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Umwandlungsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge in öffentlich-rechtliche Positionen (Lieder/Koch, GmbHR 2022, 389)

Öffentlich-rechtliche Positionen sind für Unternehmen der Privatwirtschaft oft von ganz erheblichem Wert. Vielfach hängt die Realisierung ihres Geschäftsmodells von einer bestimmten Genehmigung oder Erlaubnis ab. Hierzu steht es in einem deutlichen Missverhältnis, dass die Regeln des Übergangs öffentlich-rechtlicher Positionen bei umwandlungsrechtlichen Strukturmaßnahmen bisher nicht abschließend geklärt sind. Überhaupt fehlt es bisher an einer tragfähigen positivrechtlichen Ausgestaltung der Übergangsfähigkeit öffentlich-rechtlicher Positionen im Wege der umwandlungsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge. Vor diesem Hintergrund soll ein Regelungsvorschlag unterbreitet werden, der sich dem Prinzip der Sukzessionsfreiheit verpflichtet fühlt und für eine möglichst weitgehende Nachfolgefähigkeit öffentlich-rechtlicher Positionen eintritt. Flankierend wird vorgeschlagen, berechtigte hoheitliche Interessen durch spezialgesetzliche Ausschlusstatbestände und Anzeigepflichten zu schützen.


I. Ausgangsbefund und Grundlagen

1. Prinzip der umwandlungsrechtlichen Sukzessionsfreiheit

2. Sukzessionsschutzsystem des Umwandlungsrechts

a) Umwandlungsrechtlicher Gläubigerschutz

b) Gewährleistung der Kontrahentenwahlfreiheit

3. Sukzessionsrechtliches Identitätsprinzip

II. Handlungsbedarf

1. Dogmatische Grundlagen der Gesamtrechtsnachfolge in öffentlich-rechtliche Positionen

a) Nachfolgetatbestand

b) Nachfolgefähigkeit

aa) Einschränkungen aufgrund Höchstpersönlichkeit

bb) Höchstpersönlichkeit abseits natürlicher Personen

cc) Stellungnahme

2. Kein übergesetzlicher Grundsatz der Nachfolgeunfähigkeit

III. Gesetzgebungskompetenz

IV. Regelungsvorschlag

1. Grundsätzlicher Übergang aller öffentlich-rechtlichen Positionen

2. Spezialgesetzlicher Ausschluss der Nachfolgefähigkeit

a) Ausschluss der Nachfolgefähigkeit

b) Besondere Rechtsformerfordernisse

c) Genehmigungsvorbehalt

d) Zwischenergebnis

3. Postventiver Sukzessionsschutz durch Widerruf

a) Gleichlauf privater und öffentlich-rechtlicher Positionen

b) Tatbestandliche Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG

aa) Nachträglich eingetretene Tatsachen

bb) Berechtigung zum Nichterlass des Verwaltungsakts aufgrund der neuen Tatsachen

cc) Gefährdung des öffentlichen Interesses ohne den Widerruf

c) Ermessen

d) Frist

4. Anzeigepflicht gegenüber der zuständigen Behörde

V. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse


I. Ausgangsbefund und Grundlagen

Den Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Regelungsvorschlags zur Vereinheitlichung der Gesamtrechtsnachfolge in öffentlich-rechtliche Positionen bildet das Prinzip der umwandlungsrechtlichen Sukzessionsfreiheit.

1. Prinzip der umwandlungsrechtlichen Sukzessionsfreiheit

Das deutsche Privatrecht ist geprägt vom übergreifenden Grundsatz der Sukzessionsfreiheit. Danach sind (privatrechtliche) Vermögenspositionen im Grundsatz frei übertragbar. Das Prinzip der Sukzessionsfreiheit ist aufs Engste verknüpft mit dem systemprägenden Prinzip der Privatautonomie und genießt darüber hinaus verfassungs- und unionsrechtliche Bedeutung. Insgesamt sind Rechtsvorschriften und Prinzipien daher durch den Gesetzgeber so auszugestalten und durch den Rechtsanwender so auszulegen, dass sie eine möglichst ungestörte Übertragung von Vermögenspositionen gewährleisten. Zugleich sind Rechtsvorschriften, die eine freie Übertragbarkeit von Vermögenspositionen ausschließen, in hohem Maße rechtfertigungsbedürftig.

Die Gewährleistungen der Sukzessionsfreiheit bei der umwandlungsrechtlichen Universalsukzession nach Maßgabe der §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1, 176 Abs. 1, 3 Satz 1, 177 Abs. 1 UmwG gehen noch über die Standards der Singularsukzession hinaus. Bei der Singularsukzession vollzieht sich der Vermögenstransfer stets nach den für den konkreten Gegenstand geltenden Rechtsvorschriften (vgl. §§ 929 ff.; §§ 873, 925; §§ 398, 413; §§ 414,415 BGB).3 Demgegenüber geht eine Gesamtheit von Vermögenspositionen mit der vollständigen Verwirklichung des Gesamtnachfolgetatbestands auf den übernehmenden Rechtsträger über, ohne dass die für die Einzelnachfolge geltenden Rechtsvorschriften und Grundsätze zu beachten wären.

Konkret bedeutet das zum einen, dass die Übertragung von Verbindlichkeiten und ganzen Vertragsverhältnissen keiner Mitwirkung des Gläubigers oder der verbleibenden Vertragspartei bedarf, wie es die §§ 414, 415 BGB für die privative Schuldübernahme vorsehen. Wirtschaftlich notwendige Umwandlungen scheitern damit nicht allein aufgrund der fehlenden Zustimmung des Gläubigers. Die Stärkung der Sukzessionsfreiheit in diesem Punkt hatte auch der Gesetzgeber des Umwandlungsgesetzes im Sinn und sah in ihr die maßgebliche rechtspolitische und rechtsökonomische Rechtfertigung für die Ermöglichung der umwandlungsrechtlichen Universalsukzession. Die Wirkung entspricht nicht nur den individuellen Interessen der Parteien des Umwandlungsvertrags, sondern auch dem überindividuellen Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs.

Zum anderen können (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.04.2022 10:37
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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