Aus der GmbHR

Steuerrechtliche Konsequenzen der Abschaffung des Gesamthandsprinzips für Personengesellschaften durch das MoPeG (Stöber, GmbHR 2022, 967)

Mit dem am 1.1.2024 in Kraft tretenden MoPeG erfährt das Recht der Personengesellschaften seine umfassendste Reform seit über 120 Jahren. Zu den Neuerungen, die das MoPeG mit sich bringt, gehört u.a. die Abschaffung der bislang in §§ 718, 719 BGB vorgesehenen gesamthänderischen Vermögensbindung. Der Beitrag geht der Frage nach, ob sich die Abschaffung des Gesamthandsprinzips auf die steuerrechtliche Behandlung von Personengesellschaften auswirkt.


I. Einleitung

II. Die Abschaffung des Gesamthandsprinzips durch das MoPeG

III. Auswirkungen auf die steuerrechtliche Behandlung von Personengesellschaften?

1. Transparente Einkommenbesteuerung

a) Das Transparenzprinzip und seine zivilrechtlichen Grundlagen

b) Rechtslage nach dem MoPeG

c) Verfassungsrechtliche Bewertung

2. Zurechnung von Wirtschaftsgütern nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO

3. Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG

4. Erweiterte Übertragung stiller Reserven nach § 6b Abs. 10 EStG

5. Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach §§ 5, 6 GrEStG

6. Erbschaftsteuerrecht

IV. Fazit


I. Einleitung

Seit dem Inkrafttreten des BGB und des HGB am 1.1.1900 ist das Recht der Personengesellschaften mehr als 120 Jahre lang in seinen Grundstrukturen unverändert geblieben und hat immer nur punktuelle Änderungen erfahren. Durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) vom 10.8.2021, das in seinen wesentlichen Teilen am 1.1.2024 in Kraft tritt, wird das Recht der Personengesellschaften nun umfassend neu geregelt. Ausgangspunkt der Reform war der sog. Mauracher Entwurf, den eine vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) eingesetzte Expertenkommission im April 2020 vorlegte. Auf der Grundlage des Mauracher Entwurfs veröffentlichte das BMJV im November 2020 den RefE eines MoPeG. Bereits im Januar 2021 wurde der RegE eines MoPeG in den Bundesrat und im März 2021 in den Bundestag eingebracht. Dieser hat das MoPeG in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz in 3. Lesung am 24.6.2021 verabschiedet.

Zu den Neuerungen, die das MoPeG mit sich bringt, gehören insbesondere
 

  • die ausdrückliche gesetzliche Bestätigung der – auch bislang schon anerkannten und auf die analoge Anwendung des § 124 HGB gestützten – Rechtsfähigkeit der Außen-GbR (§ 705 Abs. 2 BGB n.F.);
  • die ausdrückliche gesetzliche Regelung der – ebenfalls bislang schon anerkannten und aus § 128 HGB analog hergeleiteten  – persönlichen und akzessorischen Haftung der Gesellschafter einer GbR für die Gesellschaftsverbindlichkeiten in §§ 721 ff. BGB n.F., die über § 105 Abs. 3 HGB n.F., § 161 Abs. 2 HGB n.F. auch für die OHG und für die KG gelten;
  • die Einführung eines Gesellschaftsregisters für die GbR, in das die Gesellschafter die – dann die Bezeichnung „eingetragene GbR“ (eGbR) führende – Gesellschaft fakultativ eintragen lassen können (§§ 707 ff. BGB n.F.);
  • die Einführung besonderer Vorschriften über nicht rechtsfähige (Innen-)Gesellschaften (§§ 740 ff. BGB n.F.);
  • die – unnötige und systemwidrige – Öffnung der Rechtsformen der OHG und der KG (einschließlich der GmbH & Co. KG) für Freiberufler (§ 107 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F.);
  • die Angleichung des Beschlussmängelrechts der OHG und der KG an das der Kapitalgesellschaften (§§ 110 ff. HGB n.F.);
  • und nicht zuletzt die Aufgabe des Gesamthandsprinzips und die Bestimmung, dass allein die rechtsfähige Personengesellschaft als solche Trägerin des Gesellschaftsvermögens ist (§ 713 BGB n.F.) (s.u. II., Rz. 4 f.).


Im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags steht die Abschaffung des Gesamthandsprinzips. Der Beitrag untersucht, ob diese mit dem Inkrafttreten des MoPeG am 1.1.2024 wirksam werdende zivilrechtliche Änderung auch steuerrechtliche Folgen nach sich zieht.

II. Die Abschaffung des Gesamthandsprinzips durch das MoPeG

Der Gesetzgeber hat in der amtlichen Begründung zum MoPeG ausdrücklich bekundet, mit der Neuregelung das bisher im Personengesellschaftsrecht geltende Gesamthandsprinzip aufgeben zu wollen. Zwar wird von manchen Vertretern des Schrifttums die Ansicht vertreten, das Gesamthandsprinzip gelte auch nach dem Inkrafttreten des MoPeG weiter. Indes hat der Gesetzgeber im neuen Gesetzestext durch die ersatzlose Streichung der §§ 718, 719 BGB, auf die bislang die gesamthänderische Vermögensbindung gestützt worden ist, klar zum Ausdruck gebracht, dass diese künftig nicht mehr bestehen soll. In zivilrechtlicher Hinsicht ist deshalb davon auszugehen, dass das Gesamthandsprinzip ab dem 1.1.2024 für Personengesellschaften nicht mehr gilt. Zur Begründung der Aufgabe des Gesamthandsprinzips führt der Gesetzgeber des MoPeG an, mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR als solcher durch das Urteil des BGH vom 29.1.2001 seien nicht mehr die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, sondern (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.09.2022 10:09
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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