Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament v. 13.6.2000

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament

Rechnungslegungsstrategie der EU: Künftiges Vorgehen

Zusammenfassender Bericht

In den Schlußfolgerungen des Europäischen Rats von Lissabon wurde die Bedeutung eines effizienten und transparenten Kapitalmarkts zur Förderung des Wirtschaftswachstums und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in der EU hervorgehoben. Die Globalisierung und die Entwicklungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie haben einen einzigartigen Impuls für die Verwirklichung eines einheitlichen, effizienten und wettbewerbsfähigen Wertpapiermarkts in der EU geschaffen. Um die Vollendung des Wertpapierbinnenmarkts zu beschleunigen sind – wie vom Europäischen Rat in Lissabon gefordert – dringende Maßnahmen auf dem Gebiet der Rechnungslegung erforderlich, um die Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen zu verbessern. Diese Mitteilung umfaßt folgende Hauptmaßnahmen:

– Vor Ende 2000 wird die Kommission einen förmlichen Vorschlag vorlegen, der von allen börsennotierten EU-Unternehmen fordern wird, ihre konsolidierten Abschlüsse nach einheitlichen Rechnungslegungsvorschriften, d. h. nach den International Accounting Standards (IAS), aufzustellen. Diese Forderung wird spätestens vom Jahre 2005 an verbindlich sein. Den Mitgliedsstaaten wird zusätzlich die Möglichkeit gegeben, die Anwendung der IAS auch auf nichtbörsennotierte Unternehmen und Einzelabschlüsse auszudehnen. Ferner wird der Vorschlag Übergangsregelungen enthalten, um die frühzeitige Einführung der IAS zu fördern. Des weiteren wird er Regelungen für die Einrichtung eines Anerkennungsverfahrens auf EU-Ebene beinhalten, mit dem (i) die Integration der IAS in der EU überwacht wird, und

(ii) bestätigt wird, daß die IAS eine geeignete Grundlage für die Rechnungslegung von börsennotierten EU-Unternehmen darstellen werden.

Die Organisation des Anerkennungsverfahrens soll eine Doppelstruktur erhalten mit einem Element auf politischer Ebene und einem anderen auf technischer Ebene

– Die Entwicklung einer (Durchsetzungs-)Infrastruktur, die in bezug auf börsennotierte EU-Unternehmen die strikte Anwendung der durch das Anerkennungsverfahren anerkannten IAS gewährleistet. Die Hauptmaßnahmen in diesem Bereich werden sich auf den Erlaß von Anleitungen zur Implementierung der (anerkannten) IAS, auf die Förderung einer hohen Qualität der Abschlußprüfung und auf die Verstärkung einer koordinierten Aufsicht durch die Regulierungsbehörden konzentrieren.

Vor Ende 2001 wird die Kommission einen Vorschlag zur Modernisierung der Richtlinien zur Rechnungslegung vorlegen, damit diese weiterhin für alle Gesellschaften mit beschränkter Haftung die Grundlage für die Rechnungslegung bleiben können.

Die Kommission fordert den Rat und das Europäische Parlament auf, ihr Grundkonzept für diese Strategie baldmöglichst zu billigen.

Einleitung

1. Der Europäischen Rat von Lissabon hat die entscheidende Bedeutung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen zur Erreichung der zentralen Ziele von Wachstum und Beschäftigung in der EU unterstrichen. In den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates wurde auf die Notwendigkeit verwiesen, die Vollendung des Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen zu beschleunigen. Die Umsetzung der Aktionspläne für Finanzdienstleistungen und Risikokapital soll den Schlußfolgerungen zufolge in den Jahren 2005 bzw. 2003 abgeschlossen sein. Im wesentlichen wurden die Schlußfolgerungen aus dem Aktionsplan für Finanzdienstleistungen und den Mitteilungen der Kommission über Finanzdienstleistungen und Risikokapital abgeleitet, die sämtlich die Entwicklung umfassender und liquider europäischer Finanzmärkte fordern, dies sowohl im Interesse der Emittenten als auch der Anleger.

