Aktuell in der GmbHR

Die Liquidation i.S.v. § 66 Abs. 5 GmbHG zwischen Literatur und Registerpraxis (Beckmann/Winter, GmbHR 2022, 445)

Wurde eine GmbH wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht und findet sich später doch noch zu verteilendes Vermögen auf, sind nach der überwiegend in der Literatur vertretenen Ansicht jedenfalls grundsätzlich die regulären Liquidationsvorschriften anwendbar. Danach sind die Gläubiger aufzufordern, sich bei der Gesellschaft zu melden, und das Vermögen darf nicht vor Ablauf eines Sperrjahres an die Gesellschafter verteilt werden. Außerdem ist die Vertretungsmacht der Liquidatoren unbeschränkt und die Liquidatoren sowie die Gesellschaft sind (wieder) in das Handelsregister einzutragen. Viele Registergerichte praktizieren das Gegenteil. Deshalb ist es zu begrüßen, dass der BGH anlässlich einer Trilogie aktueller, sich offen widersprechender Beschlüsse unterschiedlicher Senate des KG erstmals die Möglichkeit hat, grundlegende Fragen der „unechten“ Nachtragsliquidation i.S.v. § 66 Abs. 5 GmbHG zu klären.


I. Einleitung und Sachverhalt
II. Kontext der Beschlüsse: Auflösung, Liquidation und Beendigung der GmbH; „echte“ vs. „unechte“ Nachtragsliquidation
III. Bewertung

1. Wortlaut
2. Normhistorie
3. Systematische Auslegung des Gesetzes
4. Sinn und Zweck: Gläubiger- und Verkehrsschutz
5. Vergleich zu sonstigen Abwicklungsmaßnahmen (§ 273 Abs. 4 AktG analog)
6. Vergleich zum Notliquidator (§§ 48, 29 BGB analog)
7. Praktische Erwägungen
IV. Ausblick: Aktienrecht und die „echte“ Nachtragsliquidation


I. Einleitung und Sachverhalt

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In einem aktuellen Sachverhalt in Berlin wurde eine GmbH im Jahr 2006 gem. § 141a Abs. 1 Satz 1 FGG (jetzt: § 394 Abs. 1 Satz 1 FamFG) wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht. Dies geschah zu Unrecht, weil die Beteiligten und das Registergericht offenbar übersehen hatten, dass die Gesellschaft noch Eigentümerin von fünf Teileigentumseinheiten war.

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Als die Beteiligten dies entdeckt hatten, bestellte das AG Charlottenburg – Handelsregister – im Dezember 2019 auf Antrag einen Liquidator und beschränkte dessen Wirkungskreis auf die Vertretung und Wahrnehmung der Rechte der Gesellschaft hinsichtlich der vorgenannten Teileigentumsrechte. Eine Eintragung der Gesellschaft und des Liquidators in das Handelsregister unterblieb. Fast genau ein Jahr später bewilligte der Liquidator die Eintragung von zwei Gesamtgrundschulden i.H.v. insgesamt 380.000 € in den Teileigentumsgrundbüchern.

3
Trotz Vorlage einer beglaubigten Abschrift der Ausfertigung des gerichtlichen Bestellungsbeschlusses als Liquidator lehnte das Grundbuchamt es ab, die Grundschulden einzutragen. Es verlangte vom Liquidator, seine Vertretungsmacht durch eine Eintragung im Handelsregister nachzuweisen. Der 1. Senat des KG wies die hiergegen gerichtete Beschwerde der Gesellschaft zurück. Zum formgerechten Nachweis der Vertretungsmacht gem. § 29 Abs. 1 GBO genüge eine Ausfertigung des Bestellungsbeschlusses des Registergerichts jedenfalls dann nicht, wenn – wie im vorliegenden Sachverhalt – seit seinem Erlass bereits ein Jahr vergangen sei. Zwischen dem Bestellungsbeschluss und der Bewilligung liege ein zu langer Zeitraum; der Liquidator könne zwischenzeitlich abberufen worden sein. Die Gesellschaft müsse daher ihre Wiedereintragung und die Eintragung des Liquidators in das Handelsregister erreichen.

