Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 16)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

OLG Düsseldorf 9.12.2021, 12 U 23/21
Masseschmälernde Zahlung i.S.v. § 64 Satz 1 GmbHG a.F. bei Zahlung von Gehältern an Mitarbeiter

1. Eine masseschmälernde Zahlung i.S.v. § 64 Satz 1 GmbHG liegt auch dann vor, wenn der Geschäftsführer nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Gehälter an Mitarbeiter der Gesellschaft zahlt, weil Arbeits- oder Dienstleistungen regelmäßig für eine Verwertung durch die Gläubiger nicht geeignet sind.

2. Zahlungen zur vorübergehenden Aufrechterhaltung des Betriebs sind nur dann i.S.d. § 64 Satz 2 GmbHG mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar, wenn ohne die Zahlung der Betrieb sofort eingestellt werden müsste und damit eine ernsthafte Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren zunichte gemacht würde. Das Bestehen einer ernsthaften Sanierungschance ist vom Geschäftsführer darzulegen und zu beweisen.

3. Weisungen des Gesellschafters können Zahlungen des Geschäftsführers nach Insolvenzreife regelmäßig nicht rechtfertigen, weil der von ihm zu leistende Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist (§ 64 Satz 4 i.V.m. § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG).

4. Wird der Geschäftsführer gem. § 64 Satz 1 GmbHG verurteilt, ist ihm – damit es nicht zu einer Bereicherung der Masse kommt – von Amts wegen in dem Urteil vorzubehalten, nach Erstattung an die Masse Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, die die begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Insolvenzverwalter geltend zu machen.
(alle amtl.)

 

BGH 12.10.2021, XI ZB 26/19
Entscheidungsbefugnisse des Rechtsbeschwerdegerichts im KapMuG-Verfahren

1. Hat das OLG in einem Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz das Feststellungsziel 1 als unbegründet zurückgewiesen und den Vorlagebeschluss hinsichtlich des Feststellungsziels 2 für gegenstandslos erklärt, kann das Rechtsbeschwerdegericht – auf eine Rechtsbeschwerde auf Seiten des Musterklägers hin, mit der die Feststellungsziele 1 und 2 weiterverfolgt werden – die Entscheidung dahingehend abändern, dass es das Feststellungsziel 2 als unbegründet zurückweist und den Vorlagebeschluss hinsichtlich des Feststellungsziels 1 für gegenstandslos erklärt.
(amtl.)

2. Zum Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung der Treuhandkommanditisten als Prospektveranlassern.
(nicht amtl.)

 

BFH 2.9.2021, VI R 19/19
Aufhebung einer Anrufungsauskunft gemäß § 42e EStG

1. Eine Anrufungsauskunft gemäß § 42e EStG kann entsprechend § 207 Abs. 2 AO mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben oder geändert werden (Anschluss an Senatsurteil vom 2.9.2010 – VI R 3/09, BFHE 230, 500, BStBl. II 2011, 233).

2. Die Aufhebung oder Änderung einer Anrufungsauskunft ist ermessensfehlerhaft, wenn das FA zu Unrecht von deren Rechtswidrigkeit ausgeht.
(alle amtl.)

 

BFH 29.9.2021, I R 40/17
Wirtschaftliches Eigentum und Bilanzierung bei Wertpapierdarlehen – Berechnung des Minderungsbetrags nach § 20 Abs. 2 Satz 2 KStG

1. Trägt bei einem Wertpapierdarlehen der Darlehensnehmer die Kurschancen und -risiken der überlassenen Wertpapiere, so spricht dies gegen einen Verbleib des wirtschaftlichen Eigentums beim Darlehensgeber (Abgrenzung zu BFH, Urt. v. 18.8.2015 – I R 88/13, BFHE 251, 190 = BStBl. II 2016, 961).

2. Die an die Stelle der darlehensweise ausgereichten Wertpapiere getretene Rückübertragungsforderung ist vom Darlehensgeber erfolgsneutral mit dem Buchwert der Wertpapiere zu aktivieren. Teilwertabschreibungen auf die Rückübertragungsforderung sind nicht gem. § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG außerbilanziell zu neutralisieren.

3. Zur Frage des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Wertpapierdarlehensgeschäften eines Versicherungsunternehmens.

4. Bei der Berechnung des Minderungsbetrags nach § 20 Abs. 2 Satz 2 KStG sind Renten-Deckungsrückstellungen i.S.v. § 341g Abs. 5 HGB einzubeziehen. Im Rahmen der Ablaufverprobung zur Ermittlung des Minderungsbetrags sind die Renten-Deckungsrückstellungen nach den für steuerliche Zwecke anzuwendenden Regeln zu bewerten; etwaige Nachreservierungen aufgrund veränderter Daten zur Lebenserwartung sind nicht zu eliminieren.

5. In die aufgrund einer im Jahr 2005 durchgeführten Rückgabe von Fondsanteilen vorzunehmende Ermittlung des besitzzeitanteiligen Anleger-Aktiengewinns gem. § 8 Abs. 3 Satz 1 InvStG 2004 gehen ggf. auch Verluste aus Veräußerungen von Aktien ein, die sich auf Ebene des Fonds vor Inkrafttreten des InvStG 2004 (hier: im Jahr 2002) realisiert haben. Dies ist unter dem Aspekt des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes unbedenklich.
(alle amtl.)

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.04.2022 11:24
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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