2. Unter den vorrangigen Zielen, die in den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Lissabon genannt werden, wird auf die Notwendigkeit verwiesen, die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse von Unternehmen zugunsten der Unternehmen und der Investoren zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen, fordert die Union gemeinsame Regelungen zur Rechnungslegung – Regelungen, die transparent und umfassend verständlich sind, sowie ordnungsgemäß geprüft und tatsächlich durchgesetzt werden. Nur mit solchen Regelungen wird man ein Potential schaffen können, das den Wertpapiermärkten der EU die Möglichkeit gibt, ihren jetzigen Umfang, der etwa bei der Hälfte desjenigen der US-amerikanischen Kapitalmärkte liegt, zu steigern.

3. Die Wertpapiermärkte der Mitgliedsstaaten unterliegen zur Zeit einem dramatischen Wandel und einer zunehmenden Konsolidierung, welche durch neue Technologien, Globalisierung und die Wirkungen des Euro vorangetrieben werden. Die schnelle Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien und insbesondere die Entwicklung von elektronischen Handelsplattformen verändern die Art und Weise, in der Transaktionen durchgeführt und Finanzinformationen weitergegeben werden. Auch die Berichterstattung der Unternehmen über deren Rechnungslegung ändert sich: durch die Berichterstattung im Internet wird Investoren der Zugang zu Informationen erleichtert, die Analyse und der Vergleich der Informationen werden verbessert. In zunehmenden Maße wollen Anleger ihre Entscheidungen auf der Grundlage eines Kontinuums standardisierter Unternehmensinformationen treffen, das aus Finanz- und Nichtfinanzinformationen besteht. Die regelmäßige Berichterstattung der Unternehmen über deren Rechnungslegung spielt außerdem eine wesentliche Rolle bei der Gewährleistung der Transparenz, beim Anlegerschutz und als Beitrag zur allgemeinen Stabilität der Märke.

Internationale Entwicklungen im Bereich der Rechnungslegung

4. Derzeit gibt es innerhalb der EU viele verschiedene Regelungen zur Rechnungslegung (Rechnungslegungsstandards) sowie unterschiedliche Auslegungen, die auf unterschiedlichen Traditionen basieren. Solange keine Reform durchgeführt wird, werden die – häufig erheblichen – Unterschiede fortbestehen. Die europäische Rechnungslegung wird Stückwerk bleiben und dadurch die Schaffung eines umfangreichen und liquiden europäischen Kapitalbinnenmarkts behindern.

5. Die Entwicklung von Rechnungslegungsgrundsätzen, die Standardsetzung, vollzieht sich sehr rasch. Es besteht ein starkes Bedürfnis nach einer Konvergenz der Rechnungslegungsgrundsätze, das die Bedeutung internationaler Standardsetzung hervorhebt und dadurch gleichzeitig die nationalen Standardsetzer zu einer verstärkten Zusammenarbeit veranlaßt. Die "Neue Rechnungslegungsstrategie" der Kommission konzentrierte sich auf die Notwendigkeit, den Zugang der international tätigen europäischen Unternehmen zu den internationalen Kapitalmärkten zu erleichtern, indem sie für die Anwendung der International Accounting Standards (IAS) plädierte. Die Kommission hat die Bemühungen des International Accounting Standards Committee (IASC) und der International Organization of Securities Commission (IOSCO) unterstützt, ein gemeinsames System von Rechnungslegungsstandards zu schaffen, das weltweit für Zwecke der Börsennotierung Anwendung finden kann. Die in dem Übereinkommen zwischen dem IASC und der IOSCO enthaltenen grundlegenden Rechnungslegungsstandards (core set of standards) wurden jetzt fertiggestellt. Die IOSCO kündigte am 17.5.2000 an, daß sie ihre Beurteilung der IAS abgeschlossen hätte. Sie empfahl ihren Mitgliedern, multinationalen Emittenten für grenzüberschreitende Wertpapieremissionen und -notierungen die Aufstellung der Jahresabschlüsse unter Anwendung der IAS zu gestatten.

6. Vor kurzem haben auch wichtige Entwicklungen innerhalb des IASC stattgefunden. Seine neue Organisationsstruktur, die im nächsten Jahr in Kraft treten soll, wurde eindeutig von dem Ziel bestimmt, die IAS für die weltweite Verwendung auf den Kapitalmärkten zu den maßgeblichen Rechnungslegungsstandards von höchster Qualität zu machen.

