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Mandatspause für GmbH-Geschäftsführer: Unklarheiten des neuen § 38 Abs. 3 GmbHG (Fuhrmann, GmbHR 2022, 285)

Aufgrund der #stayonboard-Initiative wurden Bestimmungen in das Aktiengesetz und in das GmbH-Gesetz (GmbHG) aufgenommen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Geschäftsleitungsmitglied erleichtern sollen. Im Mittelpunkt steht der neu geschaffene Rechtsanspruch auf Mandatspause mit Wiederbestellung, wenn das Geschäftsleitungsmitglied wegen Mutterschutz oder aus familiären oder persönlichen Gründen für eine Zeit an der Wahrnehmung seiner Aufgaben gehindert ist. Während die weitgehend inhaltsgleichen aktienrechtlichen Regelungen bereits ein breiteres literarisches Echo erfahren haben, gibt es zur GmbH bisher nur wenige Stellungnahmen. Neben einigen Ungereimtheiten, die sich aus der spezifischen Organverfassung der GmbH ergeben, ist in erster Linie das Verhältnis zwischen dem gesetzlichen Anspruch auf Mandatspause und etwaigen anstellungsvertraglichen Regelungen unklar.

I. Einleitung
II. Unklarheiten der Bestimmung selbst

1. Form, Adressat und Frist des Verlangens
a) Form
b) Richtiger Adressat
c) Ankündigungsfrist
d) Angabe der Dauer der Mandatspause
2. Voraussetzung für einen Anspruch auf Mandatspause
a) Zwingender Wiederbestellungsanspruch –  maximale Dauer
b) Fakultativer Wiederbestellungsanspruch
3. Wichtiger Grund für Weigerung
4. Unterbesetzung der Geschäftsführung
5. Der Abberufungsbeschluss
a) Formelles
b) Inhalt
c) Rechtsfolgen bei Verstößen
III. Unklarheiten bei „arbeitnehmerähnlichen“  Geschäftsführern im Verhältnis zwischen  Organstellung und Anstellungsvertrag
1. Rechtlicher Status des Geschäftsführers
2. Grundsatz 1: Keine Kündigung wegen Inanspruchnahme des Rechts aus § 38 Abs. 3 GmbHG
3. Grundsatz 2: „Positive“ Vertragsfreiheit
4. Grundsatz 3: „Negative“ Vertragsfreiheit, soweit § 38 Abs. 3 GmbHG Mindeststandards setzt
5. Fraglich: Anwendung arbeitsrechtlicher  Schutzvorschriften
a) MuSchG
b) PflegeZG
c) BEEG
d) EFZG
IV. Zusammenfassung


I. Einleitung

1
Das am 12.8.2021 in Kraft getretene „Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“  (FüPOG II) ist ein Nachfolgegesetz zu dem bereits seit 2015 geltenden Gesetz gleicher Bezeichnung (FüPOG I).  Das FüPOG II hat dem GmbHG auf Empfehlung  des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend  einen neuen § 38 Abs. 3 beschert. Inhaltsgleich, aber an die spezifische Verfassung der AG angepasst und etwas detaillierter ist ein neuer § 84 Abs. 3 in das AktG eingefügt worden.

2
Im Gesetzgebungsverfahren hielt der Bundesrat gesetzliche Vorschriften für erforderlich, die für Mitglieder von Leitungsorganen in der Privatwirtschaft eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten.  Nach seiner Auffassung trug die bisherige Rechtslage den besonderen Lebenslagen von Vorstandsmitgliedern bzw. Geschäftsführern (z.B. Mutterschutz, Elternzeit, Pflege naher Angehöriger, eigene Erkrankung), in denen ein vorübergehendes Freistellungsbedürfnis besteht, nicht ausreichend Rechnung. Ziel der Neuregelung ist es daher, dem Organmitglied in einer solchen Lebenssituationen das Recht auf und dem Bestellungsorgan die Möglichkeit zum zeitweisen Widerruf der Bestellung zu gewähren.  Damit sollen die sich aus der Organstellung ergebenden Haftungsgefahren während der Freistellung vermieden werden.

3
Eine ausführlichere Gesetzesbegründung gibt es allerdings nur zu § 84 Abs. 3 AktG. Zu § 38 Abs. 3 GmbHG heißt es  lapidar, dass die Ausführungen zu § 84 Abs. 3 AktG E entsprechend gelten. Allerdings, so die Begründung zu § 38 Abs. 3 GmbHG weiter, solle bei Geschäftsführern in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis nicht in gegebenenfalls bestehende Rechtspositionen, insbesondere nach dem MuSchG, eingegriffen werden.

4
Der neue § 38 Abs. 3 GmbHG lässt, wie seine „Schwesterbestimmung“ § 84 Abs. 3 AktG,  etliche Zweifelsfragen offen: Bereits die – im Gegensatz zu § 84 Abs. 3 AktG – wesentlich verkürzte Bestimmung selbst wirft einige Fragen auf (dazu nachfolgend II., Rz. 5 ff.). Weitere Unklarheiten gründen sich auf das – in der Vorschrift mit keinem Wort angesprochene – Verhältnis zwischen Organstellung und Anstellungsvertrag des Geschäftsführers (dazu nachfolgend III., Rz. 36 ff.).

II. Unklarheiten der Bestimmung selbst

1. Form, Adressat und Frist des Verlangens

a) Form

5
Das in § 38 Abs. 3 GmbHG als „Ersuchen“ bezeichnete Verlangen ist nach zutreffender Auffassung  formfrei möglich. Das ist konsequent: Denn selbst eine Kündigung des Anstellungsvertrages wäre formfrei möglich.  Dass das Verlangen nach Mandatspause im Zweifel nicht als Kündigung des Anstellungsvertrags anzusehen ist, wird im Folgenden (vgl. Rz. 39 ff.) noch darzulegen sein. Fraglich ist, ob die Formfreiheit auch gilt, wenn der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers für die Kündigung des Vertrages ein Schriftformerfordernis vorsieht. Das ist abzulehnen. Denn die Mandatspause bedeutet gerade keine Beendigung des Mandatsverhältnisses. Ob ein Anstellungsvertrag für das Ersuchen um Mandatspause einen vertraglichen Formzwang ausdrücklich vorsehen kann, ist eine gesonderte Frage. Das dürfte im Rahmen der Vertragsfreiheit und weil ein solcher Formzwang den Geschäftsführer nicht übermäßig belastet, zu bejahen sein.

b) Richtiger Adressat
6
Der richtige Adressat des Ersuchens kann Schwierigkeiten machen. § 84 Abs. 3 AktG, der anordnet, dass das Ersuchen gegenüber dem Aufsichtsrat zu erklären sei, hilft wegen der grundsätzlich anderen Struktur der GmbH nicht weiter. In der paritätisch mitbestimmten GmbH ist der Aufsichtsrat kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (§ 52 Abs. 1 Satz 1 GmbHG i.V.m. § 112 Satz 1 AktG) zuständiger Adressat. Gleiches dürfte gelten, wenn die Gesellschaft einen Aufsichtsrat hat, dem die Satzung ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.03.2022 14:45
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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