Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 45)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

OLG München 20.5.2022, 13 U 9056/21
Aussetzung des Kapitalanleger-Musterverfahrens, Haftung des Wirtschaftsprüfers für unrichtigen Bestätigungsvermerk

1. Ein Verfahren ist nach § 8 KapMuG bereits auszusetzen, wenn die geltend gemachten Ansprüche in den Anwendungsbereich eines Vorlagebeschlusses fallen.

2. Zur Haftung des Wirtschaftsprüfers nach § 826 BGB wegen der leichtfertigen Anfertigung eines unrichtigen Bestätigungsvermerks.

3. Ansprüche gegen Wirtschaftsprüfer wegen der leichtfertigen Anfertigung eines unrichtigen Bestätigungsvermerks fallen in den Anwendungsbereich des § 1 KapMuG.
(alle nicht amtl.)


OLG München 6.5.2022, 8 U 5530/21
Aussetzung eines Rechtsstreits wegen eines Musterverfahrens; Haftung der Wirtschaftsprüfer

1. Ob die Vorlagevoraussetzungen der §§ 1 ff. KapMuG vorliegen, ist im Aussetzungsverfahren gem. § 8 KapMuG nicht zu prüfen. Die Entscheidung über die Aussetzung hängt vielmehr ausschließlich von den in § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG genannten Voraussetzungen ab (Anschluss an BGH v. 16.6.2020 – II ZB 30/19, AG 2020, 752 Rz. 20 f.; Ablehnung von BGH v. 30.4.2019 – XI ZB 13/18, AG 2019, 728 Rz. 14).

2. Das Musterverfahren ist hier außerdem statthaft. Festgestellt werden soll hier als Haupttat die „Unrichtigkeit der Geschäftsberichte der W. AG“. Die Beklagte zu 1) als Abschlussprüferin soll dem Vorlagebeschluss zufolge zu dieser Haupttat durch ihre angeblich unrichtigen Bestätigungsvermerke (nur) Beihilfe gem. § 830 Abs. 2 BGB geleistet haben. Bei dieser Sachlage sind die Bestätigungsvermerke der Beklagten zu 1) und deren angebliche Unrichtigkeit nicht selbst unmittelbarer Gegenstand des Musterverfahrens, sondern (nur) die behauptete Unterstützungshandlung zur Haupttat der W. AG. Dagegen bestehen aus Sicht des Senats keine Bedenken.

3. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt nicht i.S.v. § 8 KapMuG von den geltend gemachten Feststellungszielen ab, wenn die Sache ohne weitere Beweiserhebung und ohne Rückgriff auf die Feststellungsziele eines Musterverfahrens entscheidungsreif ist. Dabei hat nicht etwa lediglich eine kursorische Schlüssigkeitsprüfung stattzufinden, sondern eine volle Sachprüfung nach Grund und Höhe des Anspruchs – dabei kann hier dahinstehen, ob dem Prozessgericht insoweit ein Beurteilungsspielraum zukommt (ablehnend BGH v. 30.4.2019 – XI ZB 13/18, AG 2019, 728).

4. Wenn und soweit die Klage – ggf. nach entsprechendem Hinweis gem. § 139 ZPO – unschlüssig oder ohne ausreichende Beweisangebote ist, ist sie abzuweisen und nicht das Verfahren auszusetzen (vgl. dazu ausführlich bereits OLG München, Beschl. v. 27.1.2022 – 8 W 1818/21, zur Aussetzung gem. § 149 ZPO in einem Verfahren gegen den mutmaßlichen Hauptverantwortlichen der W. AG, rechtskräftig).

5. Durch Aussetzung gem. § 8 KapMuG werden auch bisher nicht als Musterbeklagte vorgesehene Beklagte gem. § 9 Abs. 5 KapMuG zu Musterbeklagten des Musterverfahrens.
(alle amtl.)


BFH 17.5.2022, VIII R 14/18
Nacherhebung der Kapitalertragsteuer für eine offene Gewinnausschüttung in den Fällen des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG

1. Wird für eine offene Gewinnausschüttung gem. § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG eine bescheinigte Einlagenrückgewähr i.H.v. 0 € fingiert, überlagert die Fiktion bereits im Ausschüttungszeitpunkt den Umstand, dass nach der Verwendungsrechnung des § 27 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 KStG kein ausschüttbarer Gewinn verwendet wird.

2. Greift die Fiktion des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG, entstehen die Kapitalertragsteuer und die damit verbundenen kapitalertragsteuerlichen Pflichten der steuerentrichtungspflichtigen Kapitalgesellschaft nicht erst mit der Bekanntgabe des gesonderten Feststellungsbescheids für das Einlagekonto als das die Fiktion auslösende Ereignis, sondern mit dem Zufluss der Ausschüttung.
(alle amtl.)


BFH 14.3.2022, II B 25/21
Auslegung der Abfindungsklausel in einer GmbH-Satzung

1. Ergibt sich die Höhe eines Abfindungsanspruchs aus einer Satzungsregelung einer GmbH, ist diese korporationsrechtliche Bestimmung nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen.

2. Umstände außerhalb der Satzung können grundsätzlich auch dann nicht herangezogen werden, wenn sie allen Mitgliedern und Organen bekannt sind. § 10 Abs. 10 Satz 2 ErbStG knüpft ausdrücklich an den gesellschaftsvertraglich festgelegten Abfindungsanspruch, nicht an einen nach dem Erbfall abgeschlossenen abweichenden Vertrag und erst recht nicht an die tatsächlich gezahlte Abfindung an.
(alle nicht amtl.)

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.11.2022 10:35
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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