Die EU-Strategie

7. Die vorliegende Mitteilung gibt den Standpunkt der Kommission zu den Grundzügen des künftigen Vorgehens der Union im Bereich der Rechnungslegung wieder. Die Kommission strebt eine breite politische Anerkennung dieses Ansatzes an, damit sie die detaillierten Vorschläge zur Einführung der Strategie bis Ende dieses Jahres erarbeiten kann. Ein zentrales Ziel – und eines, an dem der Erfolg gemessen werden kann – besteht darin, daß der vorgeschlagene Ansatz gewährleisten soll, daß Wertpapiere auf der Grundlage einheitlicher Rechnungslegungsstandards auf europäischen und auf internationalen Finanzmärkten gehandelt werden können. Außerdem wird es sehr wichtig sein, die Strategie fest mit der international bewährten Praxis zu verbinden.

8. Eine fundierte Rechnungslegung steht weiterhin im Mittelpunkt des Kommissionsansatzes. Relevante, aktuelle, zuverlässige und vergleichbare Informationen über die wirtschaftliche Entwicklung und die Finanzlage eines Unternehmens sind nach wie vor von wesentlicher Bedeutung für den Anleger- und Gläubigerschutz sowie für den Schutz sonstiger Interessengruppen, um für Wettbewerber gleiche Bedingungen zu gewährleisten. Jahresabschlüsse untermauern das gesamte System der Marktinformationen. Sie sind das wesentliche Verbindungsglied zwischen Emittenten und Anlegern und zudem notwendig, um das hohe Niveau an Vergleichbarkeit zu erreichen, das die EU für einen gemeinsamen Wertpapiermarkt benötigt. Rechnungslegungsstandards, auf die man sich geeinigt hat, müssen ordnungsgemäß angewandt und durchgesetzt werden um die Effizienz der Märkte zu gewährleisten. Die Durchsetzung der Rechnungslegungsstandards muß innerhalb der EU und weltweit auf einem gleichartigen und gleichwertigen Niveau erfolgen. Für die Aufstellung der diesen Anforderungen entsprechenden Jahresabschlüsse müssen daher verbindliche Unterweisungen zur Verfügung stehen.

Rechnungslegung in der EU

9. Auch wenn die EU-Richtlinien zur Rechnungslegung für GmbH weiterhin die Grundlage der Rechnungslegung bilden, werden unsere derzeit bestehenden Richtlinien den Anforderungen solcher Unternehmen nicht gerecht, die auf europäischen oder internationalen Wertpapiermärkten Kapital aufnehmen wollen. Dies ist damit zu begründen, daß sowohl Anleger als auch Aufsichtsbehörden für börsennotierte Unternehmen in bezug auf deren Rechnungslegung mehr Transparenz, eine vergleichbare Rechnungslegung und verschärfte Offenlegungsvorschriften fordern.

10. Die derzeit in der EU bestehenden Unterschiede in der Rechnungslegung sind auf die zahlreichen Optionen, die in den Richtlinien enthalten sind, und auf das innerhalb der EU unterschiedliche Niveau bei der Durchsetzung von Rechnungslegungsvorschriften zurückzuführen. Eine Anpassung der Jahresabschlüsse an die nationalen rechtlichen und steuerlichen Bedingungen konnte solange gerechtfertigt werden, wie Anleger und andere Interessengruppen im allgemeinen die Staatsangehörigkeit des Landes besaßen, in dem sich der Sitz des Unternehmens befand. Heute dagegen werden Wertpapiere von Unternehmen in zunehmendem Maße von einer heterogenen Gruppe internationaler Anleger gehalten. Den Interessen der Anleger aus einem anderen Mitgliedstaat dient es nicht, wenn diese Jahresabschlüsse auslegen oder entziffern müssen, die nach den nationalen Bedingungen des Landes aufgestellt wurden, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat.

