Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 35)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

BGH 28.6.2022, XI ZR 554/21
Wert der Beschwer einer landgerichtlichen Feststellung im Prozess zwischen Gläubigervertreter und Anleiheemittentin

Zur Wertberechnung im Rahmen des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bei Beschwerde der Beklagten gegen die Feststellung, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Gläubigervertreter in Bezug auf eine Anleihe alleine berechtigt ist, Ansprüche aus dieser Anleihe gegen die Emittentin gerichtlich oder außergerichtlich geltend zu machen.
(nicht amtl.)

 

OLG Brandenburg 18.5.2022, 7 AktG 1/22
Zur Geltung des gesellschaftsvertraglichen Zustimmungserfordernisses bei Abtretung des Geschäftsanteils auch bei Verschmelzungsbeschluss

1. Da § 13 Abs. 2 UmwG das Zustimmungserfordernis zur Verschmelzung durch eine Verweisung auf das gesellschaftsvertragliche Zustimmungserfordernis bei der Abtretung regelt, gelten auch Einschränkungen und besondere Voraussetzungen des vertraglichen Sonderrechts für das dadurch begründete gesetzliche Sonderrecht. Eine Auslegung der Vertragsregel, die die Zustimmung zur Abtretung regelt, ist sinnerhaltend auf die Zustimmung zur Verschmelzung zu übertragen.

2. Die Reichweite allgemeiner Mehrheitsklauseln ist nicht dahin beschränkt, dass nur gewöhnliche Beschlussgegenstände erfasst werden, nicht aber solche, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen oder sich auf ungewöhnliche Geschäfte beziehen. Müsste anhand der Vertragsregeln angenommen werden, die Gesellschafter wollten Umwandlungen nicht einem Mehrheitsbeschluss unterwerfen, sondern nur weniger einschneidende Maßnahmen, wie etwa Satzungsänderungen, dann könnte die Mehrheitsklausel auch nach Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes den Anforderungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 UmwG nicht genügen.

3. Ob das Umtauschverhältnis als wirtschaftlich angemessen oder gar richtig zu beurteilen ist, ist nicht Gegenstand der Prüfung, ob § 5 Abs. 1 Nr. 3 UmwG eingehalten worden ist.

4. Abweichend vom allgemeinen Beschlussmängelrecht führt es nicht zur Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit eines Verschmelzungsbeschlusses, wenn das Abfindungsangebot komplett fehlt, zu niedrig bemessen ist oder aus anderen Gründen als nicht ordnungsgemäß zu beurteilen ist. Solche Mängel sind nicht mit einer Unwirksamkeitsklage, sondern im Spruchverfahren geltend zu machen.
(alle amtl.)

 

FG Berlin-Brandenburg 18.1.2022, 8 K 8008/21
Keine erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bei Überschreiten der sog. Drei-Objekt-Grenze; Nachhaltigkeit einer Tätigkeit in „Immobilien-Konzernen“ bei Nutzung von Objektgesellschaften

1. Wann im Einzelfall eine „Verwaltung und Nutzung“ eigenen Grundbesitzes i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG als private Vermögensverwaltung in Abgrenzung zu einer gewerblichen Tätigkeit vorliegt, ist nach den gleichen Grundsätzen zu entscheiden, die auch für die Abgrenzung zwischen Vermögensverwaltung und Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 EStG gelten.

2. Eine erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist zu versagen, wenn die Tätigkeit der Steuerpflichtigen gewerblichen Charakter hatte und sich nicht mehr als Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes darstellt, weil die Steuerpflichtige – eine Objektgesellschaft – binnen eines kurzen Zeitraums von unter drei Jahren seit dem Erwerb fünf Objekte veräußert hat und somit bei ihr eine von Anfang an bestehende, zumindest bedingte Veräußerungsabsicht indiziert ist.

3. Die Zusammenfassung mehrerer Grundstücke in einer Objektgesellschaft spricht nicht gegen eine anfängliche Veräußerungsabsicht.

4. Sofern eine besondere Branchennähe der Geschäftsführer der Gesellschaft für sich genommen kein Indiz für die Veräußerungsabsicht sein sollte (vgl. Literatur), ist das Fehlen besonderer Branchennähe nicht zugleich ein Indiz für das Gegenteil (also das Fehlen einer Veräußerungsabsicht). Die Branchenkenntnis wäre in die Beurteilung dann schlicht nicht einzustellen.

5. Wird die Indizwirkung der sog. Drei-Objekt-Grenze ausgelöst, dann ist die Tätigkeit nicht mehr als Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG anzusehen, ohne dass es sich dabei auch um eine nachhaltige Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG handeln müsste.

6. Für die Feststellung der Nachhaltigkeit einer Tätigkeit in „Immobilien-Konzernen“ ist bei Nutzung von Objektgesellschaften nicht nur auf die einzelnen Objektgesellschaften abzustellen. Einer einzelnen Objektgesellschaft kann die für die gesamte Gruppe bestehende Absicht der Geschäftsführer zum wiederholten Erwerb und zur wiederholten Veräußerung von Immobilien „zuzurechnen“ sein.
(alle nicht amtl.)



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.08.2022 10:43
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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