OLG Hamm v. 11.5.2022 - 8 W 7/22

Zur Bemessung des Streitwerts einer Klage gegen gleich lautende Beschlüsse einer GmbH & Co. KG und ihrer Komplementär-GmbH

Ob eine entsprechende Anwendung des § 247 AktG auf einen Gesellschafterbeschlüsse betreffenden Streit zwischen Gesellschaftern einer Personengesellschaft in Betracht kommt, wird in Rechtsprechung und Literatur – in Abhängigkeit von der Struktur der betroffenen Gesellschaft – unterschiedlich beurteilt. Von der überwiegenden Auffassung wird eine analoge Anwendung von § 247 AktG abgelehnt.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin und die Beklagten zu 2) bis 5) sind Kommanditisten der A GmbH & Co. KG (im Folgenden: A-KG). Ein weiterer Kommanditist ist nicht an diesem Rechtsstreit beteiligt. Die Kommanditisten der A-KG sind zugleich Gesellschafter der Beklagten zu 1), die auch Komplementärin der A-KG ist. Der Beklagte zu 3) ist Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Die Gesellschaftsverträge beider Gesellschaften datieren aus dem Jahr 2007. Die A-KG wurde gegründet zur Entwicklung und Vermarktung eines über das zentrale Nervensystem wirkenden Schmerzmedikamentes.

Das Festkapital der A-KG beträgt 235.000 €, die Summe der Hafteinlagen ist in § 3 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages abweichend auf 50.500 € festgesetzt. Der Kapitalanteil der Klägerin beträgt 31.676 €, sie ist mit einer Einlage i.H.v. 32.000 € im Handelsregister HRA eingetragen. Am Stammkapital der Beklagten zu 1) i.H.v. 25.200 € ist die Klägerin mit einem Geschäftsanteil zum Nennwert von 3.400 € beteiligt.

Mit ihrer Klage vom 22.3.2021 und der Klageerweiterung vom 18.5.2021 hat sich die Klägerin gegen Beschlussfassungen gewandt, die in Gesellschaftsversammlungen der A-KG und der Beklagten zu 1) vom 24.2.2021 und vom 28.4.2021 gefasst . Mit Beschluss vom 3.8.2021 hat das AG Münster die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A-KG angeordnet. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten zu 1) wurde mangels Masse abgelehnt. Das LG hat der oben genannten Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Urteil ist rechtskräftig..

Mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 25.11.2021 hat das LG den Streitwert insgesamt auf 50.000 € festgesetzt. Auf die Streitwertbeschwerde der Beklagten zu 2) bis 5), mit der diese eine Herabsetzung des Streitwerts angestrebt hatten, hat das LG den Streitwert auf 25.000 € reduziert. Die Beklagten zu 2) bis 5) meinten, da die Beklagte zu 1) und die A-KG über kein verwertbares Vermögen verfügten, stelle sich die Frage, welcher Wert in dem Rechtsstreit streitig gewesen sei. Die Beklagte zu 1) hielt einen Streitwert von 10 % ihres Stammkapitals für angemessen.

Auf die Streitwertbeschwerde der Beklagten zu 2) bis 5) hat das OLG den Gesamtstreitwert auf 6.400 € festgelegt.

Die Gründe:
Das LG hat bei seiner Streitwertfestsetzung nicht beachtet, dass bei der Anfechtung verschiedener Beschlüsse mit mehreren Anträgen nach § 39 Abs. 1 GKG für jeden Antrag ein Einzelstreitwert zu bestimmen ist, sofern keine wirtschaftliche Identität besteht.

Zudem besteht die Besonderheit, dass am 24.2.2021 und am 28.4.2021 zeitgleich Gesellschafterversammlungen beider Gesellschaften stattfanden und die von der Klägerin beanstandeten Beschlüsse gemäß den Anträgen zu Ziffer I. mit identischem Beschlussgegenstand in beiden Gesellschaften gefasst wurden. Eine Ausnahme bildete der Antrag zu Ziffer I. 3., zu dem nach den Entscheidungsgründen keine Abstimmung erfolgte, so dass die Klage insoweit abgewiesen wurde. Auch die Klageerweiterung betrifft zum Teil identische Beschlussgegenstände.

Der Streitwert einer Beschlussmängelklage gegen GmbH-Beschlüsse, wie sie bezogen auf die Beklagte zu 1) vorliegt, wird in der Regel unter entsprechender Heranziehung von § 247 AktG bestimmt. Dies gilt indes nicht für die Obergrenze des § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG, denn für den damit bezweckten Schutz von Kleingesellschaftern vor unzumutbaren Kostenrisiken besteht bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung kein vergleichbares praktisches Bedürfnis. Jedenfalls kann die Regelung in § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG im Rahmen von § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG als Orientierung dienen.

Bei der Kommanditgesellschaft müssen Beschlussmängel wie bei allen Personengesellschaften im Wege der allgemeinen Feststellungsklage geltend gemacht werden. Diese ist gegen die widersprechenden Gesellschafter und nicht gegen die Gesellschaft selbst zu richten. Für den Streitwert einer allgemeinen Feststellungsklage finden nach § 12 Abs. 1 GKG die Wertfestsetzungsvorschriften der ZPO, hier also § 3 ZPO Anwendung, so dass das nach freiem Ermessen festzusetzende maßgebliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung maßgeblich ist. Ob eine entsprechende Anwendung des § 247 AktG auf einen Gesellschafterbeschlüsse betreffenden Streit zwischen Gesellschaftern einer Personengesellschaft in Betracht kommt, wird in Rechtsprechung und Literatur – in Abhängigkeit von der Struktur der betroffenen Gesellschaft – unterschiedlich beurteilt. Von der überwiegenden Auffassung wird eine analoge Anwendung von § 247 AktG abgelehnt.

Maßgeblich ist, ob der Grundgedanke des § 247 AktG in der jeweiligen Konstellation Anwendung finden muss, da der streitwerterhöhende Grundansatz des § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG, auf dem der weitere Regelungsgehalt der Vorschrift beruht, nicht verallgemeinerungsfähig ist. Klaffen das wirtschaftliche Interesse des mit nur einem verschwindend geringen Kapitalanteil beteiligten Klägers und das Interesse der Beklagten an der – in der Regel auch für und gegen alle sonstigen Gesellschafter wirken- den – Feststellung der (Un-)Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses weit auseinander, hat die Festlegung des Streitwerts der Bedeutung der Sache nicht nur für den Kläger, sondern auch für die Beklagte Rechnung zu tragen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.07.2022 14:14
Quelle: Justiz NRW

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