11. Die EU-Rechtsvorschriften schweigen auch zu zahlreichen Aspekten der Rechnungslegung und ermöglichen damit, schon von Natur aus, unterschiedliche nationale Einzelregelungen. Staatliche Instanzen der Mitgliedstaaten können den Unternehmen auch gestatten, ihre Abschlüsse auf der Grundlage international anerkannter Rechnungslegungsstandards aufzustellen (IAS oder US-GAAP – Generally Accepted Accounting Principles in den Vereinigten Staaten), unter der Voraussetzung, daß diese mit den Rechnungslegungsrichtlinien übereinstimmen. Es ist nicht unüblich, daß in ein und demselben Mitgliedstaat die Berichterstattung verschiedener Unternehmen, sogar wenn sie an der gleichen Börse notiert sind, nach unterschiedlichen Regelwerken zur Rechnungslegung erfolgt. Das Nebeneinander unterschiedlicher Rechnungslegungsstandards ist sowohl verwirrend als auch kostenintensiv. Dadurch werden eine wirksame Überwachung und die Durchsetzung von Anforderungen an die Rechnungslegung der Unternehmen, deren Anteile öffentlich gehandelt werden, erschwert. Anlegern fehlt der ausreichende Einblick in vergleichbare Jahresabschlüsse, und damit der Zugang zu wesentlichen Informationen. Der grenzüberschreitende Handel wird beeinträchtigt. Kurz zusammengefaßt: im Ergebnis ist es eine Fragmentierung der Märkte, die für die Wertpapiermärkte der EU weltweit zu einem ernsthaften Wettbewerbsnachteil führt.

12. Mit dem beschleunigten Geschäftstempo wächst das Bedürfnis, einen dynamischeren und reaktionsfähigeren Rechtsrahmen für die Rechnungslegung zu schaffen. Die langwierigen Gesetzgebungsverfahren in der Union bedürfen einer genauen Untersuchung, um sicherzustellen, daß sie den Anforderungen des Marktes gerecht werden. Dabei müssen Möglichkeiten in Betracht gezogen werden, die von dem starren, manchmal zu präskriptiven Charakter der EU-Richtlinien weg führen, hin zu einem für die Rechnungslegung effizienteren und reaktionsfähigeren System, das bestens geeignet ist, um den Anforderungen der Wertpapiermärkte zu entsprechen.

Neues künftiges Vorgehen

Einheitliche Rechnungslegungsgrundsätze

13. Der Europäische Rat von Lissabon hat das Ziel vorgegeben, bis 2005 einen vollständig integrierten Markt für Finanzdienstleistungen zu schaffen. Den Ausgangspunkt bildet dabei eine vergleichbare Rechnungslegung. Die ausgewählten Rechnungslegungsgrundsätze müssen den Bedürfnissen der Anleger entsprechen und mit den Gesamtentwicklungen vereinbar sein. International anerkannte Rechnungslegungsvorschriften sind für die Rechnungslegung der börsennotierten EU-Unternehmen von entscheidender Bedeutung.

14. Zur Zeit werden in der EU zwei Regelungssysteme zur Rechnungslegung angewandt, die international anerkannte Standards liefern könnten: US-GAAP und IAS. Bei beiden handelt es sich um anlegerorientierte Rechnungslegungssysteme mit einem generell gleichwertigen Anlegerschutz. Die praktischen Anforderungen dieser Systeme an die Rechnungslegung unterscheiden sich jedoch in zahlreichen Punkten.

15. Die Entscheidung über die bevorzugten Rechnungslegungsstandards könnte zwar den Marktkräften überlassen werden. Dies hätte jedoch eine Verzögerung zur Folge, da der Wettbewerb zwischen konkurrierenden Standards unnötig verlängert würde. Außerdem würden in der Zwischenzeit weder die Kosten verringert noch die Transparenz verbessert. Eine Verzögerung könnte auch das vom Europäischen Rat in Lissabon aufgestellte Ziel gefährden, die EU-weite Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen bis zum Jahre 2005 zu verbessern.

In ihrer Strategie für die Rechnungslegung von 1995 hat die Kommission zum Ausdruck gebracht, daß sie die IAS als Rechnungslegungsstandards für die EU-Unternehmen bevorzugt, die international und europaweit Kapital aufnehmen wollen. Seitdem hat das IASC seine Standards schrittweise, jedoch gründlich, revidiert. Die IAS stellen bereits ein umfassendes und begrifflich solides Regelwerk für die Rechnungslegung dar, das den Anforderungen der internationalen Geschäftswelt entsprechen dürfte. Die IAS haben im übrigen den eindeutigen Vorteil, daß sie mit einer internationalen Perspektive verfaßt sind, anstatt allein auf das US-amerikanische Umfeld zugeschnitten zu sein. Andererseits sind die US-GAAP sehr umfangreich und basieren auf sehr detaillierten Vorschriften und Auslegungen. Erhebliche Aus- und Fortbildungsbemühungen sind erforderlich, um die US-GAAP anzuwenden. In den USA ist ihre wirksame Anwendung weitgehend auf die starken Regulierungs- und Durchsetzungsbefugnisse der US-amerikanischen Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (Securities and Exchange Commission) zurückzuführen. Die EU hat natürlich keinen Einfluß auf die Ausarbeitung der US-GAAP.