4
Die Prognose des 1. Senats, es sei „jedenfalls im Hinblick auf die Rechtsprechung des 22. Zivilsenats des KG [...] nicht zu erwarten, dass das Registergericht hier die Eintragung der [Gesellschaft] und des [L]iquidators im Handelsregister ablehnen wird“, erwies sich jedoch als Fehleinschätzung. Das AG Charlottenburg als Registergericht lehnte die Eintragung des bestellten Liquidators ab. Auf die hiergegen wiederum eingelegte Beschwerde bestätigte der 22. Senat diese Entscheidung: Der vorliegend einschlägige § 66 Abs. 5 GmbHG bezwecke, das neu entdeckte Restvermögen zur Befriedigung der Gläubiger zu nutzen und einen etwaigen Überschuss an die Gesellschafter zu verteilen. Entsprechend sei „der Wirkungskreis des [L]iquidators auf die für den Bestellungsgrund notwendigen Handlungen zu beschränken“, weil es Sinn und Zweck der Nachtragsliquidation sei, „nur dieses neue Restvermögen zu verwerten und dessen Erlös zu verteilen“. Aus diesem Grund könne auch die Vertretungsmacht des Liquidators auf die einzelnen erforderlichen Abwicklungsmaßnahmen beschränkt werden. Schließlich habe das Registergericht die (Wieder-)Eintragung der Gesellschaft und des gerichtlich bestellten Liquidators in das Handelsregister ermessensfehlerfrei abgelehnt. Eine solche Eintragung könne unterbleiben, wenn der zu erwartende Umfang und die Qualität der nachträglich erforderlichen Handlungen der Liquidatoren eine Eintragung nicht erforderten. So liege der Fall hier: Bei den zu verwertenden Teileigentumsrechten sei der Abwicklungsbedarf gegenständlich begrenzt und auf nur wenige überschaubare Abwicklungshandlungen beschränkt.

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Die sich nach Ansicht des 22. Senats „im Bereich der Spekulation bewegenden Bedenken des Grundbuchamts“, der Liquidator könne nach seiner Bestellung und vor der Bewilligung der Grundschulden abberufen worden sein, könnten durch die Auskunft des Registergerichts ausgeräumt werden, wonach der Bestellungsbeschluss unverändert und ununterbrochen in Kraft sei. Gegen den Beschluss des 22. Senats hat die Gesellschaft Rechtsbeschwerde eingelegt, die beim BGH anhängig ist.

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Nachdem der Liquidator, wie vom 22. Senat angeregt, dem Grundbuchamt ein Schreiben vorgelegt hatte, in dem das Registergericht bestätigte, der Bestellungsbeschluss sei zwischenzeitlich nicht aufgehoben worden, scheiterte die Gesellschaft erneut mit der begehrten Eintragung der Grundschulden. Der nach einer nochmals eingelegten Beschwerde mit der Sache befasste 1. Senat hielt an seiner Auffassung fest: Im vorliegenden Sachverhalt könne von einzelnen vorzunehmenden Rechtshandlungen keine Rede sein. Zudem sei durch die Mitteilung des AG Charlottenburg, dass der Bestellungsbeschluss und damit die Vertretungsmacht des Liquidators unverändert fortbestehe, nicht die Form des § 29 Abs. 1 GBO gewahrt.

II. Kontext der Beschlüsse: Auflösung, Liquidation und Beendigung der GmbH; „echte“ vs. „unechte“ Nachtragsliquidation
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Am Ende des Lebens einer GmbH haben ihre Auflösung, das Liquidationsverfahren und die Beendigung sowie ihre Löschung aus dem Handelsregister folgende Bedeutung:

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Lösen die Gesellschafter eine GmbH gem. § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG durch Beschluss auf, beginnt das Liquidationsverfahren. Aufgabe der Liquidatoren ist es, Verbindlichkeiten zu begleichen, Forderungen einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft...



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.05.2022 16:50
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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