Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 21)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

BGH 3.3.2022, IX ZR 78/20
Zur Vorsatzanfechtung von Beraterhonoraren für Sanierungskonzepte

1. Aus der Insolvenzantragspflicht oder dem Zahlungsverbot ergibt sich für den Benachteiligungsvorsatz keine Begrenzung des Zeitraums, den der Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit erkannt hat, für eine künftige Befriedigung seiner Gläubiger in Betracht ziehen darf.

2. Unternimmt der Schuldner einen Sanierungsversuch, hat der Insolvenzverwalter für den Benachteiligungsvorsatz darzulegen und zu beweisen, dass dieser Sanierungsversuch untauglich war und der Schuldner dies erkannt oder billigend in Kauf genommen hat.

3. Ob ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept vorliegt, hat sich an den zur Zeit der Umsetzung tatsächlich bestehenden Rechtsauffassungen auszurichten. Ob die für den Schuldner günstige Antwort rechtlich vertretbar ist und der Sanierungsversuch voraussichtlich nicht aus Rechtsgründen scheitern wird, ist bei neuen gesetzlichen Regelungen angesichts der mit ihnen verbundenen Unsicherheiten nach einem großzügigen Maßstab zu beurteilen.

4. Nimmt der Schuldner für seinen Sanierungsversuch die Beratung eines unvoreingenommenen, fachlich ausgewiesenen Experten in Anspruch, darf er auf ihre Richtigkeit grundsätzlich vertrauen, sofern nicht hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass die Beratung den Anforderungen an ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept nicht genügt.

5. Bargeschäftliche Zahlungen des Schuldners an einen Sanierungsberater erfüllen nicht die Voraussetzungen einer bargeschäftsähnlichen Lage.

6. Zahlungen des Schuldners an einen Sanierungsberater können auch dann ohne Benachteiligungsvorsatz erfolgen, wenn das Sanierungskonzept noch nicht in den Anfängen in die Tat umgesetzt ist, sofern der Sanierungsversuch nicht von vornherein aussichtslos ist und der Schuldner mit der Vorstellung handelt, dass eine Vergütung dieser Beratungsleistungen erforderlich ist, um die Erfolgsaussichten einer Sanierung prüfen oder eine Sanierung beginnen zu können.

7. Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz kann nicht allein auf eine nur drohende Zahlungsunfähigkeit gestützt werden (Bestätigung BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, BGHZ 230, 28).

8. Es kann für einen Benachteiligungsvorsatz bei drohender Zahlungsunfähigkeit sprechen, wenn der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit sicher zu erwarten ist und alsbald bevorsteht, der Schuldner sich bewusst ist, dass er kurzfristig einen Insolvenzantrag stellen wird, und er gleichwohl Gläubiger in der verbleibenden Zeit bis zum ohnehin beabsichtigten Insolvenzantrag gezielt befriedigt.

9. Ein zusätzliches Indiz bei nur drohender Zahlungsunfähigkeit kann in dem mit der Rechtshandlung eintretenden, vom Schuldner erkannten Ausmaß der Gläubigerbenachteiligung liegen. Neben einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung kann dies auch erfüllt sein, wenn der Schuldner das Sanierungsrisiko mit einem untauglichen Sanierungsversuch bewusst den künftigen Insolvenzgläubigern auferlegt.

10. Das Mandat eines Sanierungsberaters kann diesem die Stellung einer nahestehenden Person verschaffen, wenn es nach seiner rechtlichen und tatsächlichen Prägung dem Sanierungsberater den typischen Wissensvorsprung über die wirtschaftliche Lage des Mandanten vermittelt, den sonst nur damit befasste leitende Angestellte des Unternehmens haben.

11. Der Rechtsanwalt kann mit seinem Mandanten vereinbaren, dass er sein Honorar einfordern und durchsetzen kann, ohne dem Mandanten eine Berechnung mit näheren Angaben mitteilen zu müssen.
(alle amtl.)

 

OLG Hamm, Urt. v. 15.9.2021 – 11 U 5/21
Grunderwerbsteuer, Anzeigepflicht des Notars, Beratung über Fragen des Steuerrechts

1. Nimmt ein Notar zur Erfüllung seiner Anzeigepflicht gem. § 18 GrEStG eine inhaltliche falsche Erklärung eines Urkundsbeteiligten in einen notariellen Kaufvertrag auf, folgt allein hieraus keine Haftung gegenüber den Urkundsbeteiligten, weil die Regelung des § 18 GrEStG in Bezug auf diese nicht drittschützend ist.

2. Eine Anzeigepflicht des steuerpflichtigten Urkundsbeteiligten nach § 19 GrEStG besteht unabhängig von und neben der Anzeigepflicht des Notars.

3. Weder aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG noch aus § 14 Abs. 1 Satz 2 BeurkG ergibt sich eine allgemeine Amtspflicht des Notars, über etwaige (grunderwerbs-)steuerliche Folgen des zu beurkundenden Geschäfts zu belehren.

4. Der Notar kann aber haften, wenn er dennoch falsch über Fragen des Steuerrechts belehrt oder wenn er aufgrund besonderer Umstände Anlass zu der Besorgnis haben muss (erweiterte Belehrungspflicht), einem Beteiligten drohe ein Schaden, weil er fälschlicherweise annimmt, die sich aus dem beurkundenden Geschäft ergebenden steuerlichen Fragen seien geklärt, und der Notar den Beteiligten nicht auf die Fehlvorstellung hinweist.
(alle amtl.)

 

BFH 19.10.2021, VIII R 7/20
Zuteilung von Aktien im Rahmen eines ausländischen „Spin-Off“ vor Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG

1. Drittstaatenabspaltungen, die einer inländischen Abspaltung i.S.d. § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar sind, fallen bis zum Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG bei unionsrechtskonformer Auslegung in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG.

2. Ein ausländischer „Spin-Off“, der aus nationaler Sicht eine Ausgliederung i.S.d. § 123 Abs. 3 UmwG mit anschließender Sachausschüttung der Aktien am übernehmenden Rechtsträger darstellt, kann einer Abspaltung i.S.d. § 123 Abs. 2 UmwG dann vergleichbar sein, wenn die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen „zeitlichen und sachlichen Zusammenhang“ mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt (Anschluss an BFH v. 1.7.2021 – VIII R 9/19, ZIP 2021, 2482, und BFH v. 1.7.2021 – VIII R 15/20, AG 2022, 200 = FR 2021, 1139 m. Anm. Kleinert).
(alle amtl.)

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.05.2022 17:40
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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