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Größte Reform des Umwandlungsrechts - nicht nur Richtlinienumsetzung! (Teil II) (Heckschen, Knaier, GmbHR 2022, 613)

Das Recht der grenzüberschreitenden Unternehmensumwandlungen beschäftigt in den letzten Jahren wie kaum ein anderes Thema Literatur, Gestaltungspraxis und Rechtsprechung. Infolge einiger EuGH-Entscheidungen und immer lauter werdender Rufe nach einer Kodifikation wurde 2019 der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Umwandlungsrichtlinie tätig. Nun liegt ein umfassender Referentenentwurf zur Umsetzung dieser Richtlinie vor, der zur bisher größten Reform des deutschen Umwandlungsgesetzes führen wird. Teil I dieses Beitrags (Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 501) befasste sich bereits mit den Entwicklungslinien, die in den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie geführt haben (I.), und untersuchte die Grundprinzipien der neuen Umwandlungsinstrumente sowie die Auswirkungen auf das nationale Umwandlungsrecht (II.) ebenso wie das reformierte Verfahren der grenzüberschreitenden Verschmelzung (III.). In diesem Teil II des Beitrags werden die neuen Verfahren der grenzüberschreitenden Spaltung (IV.) und des grenzüberschreitenden Formwechsels (V.) näher betrachtet, bevor auf das Instrumentarium zum Erhalt der Mitbestimmung (VI.) und weiterhin noch offene Problemfelder (VII.) eingegangen wird.

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IV. Das Verfahren der grenzüberschreitenden Spaltung

1. Vorbereitungsphase
a) Spaltungsplan
b) Spaltungsbericht
c) Spaltungsprüfung
d) Bekanntmachung des Spaltungsplans
2. Beschlussphase
3. Vollzugsphase
a) Registeranmeldung beim Ausgangsrechtsträger
b) Rechtmäßigkeitsbescheinigung
c) Datenübermittlung und Abschluss der Spaltung
V. Das Verfahren des grenzüberschreitenden Formwechsels
1. Vorbereitungsphase
a) Formwechselplan
b) Formwechselbericht
c) Formwechselprüfung
d) Bekanntmachung des Formwechselplans
2. Beschlussphase
3. Vollzugsphase
a) Registeranmeldung beim Ausgangsrechtsträger
b) Rechtmäßigkeitsbescheinigung
c) Datenübermittlung und Abschluss des Formwechsels
VI. Das Instrumentarium zum Erhalt der Mitbestimmung
VII. Offene Problemfelder

1. Grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen unter Beteiligung von Personengesellschaften
2. Grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen unter Beteiligung von Gesellschaften aus Drittstaaten
3. Einsatz digitaler Werkzeuge bei Umwandlungsmaßnahmen, die mit einem Gründungsvorgang einhergehen
4. Unternehmensumwandlungen im Übergangszeitraum
5. Auswirkungen auf die SE
VIII. Fazit: Das deutsche Umwandlungsrecht auf dem Weg in die Zukunft


IV. Das Verfahren der grenzüberschreitenden Spaltung

1
In der Literatur wird die grenzüberschreitende Spaltung als von der Niederlassungsfreiheit der Art. 49, 54 AEUV erfasster Vorgang angesehen und seit dem Urteil des EuGH in der Rechtssache SEVIC Systems als möglich angesehen, wenn die beteiligten Rechtsordnungen das Institut der innerstaatlichen Spaltung zulassen. Dementsprechend sind unter der Niederlassungsfreiheit auch umfassend alle Spaltungsarten möglich. Aufgrund der Komplexität der grenzüberschreitenden Spaltung finden sich bisher ohne kodifizierten Sekundärrechtsrahmen in der Praxis kaum grenzüberschreitende Spaltungen, was sich künftig mit der Umwandlungsrichtlinie und ihrer Umsetzung in den Mitgliedstaaten jedoch höchstwahrscheinlich ändern wird. In der Praxis wird bisher häufig zunächst ein Teilbetrieb nach nationalen Vorschriften ausgegliedert und dann grenzüberschreitend verschmolzen. In jüngerer Zeit haben einige internationale Konzerne eine weltweite Spaltung – zumeist in Form einer Abspaltung (Spin-off) – vollzogen. Eine jüngst von Biermeyer/Meyer-Erdmann veröffentlichte Studie auf Grundlage der Auswertung der Amtsblätter zahlreicher Mitgliedstaaten zählt seit 2010 lediglich 31 grenzüberschreitende Spaltungen in der EU auf.