Anwendungsbereich der IAS

16. Die Kornmission schlägt vor, daß von allen EU-Unternehmen, die auf einem geregelten Markt notiert sind, (geschätzt auf rd. 6.700) gefordert wird, daß sie ihre konsolidierten Abschlüsse nach den IAS aufstellen. Innerhalb von zwei Jahren sollte diese Anforderung auf alle Unternehmen ausgedehnt werden, die einen öffentlichen Angebotsprospekt gemäß der Börsenprospekt-Richtlinie erstellen. Nichtbörsennotierte Unternehmen, die ein erstes öffentliches Zeichnungsangebot für ihre Wertpapiere planen, wollen möglicherweise auch die IAS anwenden. Die Kommission schlägt deshalb vor, daß es den Mitgliedstaaten gestattet werden sollte, nichtbörsennotierten Unternehmen entweder vorzuschreiben oder zu erlauben, ihre Abschlüsse nach den gleichen Grundsätzen zu veröffentlichen wie börsennotierte Unternehmen. Die Mitgliedstaaten möchten die Vorschrift zur Anwendung der IAS möglicherweise speziell auf alle nichtbörsennotierten Finanzinstitute und Versicherungsunternehmen ausdehnen, um die Vergleichbarkeit innerhalb der gesamten Branche zu erleichtern und um eine rationelle und wirksame Beaufsichtigung zu gewährleisten.

17. Die Forderung nach Anwendung der IAS bezieht sich auf die konsolidierten Abschlüsse börsennotierter Unternehmen. Soweit es in den Einzelstaaten um die gesetzlichen Einzelabschlüsse geht, könnten Rechts- und Steuerbestimmungen die Anwendung der IAS als unangemessen erscheinen lassen oder sogar verbieten. Dennoch sollten die Mitgliedstaaten soweit wie möglich die Anwendung der IAS bei der Aufstellung von Einzelabschlüssen fördern bzw. sogar so weit gehen, sie vorzuschreiben. Dies würde zukünftig die Aufstellung konsolidierter Abschlüsse erleichtern.

Rahmenregistrierung ("Shelf-registration")

18. Die Kommission prüft derzeit, ob eine Verbindung des vorstehend dargestellten Ansatzes mit ihren anstehenden Maßnahmen zur Modernisierung der bestehenden Börsenzulassungs- und Prospektrichtlinien von Bedeutung ist, die wahrscheinlich einen stärkeren Einsatz der Verfahren der "Rahmenregistrierung" ("shelf-registration") für Wertpapieremittenten in der EU zur Folge hätten. Zentrales Element der Rahmenregistrierung ist ein "Referenzdokument" (ergänzt durch einen "Wertpapiervermerk"), das bei den zuständigen nationalen Behörden eingereicht würde. Das Ziel der Rahmenregistrierung besteht darin, den Zugang zu den Märkten der anderen Mitgliedstaaten durch ein gemeinsames Registrierungssystem sicherzustellen, das auf vergleichbaren Marktinformationen, einschließlich Finanzdaten, basiert. Wenn die Rahmenregistrierung auf einheitliche transparente internationale Rechnungslegungsgrundsätze gestützt würde, würde dies nicht nur eine Vereinfachung für die betreffenden Unternehmen bedeuten, sondern auch zu mehr Marktdynamik auf allen Finanzmärkten der EU beitragen.

Die für die neue Rechnungslegungsstrategie erforderliche Infrastruktur

19. Diese Strategie wird die öffentlichen Interessen umfassend berücksichtigen müssen. Die EU kann die Verantwortung für die Aufstellung von Rechnungslegungsvorschriften für börsennotierte EU-Unternehmen nicht an einen nicht der öffentlichen Hand angehörenden Dritten abtreten. In nationalen Rechtssystemen können die zuständigen Behörden die Ausarbeitung von Rechnungslegungsstandards an ein nationale Einrichtung zur Standardsetzung mit einer festgelegten Führungs- und Organisationsstruktur delegieren. Um den Benutzern der IAS in der EU Rechtssicherheit zu bieten, müssen die internationalen Standards in den EU-Rechtsrahmen für die Rechnungslegung eingebunden werden. EU-Instanzen müssen die Möglichkeit haben, die notwendige Aufsicht zu führen und etwaige Sachmängel oder Probleme im Zusammenhang mit den IAS zu korrigieren.

