Dr. Ulrich Prinz, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Bonn*

Die Gesellschafterfremdfinanzierung nach §8a KStG auf dem europarechtlichen Prüfstand!

Das Europarecht hält mehr und mehr Einzug in das „steuerliche Alltagsgeschäft“. Es geht dabei vor dem Hintergrund des zusammenwachsenden europäischen Markts stets um Fragen einer (offenen oder versteckten) europarechtswidrigen Ausländerdiskriminierung. Die Erfahrung ist: Nach einer einschlägigen Entscheidung des EuGH ist der deutsche Gesetzgeber meist aufgerufen, den europarechtswidrigen Zustand zu beseitigen (s. die derzeit noch nicht abgeschlossene Diskussion um die Neufassung des §8 Nr.7 GewStG aufgrund der Eurowings-Entscheidung des EuGH v. 26.10.1999 -- Rs. C-294/97, BStBl. II 1999, 851 zu grenzüberschreitendem Mobilienleasing).
Ein neues Kapitel in der „Sammlung“ europarechtswidriger Steuernormen ist nunmehr durch einen (rechtskräftigen) Aussetzungsbeschluß des FG Münster v. 24.1.2000 -- 9 V 6384/99 K (GmbHR 2000, 623 -- in diesem Heft) „aufgeschlagen“ worden. Die seit längerem in der Literatur diskutierten Bedenken hinsichtlich der Europarechtskonformität des §8a KStG, einer erst zum 1.1.1994 eingeführten Vorschrift zur Begrenzung der Gesellschafterfremdfinanzierung durch bestimmte Nichtanrechnungsberechtigte, vor allem Steuerausländer, haben sich erstmals gerichtlich „verdichtet“ zu ernstlichen Zweifeln (§69 Abs.2 FGO). Es geht in dem Gerichtsverfahren um das Verbot der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch Art.43 EGV bei einem niederländischen Anteilseigner, der (mittelbar) seiner deutschen GmbH in einer nachhaltigen Verlustsituation (also ohne safe haven-Schutz) verzinsliche Fremdmittel anstelle von Eigenkapital gewährt hat. Die durch die Finanzverwaltung „fingierte“ verdeckte Gewinnausschüttung nach §8a KStG könnte nach Auffassung des FG Münster ohne Rechtfertigungsgrund Steuerausländer gegenüber der überwiegenden Zahl inländischer Anteilseigner in diskriminierender Weise benachteiligen. Dem Vernehmen nach ist zwischenzeitlich im Hauptsacheverfahren ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH „unterwegs“. Damit steht §8a KStG auf dem europarechtlichen Prüfstand. Von besonderer Brisanz dabei ist, daß der deutsche Gesetzgeber gerade jetzt eine deutliche Verschärfung des §8a KStG im Zuge der „Gegenfinanzierung“ im Steuersenkungsgesetz plant (Absenkung der safe haven für operative Unternehmen von 1:3 auf 1:1,5, für Holdings von 1:9 auf 1:3; Abschaffung jeglicher safe haven für hybride Finanzierungen; zu Details s. Prinz, GmbHR 2000, 272). Dieser Finanzierungsteil der Unternehmenssteuerreform -- immerhin rd. 990 Mio. DM erwartete Steuermehreinnahmen im Entstehungsjahr -- könnte also demnächst wegen Verstoßes gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot „wegbrechen“. Die vom Gesetzgeber für den „Normalfall“ in §8a KStG geforderte Eigenkapitalquote von 40% (gemessen an der Bilanzsumme) läßt in Anbetracht der üblichen durchschnittlichen Eigenkapitalquote von 18% bis 24% die Ausländerdiskriminierung recht wahrscheinlich erscheinen. Ein durch diesen Gerichtsbeschluß ausgelöster Verzicht des Gesetzgebers auf die Vorschrift des §8a KStG generell im Rahmen des Steuersenkungsgesetzes ist aber wohl nicht zu erwarten.
Was folgt aus diesem Befund für die auf das Inbound-Geschäft ausgerichtete Steuerberatung:
– Die steuerliche Abwehrberatung wird jedenfalls bei europäischen Anteilseignern durch §8a KStG ausgelöste vGA‘s verfahrensrechtlich durch Einsprüche „offenhalten“ bis zum Rechtsspruch durch den EuGH. Entsprechende Verfahren sind von der Finanzverwaltung gem. §363 Abs.2 AO ruhend zu stellen. Ob ein gleichzeitiger Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§361 AO) mit der Folge nichtabziehbarer Steuerzinsen im Unterliegensfall „Sinn“ macht, muß im Einzelfall entschieden werden. Darüber hinaus ist weiterhin auch ein Verstoß gegen DBA-rechtliche Diskriminierungsverbote (Art.24 Abs.5 OECD-MA) sowie ein Gleichheitssatzverstoß (Art.3 GG) wegen unzulässiger Typisierung denkbar.
– Die planende Gestaltungsberatung muß sich bei anstehenden Finanzierungsentscheidungen im Zuge von Investitionsvorhaben durch Steuerausländer ungeachtet der europarechtlichen Problematik an den geltenden und vorgesehenen safe haven-Grenzen orientieren. Dies bedeutet: Vermeiden hybrider Finanzierungen etwa durch typische stille Beteiligungen, Nutzung der (ab 1.1.2001 voraussichtlich „abgespeckten“) Holdingregelung und ggf. Einsatz von Personengesellschaften. Bei letzterem sollten allerdings sowohl die Überentnahmeregelung des §4 Abs.4a EStG als auch DBA-rechtliche Sondervergütungsregelungen Beachtung finden. Darüber hinaus haben bestehende Finanzierungen bei kalenderjahrgleichem Geschäftsjahr bereits zum 31.12.2000 (als Maßstab der für das Geschäftsjahr 2001 geltenden safe haven) Anpassungsbedarf.
Alles in allem: Der FG Münster-Beschl. v. 24.1.2000 markiert einen wichtigen „europarechtlichen Zwischenschritt“. Rechtliche Klarheit wird allerdings erst der Rechtsspruch des EuGH bringen. Zumindest bis dahin muß die Praxis mit §8a KStG „leben“.

* Sozietät Flick Gocke Schaumburg.

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