2
Das Verfahren zur grenzüberschreitenden Spaltung nach dem UmRUG-RefE orientiert sich, ebenso wie das Verfahren der grenzüberschreitenden Verschmelzung, grundsätzlich an dem dreistufigen Verfahren des deutschen Umwandlungsrechts, das wiederum selbst auf den Vorgaben der seinerzeitigen Verschmelzungs- und Spaltungsrichtlinie (jetzt: Art. 86a ff. Gesellschaftsrechts-RL) beruht. Demnach ist das Verfahren der grenzüberschreitenden Spaltung in ein Vorverfahren, eine Beschlussphase und eine Vollzugsphase unterteilt. Bei allen Schritten stellen sich für den Umsetzungsgesetzgeber Herausforderungen aufgrund der Vorgaben der Gesellschaftsrechts-RL. Das neu geschaffene Verfahren der grenzüberschreitenden Spaltung findet sich nun in den §§ 320–332 UmRUG-RefE.

3
Obgleich Titel II Kapitel IV Gesellschaftsrechts-RL nur die grenzüberschreitende Spaltung zur Neugründung regelt, sollen vom Anwendungsbereich des Umwandlungsgesetzes künftig ausdrücklich auch grenzüberschreitende Spaltungen zur Aufnahme erfasst sein (§ 332 Satz 1 UmRUG-RefE). Hierfür besteht zweifellos ein erhebliches praktisches Bedürfnis. Eine klare Regelung sorgt insoweit – jedenfalls für die „deutsche Seite“ – für Rechtssicherheit und erspart den Unternehmen aufwendige und kostenträchtige Umwege. Vom Anwendungsbereich erfasst sollen jedoch nur Spaltungen sein, bei denen die 4/5-Regelung des Art. 160l Abs. 2 Gesellschaftsrechts-RL nicht eingreift. Dies sind Spaltungen, bei denen die sich spaltende Gesellschaft in den letzten sechs Monaten vor Offenlegung des Spaltungsplans durchschnittlich eine Zahl von weniger als 400 Arbeitnehmern beschäftigt hat (§ 332 Satz 1 UmRUG-RefE).

4
§ 133 Abs. 3 Satz 2 UmRUG-RefE nutzt die Mitgliedstaatenoption des Art. 146 Abs. 3 Satz 2 Gesellschaftsrechts-RL und begrenzt die Ausfallhaftung auch bei nationalen Spaltungen auf das zugeteilte Nettoaktivvermögen. Nach § 320 Abs. 2 UmRUG-RefE gilt dies auch für grenzüberschreitende Spaltungen. Nationale und grenzüberschreitende Spaltungen insoweit unterschiedlich zu behandeln, erschiene nicht gerechtfertigt – zumal sich aus einer nationalen Spaltung relativ einfach eine grenzüberschreitende Spaltung machen ließe (es müsste nur eine ausländische 1-Euro-Zweckgesellschaft gegründet und beteiligt werden).

1. Vorbereitungsphase
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Die Vorbereitungsphase umfasst die Aufstellung des Spaltungsplans, den Spaltungsbericht, die Spaltungsprüfung und die Bekanntmachung des Spaltungsplans. In der Vorbereitungsphase wird regelmäßig eine Unternehmensbewertung durchgeführt werden, soweit es sich nicht...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.06.2022 10:25
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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