Aufsichtsführung

20. Für die notwendige öffentliche Aufsicht ist ein Anerkennungsverfahren der EU erforderlich. Die Aufgabe dieses Verfahren ist es nicht, die IAS neu zu formulieren oder zu ersetzen, sondern die Annahme neuer Standards und Interpretationen zu überwachen. Es soll nur dann zu Interventionen führen, wenn die vorgenannten Standards und Interpretationen wesentliche Mängel aufweisen oder den Besonderheiten des EU-Umfelds nicht entsprechen. Die IAS, die in der EU zur Anwendung kommen, werden die im Rahmen dieses Verfahrens anerkannten Standards sein.

21. Die wesentliche Aufgabe des genannten Verfahrens soll darin bestehen, zu bestätigen, daß die IAS mit dem Gesamtkonzept der Union vollständig übereinstimmen – genauer, daß Konformität mit den Rechnungslegungsrichtlinien der EU besteht, und daß eine geeignete Grundlage für die Rechnungslegung der börsennotierten EU-Unternehmen geschaffen ist. Es würde allerdings von der Annahme ausgegangen, daß die IAS diese Anforderungen erfüllen: das Anerkennungsverfahren würde bestätigen, daß die Annahme stimmt.

22. Die Organisation des Anerkennungsverfahrens soll eine Doppelstruktur erhalten – mit einem Element auf politischer Ebene und einem anderen auf technischer Ebene –, um eine ausreichende öffentliche Aufsicht in der EU sicherzustellen. Die Kommission wird zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Jahr einen Vorschlag zur Struktur und den institutionellen Aspekten dieses zweizügigen Anerkennungssystems vorlegen. In dem Vorschlag soll im einzelnen auf die Rechtsstellung, die Befugnisse und die detaillierte Zusammensetzung der Organe des Anerkennungsverfahrens und auf den möglichen Einbezug der Börsenaufsichten eingegangen werden.

Die technische Ebene wird einem auf politischer Ebene durchgeführten Kontrollverfahren unterliegen. Diese Kontrolle wird auf geeigneten institutionellen Regelungen der EU basieren, die nach den bestehenden Komitologievorschriften eingeführt wurden. Auf technischer Ebene soll eine Gruppe hochqualifizierter Sachverständiger eingesetzt werden. Diese müßten auf der Grundlage ihrer Kenntnisse über die EU- und internationalen Anforderungen an die Rechnungslegung ausgewählt werden. Zusätzlich müssen möglicherweise spezialisierte Ad-hoc-Gruppen eingesetzt werden, die sich mit besonders komplexen Fragen befassen oder in Fällen tätig werden, bei denen sich bestimmte Standards besonders auf Aufsichtsfragen auswirken können (insbesondere bei Banken, sonstigen Finanzinstituten und Versicherungsunternehmen). Die Sachverständigen sollen die IAS nicht nur genau prüfen, sondern sie sollen auch in allen Phasen des Entwicklungsprozesses, insbesondere in den Anfangsphasen, zur Standardsetzung durch das IASC beitragen.

23. Das Anerkennungsverfahren wird sicherstellen, daß, in der Praxis, die IAS im EU-Umfeld angewandt werden können. Insbesondere wird auf der Grundlage dieses Verfahrens festzustellen sein, ob besondere Umsetzungsanleitungen erforderlich sind, um eine gemeinsame und einheitliche Anwendung der Standards zu gewährleisten. Dies soll nicht eine Überarbeitung der allgemeinen Auslegungen zu den IAS bedeuten: dafür ist das Standing Interpretations Committee (SIC) des IASC zuständig. Das Ziel muß darin bestehen, einen konstruktiven, engagierten und laufenden Dialog mit dem IASC, insbesondere dem SIC, zu führen, sofern Umsetzungsanleitungen erforderlich werden. Diese Aufgabe wird eine Koordinierung mit den nationalen Standardsetzern und insbesondere mit den Wertpapieraufsichten erfordern.

