Kurzbesprechung

Bewertung der Einlage einer GmbH-Beteiligung bei Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto

1. Die Einlage eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft ist mit den Anschaffungskosten zu bewerten, wenn der Steuerpflichtige an der Gesellschaft im Zeitpunkt der Einlage wesentlich i.S.v. § 17 EStG beteiligt ist.
2. Bei der Bewertung ist auch der Wertzuwachs zu erfassen, der sich im Privatvermögen zu einer Zeit gebildet hat, als der Anteilsinhaber noch nicht wesentlich beteiligt war.
3. Ausschüttungen einer Kapitalgesellschaft aus dem steuerlichen Einlagekonto sind bei dem gewerblich tätigen Gesellschafter im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs erfolgswirksam zu erfassen, soweit sie die Anschaffungskosten der Beteiligung übersteigen.

BFH v. 30.6.2022 - IV R 19/18

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 5 S 1 Halbsatz 2 Buchst. b, § 17 Abs. 1, § 17 Abs. 4 Satz 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 KStG § 27
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2


Die Einlage einer zunächst im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung an einer GmbH in ein Betriebsvermögen der Steuerpflichtigen (so der Sachverhalt im Streitfall) ist mit den Anschaffungskosten der Beteiligung zu bewerten. Denn Einlagen sind grundsätzlich mit dem Teilwert zu bewerten, den das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt seiner Zuführung zum Betriebsvermögen hat (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG).

Der Einlagewert ist jedoch auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts zu begrenzen, wenn es sich um einen Anteil an einer Kapitalgesellschaft handelt, an der der Steuerpflichtige i.S.d. § 17 Abs. 1 (oder heute Abs. 6) EStG beteiligt ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. b EStG). Das bedeutet, dass die Einlage einer Beteiligung dann nach der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. b EStG zu bewerten ist, wenn die Beteiligung im "Zeitpunkt der Zuführung" zum Betriebsvermögen die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 (oder heute Abs. 6) EStG erfüllt. Dieser Zeitpunkt ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG für die Bewertung von Einlagen grundsätzlich maßgeblich.

Aus dem Verweis auf § 17 Abs. 1 EStG folgt weiterhin, dass die Bewertung auch dann nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. b EStG zu erfolgen hat, wenn der eingelegte Anteil "innerhalb der letzten fünf Jahre" vor dem Zeitpunkt der Zuführung (Einlage) die im Zeitpunkt der Zuführung gültige Wesentlichkeitsgrenze überstiegen hat.

Nach seinem Wortlaut erfasst § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. b EStG nur Fälle, in denen der Teilwert oberhalb der Anschaffungskosten liegt. Indes ist die Einlage einer von § 17 EStG erfassten (also wesentlichen) Beteiligung, deren Teilwert unterhalb der Anschaffungskosten liegt ("wertgeminderte Beteiligung"), ebenfalls mit den ‑‑dann höheren‑‑ Anschaffungskosten zu bewerten, weil die gesetzliche Regelung insoweit eine planwidrige und deshalb ausfüllungsbedürftige Lücke enthält. Diese teleologische Extension des § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. b EStG ergibt sich aus dem Zweck der Vorschrift, auch nach einer Einlage die ertragsteuerrechtliche Verstrickung von Wertsteigerungen zu erhalten, die in der Zeit der Zugehörigkeit der Beteiligung zu dem nach § 17 EStG steuerverstrickten Privatvermögen entstanden sind.

Bei der Bewertung nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. b EStG sind sämtliche Wertsteigerungen und -minderungen der Beteiligung seit ihrer Anschaffung zu berücksichtigen.

Dabei kommt es bei der Bewertung der Beteiligung anlässlich ihrer Einlage auf die Dauer des Bestehens der Beteiligung vor der Einlage nicht an. Entscheidend ist nur, dass der Steuerpflichtige innerhalb der Fünfjahresfrist überhaupt einmal zu mehr als 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt gewesen ist. Auch der Wertzuwachs, der sich im Privatvermögen zu einer Zeit gebildet hat, als der Anteilsinhaber noch nicht wesentlich beteiligt war, und somit ein Gewinn, der im Falle einer Veräußerung nicht steuerbar gewesen wäre, ist zu berücksichtigen. Diese Rechtsauffassung ist nach Auffassung des BFH auch verfassungsrechtlich unbedenklich.

Im Streitfall war die Einlage der Kapitalbeteiligung nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. b EStG zu bewerten, denn auch unter Zugrundelegung der im Jahr 1998 gültigen Wesentlichkeitsgrenze von 25 % wurde diese seit dem Erwerb weiterer Anteile am 21.12.1998 und damit innerhalb der maßgeblichen Fünfjahresfrist vor dem Zeitpunkt der Einlage (23.12.2004) überschritten. Sämtliche Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG bzw. aus dem EK 04 in der Zeit zwischen "ursprünglicher" Anschaffung und dem Zeitpunkt der Einlage der Beteiligung in das Gesamthandsvermögen der Steuerpflichtigen führten zu Minderungen der Anschaffungskosten der Beteiligung und damit zu einem entsprechend geminderten Einlagewert. Denn nach Einlage der Beteiligung führen Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG bzw. aus dem EK 04 insoweit zu gewerblichen Beteiligungserträgen, als sie den Buchwert der Beteiligung übersteigen, also nicht (mehr) mit Anschaffungskosten verrechnet werden können. Eine solche Verrechnung war im Streitfall bereits im Streitjahr 2005 nicht mehr vollständig möglich.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.10.2022 15:13
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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