OLG München v. 12.9.2022, 34 Wx 329/22

Wann kann eine aktuelle Versicherung nach § 8 Abs. 2 Satz 1, 3 Satz 1 GmbHG verlangt werden?

Dem Zweck des § 2 Abs. 1a GmbHG, die Gründung einer GmbH in Standardfällen zu erleichtern, wird nur dann Rechnung getragen, wenn das Musterprotokoll ohne inhaltliche Änderungen übernommen wird, um dadurch schon die Prüfung, ob sich eine Änderung im konkreten Fall auswirkt, im Interesse einer Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens zu vermeiden. Eine aktuelle Versicherung nach § 8 Abs. 2 Satz 1, 3 Satz 1 GmbHG kann verlangt werden, wenn das Eintragungsverfahren wegen eines Mangels bei der Anmeldung längere Zeit in Anspruch nimmt.

Der Sachverhalt:
Gegenstand des Verfahrens ist die Erstanmeldung der Beteiligten, einer GmbH i. G., zur Eintragung in das Handelsregister. Die unterzeichnete Anmeldung der Gesellschaft wurde am 16.2.2022 von der Urkundsnotarin beim Registergericht eingereicht. Die Anmeldung enthielt die Versicherungen des Geschäftsführers, dass keine Umstände vorlägen, aufgrund derer er vom Amt des Geschäftsführers ausgeschlossen wäre, und dass das Stammkapital in voller Höhe an die Gesellschaft bezahlt worden sei.

Mit Schreiben vom 17.2.2022 wies das Registergericht darauf hin, dass die Anmeldung derzeit nicht vollzogen werden könne. Die Liste der Gesellschafter sei nicht beigefügt worden, vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG. Die Privilegierung in § 2 Abs. 1a Satz 4 GmbHG greife nicht. Das Musterprotokoll sei in Ziffer 3 unzulässig abgeändert worden. Es fehle der Zusatz „im Übrigen sobald die Gesellschafterversammlung ihre Einforderung beschließt.“ Der zweite Absatz hingegen sei dem falschen Musterprotokoll für Mehrpersonengesellschaften entnommen. In Ziffer 4 würden die Angaben zum Geschäftsführer (Geburtsdatum, Adresse) fehlen. Es werde entweder der Musterprotokolltext durch Nachtrag wiederherzustellen sein oder es würden die Anlagen für eine normale Gründung (Gesellschafterliste, Satzung) eingereicht werden müssen. Die vorgelegte Versicherung des Geschäftsführers gem. § 8 Abs. 2 und 3 GmbHG datiere vom 7.12.2021. Sie sei durch Zeitablauf unbrauchbar geworden und deshalb binnen zwei Monaten erneut abzugeben.

Die vom Registergericht gem. § 380 FamFG i.V.m. § 23 HRV um Stellungnahme gebetene Industrie- und Handelskammer erklärte am 18.2.2022, es sei von einer Irreführungsgefahr i.S.v. § 18 Abs. 2 HGB auszugehen. Mit Schreiben vom 21.2.2022 übersandte das Registergericht der Urkundsnotarin eine Kopie der Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer und erklärte, es schließe sich dieser Stellungnahme an. Es sei weitere Klärung erforderlich. Nachdem das Registergericht in zwei weiteren Schreiben jeweils erfolglos auf die Vollzugshindernisse hingewiesen hatte, wies es am 11.5.2022 die Anmeldung zurück.

Das OLG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die Anmeldung genügte nicht den Anforderungen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG.

Danach muss der Anmeldung eine von den Anmeldenden unterschriebene oder mit deren qualifizierten elektronischen Signaturen versehene Liste der Gesellschafter nach den Vorgaben des § 40 GmbHG beigefügt sein. Zwar gilt bei der Gründung im vereinfachten Verfahren nach § 2 Abs. 1a Satz 1 GmbHG das gemäß Satz 2 zu verwendende Musterprotokoll nach Satz 4 als Gesellschafterliste. Diese Privilegierung entfällt jedoch bei Abweichungen vom Musterprotokoll. Insoweit unschädlich sind nur völlig unbedeutende Abwandlungen bei Zeichensetzung, Satzstellung und Wortwahl, die keinerlei Auswirkungen auf den Inhalt haben. Allerdings lagen hier mehrere nicht im o.g. Sinne völlig unbedeutende Abwandlungen vor.

Dem Gesetzeszweck, die Gründung einer GmbH in unkomplizierten Standardfällen zu erleichtern, wird nur dann Rechnung getragen, wenn das vorgesehene Musterprotokoll ohne inhaltliche Änderungen übernommen wird, um dadurch schon die Prüfung, ob sich eine Änderung im konkreten Fall auswirkt, im Interesse einer Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens zu vermeiden. Wenn inhaltliche Änderungen des Musterprotokolls sich nicht auswirken, besteht auch kein Bedarf, sie überhaupt vorzunehmen. Hier fehlten die Angaben zu Geburtsdatum und Anschrift des Geschäftsführers. Diese dienen der sicheren Identifizierung der betreffenden Person und sind daher unerlässlich. Hätte der Gesetzgeber die Angaben gleichwohl für verzichtbar gehalten, so hätte es nahegelegen, sie nicht zum Bestandteil des Musterprotokolls zu machen. Im Hinblick auf den Gesetzeszweck kommt es auch nicht darauf an, ob sich die Angaben an anderer Stelle in den Eintragungsunterlagen finden.

Im Ergebnis zutreffend hat das Registergericht eine neue Versicherung des Geschäftsführers nach § 8 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GmbHG gefordert. Eine solche aktuelle Versicherung kann verlangt werden, wenn das Eintragungsverfahren wegen eines Mangels bei der Anmeldung längere Zeit in Anspruch nimmt. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine neue Versicherung auch dann gefordert werden kann, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Unterzeichnung der Versicherung und deren Einreichung beim Registergericht ein längerer Zeitraum vergangen ist, ist umstritten, kann hier allerdings dahinstehen. Der Senat teilt die Auffassung, dass das Registergericht berechtigt ist, eine aktuelle Versicherung zu verlangen, wenn sich das Eintragungsverfahren wie hier wegen eines Mangels bei der Anmeldung um einen nicht unerheblichen Zeitraum verzögert, weil ansonsten die Richtigkeit der Erklärung auch noch im Zeitpunkt der Eintragung nicht gewährleistet ist.

In der Rechtsprechung wird die Grenze bei drei Monaten gezogen; ob dem zu folgen ist, kann hier allerdings offenbleiben. Jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt hält auch der Senat die Abgabe einer neuen Versicherung für erforderlich. Praktische Erschwernisse bei der Beibringung aufgrund der Postlaufzeiten können insoweit keine Rolle spielen und keine Reduzierung der Prüfungsdichte rechtfertigen. Es ist vielmehr Sache des Antragstellers, die zur Eintragung erforderlichen Unterlagen vollständig einzureichen.

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Aufsatz:
Die Liquidation i.S.v. § 66 Abs. 5 GmbHG zwischen Literatur und Registerpraxis
Johannes Beckmann / Niklas Winter, GmbHR 2022, 445

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.09.2022 08:55
Quelle: Bayern.Recht

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