24. Im Anerkennungsverfahren werden die Termine bestätigt, zu denen neue IAS für die EU in Kraft treten. Es kann zu dem Ergebnis gelangen, daß zusätzliche Offenlegungen notwendig werden, oder daß in einem bestimmten Standard enthaltene Optionen nicht mit den Rechnungslegungsrichtlinien der EU übereinstimmen. In diesem Zusammenhang würde das Anerkennungsorgan der Kommission mitteilen, ob eine Änderung der Richtlinien unter Berücksichtigung der internationalen Entwicklungen auf dem Gebiet der Rechnungslegung zu empfehlen ist oder nicht.

25. Einwände gegen IAS – die wahrscheinlich selten sein werden – wären zu begründen und zu veröffentlichen. Jede auf technischer Ebene ausgesprochene Empfehlung zur Zurückweisung eines bestimmten IAS Standards müßte auf politischer Ebene ratifiziert werden. Um eine derartige Situation zu vermeiden, müßten Bedenken gegen neu entstehende IAS im frühesten Stadium der durch das IASC erfolgenden Ausarbeitung geäußert werden. Die Union wird, nicht zuletzt um die Debatte zu beeinflussen, auf allen Stufen des IAS-Verfahrens zur Standardsetzung interne Koordinierungsmaßnahmen treffen müssen. Das Anerkennungsverfahren kann dazu beitragen, die europäische Position innerhalb des IASC zu koordinieren.

Durchsetzungsinfrastruktur

26. Stärker international ausgerichtete Rechnungslegungsstandards und eine bessere Vergleichbarkeit der Anforderungen an die Rechnungslegung von börsennotierten Unternehmen werden die Durchsetzung der Standards insbesondere auf den Wertpapiermärkten erheblich vereinfachen.

Nur einwandfrei und rigoros umgesetzte IAS werden jedoch das Funktionieren des Wertpapiermarkts der EU verbessern. Die Durchsetzung umfaßt jedoch eine ganze Reihe verschiedener Elemente, einschließlich (1) klar abgefaßter Rechnungslegungsstandards, (2) zeitnaher Auslegungen und Anleitungen zur Umsetzung, (3) gesetzlicher Abschlußprüfungen, (4) Kontrollen durch Aufsichtsinstanzen und (5) wirksamer Sanktionen. Alle diese Elemente müssen effizient sein; denn das System wird in bezug auf den Anleger- und Gläubigerschutz nur so stark sein wie sein schwächster Bestandteil.

27. Wenn der vorliegende Rahmen eine Rechnungslegung hoher Qualität schaffen soll, müssen die gesetzlichen Abschlußprüfungen, die eine einwandfreie Anwendung der Rechnungslegungsgrundsätze gewährleisten, in der gesamten EU auf einem einheitlich hohen Niveau durchgeführt werden. Dazu muß dringend folgendes in Betracht gezogen werden: die Aufstellung von maßgeblichen Kriterien für die Abschlußprüfung, die Entwicklung von Standards zur Berufsethik und die Einrichtung wirksamer Qualitätssicherungssysteme für gesetzliche Abschlußprüfungen. Die Kommission wird eine Empfehlung über die Qualitätssicherung für gesetzliche Abschlußprüfungen herausgeben. Der EU-Ausschuß für Fragen der Abschlußprüfung wird weitere Arbeiten durchfuhren, um ein gemeinsames Konzept in bezug auf Prüfungsstandards und Berufsethik zu bestimmen.

28. Die Aufsichtsbehörden haben ebenfalls eine wesentliche Funktion um sicherzustellen, daß börsennotierte Unternehmen den Anforderungen an die Rechnungslegung entsprechen. Sie haben eindeutig ein großes Interesse daran, sicherzustellen, daß Rechnungslegungsstandards auf den von ihnen beaufsichtigen Wertpapiermärkten genau und einheitlich angewandt werden. In der EU müssen die Regulierungsbehörden für Wertpapiermärkte aktiv an Umsetzungsfragen beteiligt werden. Die Kommission erwartet insbesondere, daß die europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden (über FESCO – Forum of European Securities Commissions) ein gemeinsames Konzept zur Durchsetzung von Rechnungslegungsstandards entwickeln und umsetzen. Mit einem solchen Konzept würden gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen und die Gefahr einer Regulierungsarbitrage vermieden. Gegenseitige Untersuchungen der Wertpapieraufsichtsbehörden in bezug auf deren Praxis könnten als nützliches Instrument zur Sicherstellung eines gemeinsamen Konzepts dienen.

