatsache nach § 74 Abs. 1 GmbHG ist insbesondere die Mitteilung der Finanzverwaltung, dass eine Steuererklärung noch aussteht, da dann noch unklar ist, ob sich daraus eine Nachforderung oder ein Erstattungsanspruch der Gesellschaft ergibt. Denn jedenfalls dann, wenn Aussicht auf Steuerrückerstattungen besteht, ist der Löschungsantrag nach h.M. in Rechtsprechung und Schrifttum noch nicht vollzugsreif ist.

Der Sachverhalt:
Die Gesellschaft ist die Komplementärin der A GmbH & Co. KG, einem mittelständischen Unternehmen, das Ketten, Eisen-, Hütten- und Stahlwerk sowie Stanzteile herstellte und seinen Geschäftsbetrieb Anfang des Jahres 2020 einstellte. Die Auflösung der Gesellschaft wurde am 7.1.2020 im Handelsregister eingetragen und der Beteiligte zu 1) zum Liquidator bestellt. Mit Anmeldung vom 7.1.2021 zeigte er die Beendigung der Liquidation zur Eintragung im Handelsregister an. Die Gesellschaft habe ihren Geschäftsbetrieb endgültig eingestellt und verfüge über kein Vermögen mehr. Es stünden lediglich noch Steuernachforderungen aus.

Mit Schreiben vom 25.1.2021 bat die Beteiligte zu 2), die Firma nicht vor dem 31.7.2021 zu löschen, weil noch Verwaltungsakte zuzustellen seien. Mit Zwischenverfügung vom 26.1.2021 teilte das AG dem Beteiligten zu 1) mit, dass der Eintragung derzeit noch nicht entsprochen werden könne, da das Besteuerungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei. Daraufhin entgegnete dieser, die Stellungnahme der Beteiligten zu 2) sei nicht konkret genug und daher nicht geeignet, die Eintragung der Auflösung der Gesellschaft zu verhindern. Bei der ausstehenden Steuererklärung könne es sich nur um diejenige für das laufende Geschäftsjahr 2020 handeln, die jedoch regelmäßig erst im Mai des Folgejahres eingereicht werden könne. Im Mai 2021 habe jedoch bereits ein neues Wirtschaftsjahr begonnen.

Dazu nahm die Beteiligte zu 2) Stellung und teilte mit, dass die Steuererklärungen für das Jahr 2019 noch nicht vorlägen und der Gesellschaft dafür auf Antrag ihrer Steuerberater wegen der Coronavirus-Pandemie eine Frist bis zum 31.12.2021 gesetzt worden sei. Bevor die notwendigen Veranlagungen für das Jahr 2019 nicht durchgeführt und zugestellt worden seien, könne einer Löschung nicht zugestimmt werden.

Das AG hat die Anmeldung vom 7.1.2021 mit der Begründung zurückgewiesen, dass nach der Stellungnahme der Beteiligten zu 2) mit einem Abschluss des Besteuerungsverfahren nicht vor dem 31.7.2021 zu rechnen sei. In seiner hiergegen gerichteten Beschwerde wies der Beteiligte zu 1) darauf hin, dass entgegen der Darstellung des Finanzamtes die Liquidationsbilanz und Steuererklärung für das Jahr 2019 bereits elektronisch an die Beteiligte zu 2) übermittelt worden sei. Die Körperschaftsnachzahlung für 2019 werde voraussichtlich 246,87 € betragen. Das OLG hat die Entscheidung des AG bestätigt.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) steht der Vollzugsreife des Eintragungsantrags entgegen, dass die Gesellschaft noch nicht vermögenslos und steuerrechtlich noch nicht abgewickelt ist.

Erst nach Anmeldung des Abschlusses der Liquidation gem. § 74 Abs. 1 S. 1 GmbHG kann die Firma endgültig wegen Vermögenslosigkeit gelöscht werden. Für die sich demnach stellende Frage, ob eine Gesellschaft tatsächlich vermögenslos und die Liquidation beendet ist, und welche Anforderungen an diesbezügliche Nachprüfungen durch das Registergericht zu stellen sind, genügt im allgemeinen die mit der Anmeldung des Erlöschens der Firma verbundene Versicherung des Liquidators. Dabei kann das Registergericht grundsätzlich davon ausgehen, dass die ordnungsgemäß angemeldeten Tatsachen auch zutreffend sind. Nur wenn begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der einzutragenden Tatsache bestehen, hat das Registergericht das Recht und die Pflicht zu weiterer Prüfung, und es muss, wenn seine Bedenken nicht ausgeräumt werden, die Anmeldung zurückweisen.

Geeignet, berechtigte Zweifel in diesem Sinne zu begründen, ist insbesondere die Mitteilung der Finanzverwaltung, dass eine Steuererklärung noch aussteht, da dann noch unklar ist, ob sich daraus eine Nachforderung oder ein Erstattungsanspruch der Gesellschaft ergibt. Denn jedenfalls dann, wenn Aussicht auf Steuerrückerstattungen besteht, ist der Löschungsantrag nach h.M. in Rechtsprechung und Schrifttum noch nicht vollzugsreif ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Beteiligten zu 1) zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 25.8.2020 (Az.: 3 Wx 117/20), das damit lediglich seine bisherige Rechtsprechung zur Vollzugsreife eines Löschungsantrags bei bestehenden Steuernachforderungen auf den hier nicht einschlägigen Fall einer „Blitzlöschung“ vor Ablauf des Sperrjahres gem. § 73 Abs. 1 GmbHG erstreckt hat

Linkhinweis:

Den Volltext der Entscheidung finden Sie in der Datenbank Otto Schmidt online.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.11.2021 14:47
Quelle: Justiz NRW

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