Aktuell in der GmbHR

Patronatserklärungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Gehrlein, GmbHR 2022, 117)

Durch die Corona-Pandemie sind manche Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, die Vertragspartner verunsichern und zu einer Beeinträchtigung oder gar dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen führen kann. Derartige Unwägbarkeiten können durch eine – harte – Patronatserklärung der leistungsfähigen Muttergesellschaft aufgefangen werden. Eine harte Patronatserklärung der Muttergesellschaft kann eine Insolvenzlage bei der Tochtergesellschaft beseitigen, jedenfalls aber den Vertragspartner der Tochtergesellschaft insolvenzfest sichern.

I. Einleitung
II. Begriff der Patronatserklärung
III. Weiche Patronatserklärung

1. Fehlender Zahlungsanspruch
2. Beseitigung der Insolvenzreife
a) Rechnerische Überschuldung
b) Fortbestehensprognose
aa) Überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Zahlung
bb) Keine überwiegende Wahrscheinlichkeit der  Zahlung bei Zusage eines Gesellschafters
IV. Harte Patronatserklärung
1. Interne Erklärung
a) Keine Schenkung
b) Rechtsfolgen
aa) Einstandspflicht
bb) Regress der Muttergesellschaft gegen die  Tochtergesellschaft
cc) Beseitigung der Insolvenzreife
2. Externe Erklärung
a) Kündbarkeit der Zusage
b) Rechtsfolgen
aa) Haftung von Schuldner und Patron
bb) Zahlungsanspruch des Gläubigers
cc) Schadensersatzanspruch des Gläubigers
dd) Geltung auch nach Insolvenzeröffnung
ee) Keine Beseitigung der Insolvenzreife
3. Anfechtung durch Patronatserklärung geschützter Zahlungen
a) Akzessorietät
b) Fehlende Akzessorietät
V. Schlussbemerkung


I. Einleitung

1
Patronatserklärungen genießen im Rechts- und Wirtschaftsleben eine hohe Bedeutung und betreffen wirtschaftlich gesehen das Verhältnis einer Muttergesellschaft zu ihrem Tochterunternehmen. Allerdings werden Patronatserklärungen nicht nur zwischen der Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft, sondern auch von der Muttergesellschaft mit Gläubigern der Tochtergesellschaft vereinbart. Zweck einer Patronatserklärung ist es, die Erfüllung von Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft gegenüber deren Gläubigern zu gewährleisten. In der Praxis wird zwischen weichen und harten sowie internen und externen Patronatserklärungen unterschieden. Für den Gläubiger ist von essentieller Bedeutung, welche Ansprüche er aus einer solchen Patronatserklärung erwirbt.

II. Begriff der Patronatserklärung
2
Der Begriff der Patronatserklärung wird als Sammelbezeichnung für verschiedene Formen von Unterstützungserklärungen einer Konzernobergesellschaft (Patronin) für operative Konzerngesellschaften (Tochter) verwendet. Unterschieden wird dabei zwischen „weichen“ und „harten“ Patronatserklärungen. Um eine „weiche“ Patronatserklärung handelt es sich, soweit sich aus der Erklärung keine rechtsverbindliche Verpflichtung der Patronin zur finanziellen Ausstattung der Tochter oder zur Erfüllung von gesicherten Verbindlichkeiten ergibt; demgegenüber übernimmt die Patronin bei einer „harten“ Patronatserklärung gegenüber demjenigen, gegenüber dem sie die Erklärung abgegeben hat, rechtsverbindlich die Verpflichtung, die Tochter finanziell so auszustatten, dass diese ihre Verpflichtungen erfüllen kann, oder für die Erfüllung der gesicherten Verbindlichkeiten einzustehen. Ob die Patronin eine eigene rechtliche Bindung eingeht oder nicht, ist im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln.  In erster Linie werden unter Patronatserklärungen Erklärungen verstanden, in denen eine Muttergesellschaft zugunsten des Kreditgebers eines beherrschten Konzern- oder Beteiligungsunternehmens ein bestimmtes Verhalten in Aussicht stellt oder zusagt. Werden Maßnahmen oder Unterlassungen versprochen, die die Kreditwürdigkeit der patronierten Unternehmung fördern oder erhalten, so werden unmittelbare rechtliche Verpflichtungen begründet.

III. Weiche Patronatserklärung
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Herkömmlich wird zwischen der Erteilung von „weichen“ und „harten“ Patronatserklärungen unterschieden.

1. Fehlender Zahlungsanspruch
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Weiche Patronatserklärungen, bei denen es sich um bloße Informationen über die Zahlungsfähigkeit einer Tochtergesellschaft oder um allenfalls moralisch verpflichtende Goodwill-Erklärungen handelt, haben keinen rechtsgeschäftlichen Charakter und begründen damit keine irgendwie geartete Verbindlichkeit des Patrons. Demgegenüber übernimmt der Patron durch eine harte, rechtsgeschäftliche Patronatserklärung entweder im Innenverhältnis zu seiner Tochtergesellschaft oder im Außenverhältnis zu deren Gläubiger die Verpflichtung, die Tochtergesellschaft in der Weise auszustatten, dass sie stets in der Lage ist, ihren finanziellen Verbindlichkeiten zu genügen.  Eine wirksame Patronatserklärung liegt nicht vor, wenn die Zahlungszusagen unter der – nicht eingetretenen – Bedingung standen, dass der Erklärende die Mehrheit an der Schuldnerin erwerben würde.

2. Beseitigung der Insolvenzreife
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Eine weiche Patronatserklärung beseitigt nicht die rechnerische Überschuldung des Unternehmens, kann indessen eine positive Fortbestehensprognose rechtfertigen und damit einer Überschuldung (§ 19 InsO) entgegenstehen.

a) Rechnerische Überschuldung
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Mangels in der Überschuldungsbilanz aktivierbarer Forderung kommt eine weiche Patronatserklärung als Mittel zur Vermeidung der rechnerischen Überschuldung (§ 19 InsO) nicht in Betracht. Wenn sich in der Ertrags- und Finanzplanung bereits Liquiditätslücken abzeichnen, lässt sich ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.01.2022 14:55
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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