Umsetzung, Zeitplan und Übergangszeit

29. Vor Ende 2000 wird die Kommission Vorschläge vorlegen, mit denen die Forderung festgelegt werden soll, daß alle börsennotierten EU-Unternehmen ihre Abschlüsse nach (anerkannten) IAS aufstellen. Sie werden außerdem für die Mitgliedstaaten die Option vorsehen, es den nichtnotierten Unternehmen zu ermöglichen (bzw. es ihnen vorzuschreiben), daß sie ihre Abschlüsse in Übereinstimmung mit den IAS aufstellen. Dieser Vorschlag wird auch die grundlegenden Vorschriften für das Anerkennungsverfahren, Übergangsmodalitäten, den Zeitplan für die Einführung sowie eine Überprüfungsklausel enthalten, die eine Bewertung des Konzepts gestattet.

30. Nach Auffassung der Kommission wird eine Übergangszeit erforderlich sein, um die Anforderung zu erfüllen, die IAS innerhalb der vom Europäischen Rat von Lissabon für die Umsetzung des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen gesetzten Frist, d.h. bis 2005, durchzuführen. Um die Umsetzung der Rechtsvorschriften in einzelstaatliches Recht und den börsennotierten Unternehmen die Anpassung an die neuen Vorschriften zu ermöglichen, wird die Kommission die Dauer dieser Übergangszeit vom Beginn der Umsetzung des ersten Rechtsetzungsvorschlags an beschränken, so daß alle börsennotierten EU-Unternehmen spätestens ab 2005 konsolidierte Abschlüsse nach den IAS aufstellen. Während der Übergangszeit werden die Mitgliedsstaaten ermächtigt, darüber zu entscheiden, welche börsennotierten Unternehmen IAS vor dem Zeitpunkt der vollständigen Umsetzung verwenden können (bzw. sollen). Die Kommission berücksichtigt, daß fünf Jahre nach ihrer Annahme die Vorschriften, Verfahren und Mechanismen vor dem Hintergrund nationaler, europäischer und internationaler Erfahrungen überprüft werden sollten. Die Kommission wird den jeweiligen Fortschritt festhalten und überprüfen.

31. Innerhalb der EU wenden einige große Unternehmen US-GAAP an; dies häufig, weil sie an den US-amerikanischen Kapitalmärkten notiert sind oder weil sie in Branchen tätig sind, für die das IASC noch keine entsprechenden Industriestandards herausgegeben hat. Die Mitgliedsstaaten können die Anwendung von US-GAAP für die gesamte oder einen Teil der Übergangszeit zulassen.

32. Die Kommission wird vor Ende des Jahres 2001 Vorschläge zur Modernisierung der EU-Rechnungslegungsrichtlinien vorlegen, die weiterhin die Grundlage für die Rechnungslegung aller GmbH in der EU bilden werden. Die Modernisierung der Rechnungslegungsrichtlinien sollte potentielle Konflikte mit den IAS weitgehend vermeiden und die Richtlinien mit den Entwicklungen in der modernen Rechnungslegung in Einklang bringen. Dies betrifft insbesondere die Fälle, in denen neue technische Entwicklungen eine Anpassung der traditionellen Rechnungslegungsmethoden erfordern, wie z.B. die Bilanzierung und Bewertung immaterieller Vermögensgegenstände. Die Kommission wird sich über die entsprechenden Beratenden Ausschüsse darüber informieren lassen, ob neue Kommunikationsformen und Informationstechnologien, insbesondere das Internet, Auswirkungen auf die Rechnungslegung haben werden und rechtsetzende Maßnahmen erfordern.

Schlußfolgerung

Der Europäischen Rat von Lissabon hat Maßnahmen gefordert, die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse der Unternehmen zu verbessern. Die vorliegende Mitteilung der Kommission erläutert neue Zielsetzungen zur Erfüllung dieser Aufgabe. Die Kommission fordert das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen auf, das in dieser Mitteilung vorgeschlagene Konzept baldmöglichst zu billigen.
 
 

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