Dr. Volker Römermann,
Rechtsanwalt, Hannover

Limited meistbietend zu ersteigern

Nun also auch bei ebay: Die "Limited mit pfändungssicherem deutschen Geschäftskonto". Neben zahlreichen anderen verlockenden Angeboten (z.B. "Business Ltd. [Limited GmbH] Gründung in 24 Minuten -- Nutzen Sie unsere über 10jährige Erfahrung" [497 €]; oder "Englische Limited -- Ihre Ltd. vom Fachmann; Sofortstart mit Ihrer Euro GmbH -- ohne pers. Haftung" [464 €]; schließlich "EU GMBH / englische Limited *Insolvenzpaket-Neustart* -- Seriös, Kompetent & Zuverlässig vom Profi inkl. extras!!!" [1.190 €]) unterbreitet u.a. eine Berliner GmbH unter dieser Überschrift laufend ein Komplettangebot für einen Sofortpreis von 3.950 € ("incl. deutschen Geschäftsführer und HRA-Eintragung in D", ansonsten 1.980 €) zuzüglich Umsatzsteuer -- oder sonst zum Ersteigern. Auch hier sehr verlockend: "Wir machen Sie wieder geschäftsfähig!", heißt es da, Geschäftsideen könnten auch bei Insolvenz, Berufsverbot oder negativer SCHUFA umgesetzt werden. Aufgrund einer Treuhandlösung wird "völlige Anonymität für die tatsächlichen Eigentümer ... absolut garantiert". Der Treuhand-Geschäftsführer eröffne ein deutsches Geschäftskonto für die Limited mit EC-Karte, VISA- und Master-Card, vor dem Zugriff von Privatgläubigern des wahren Inhabers geschützt, also "pfändungssicher". Nur bei Bekanntwerden der neuen Geschäftstätigkeit könnten "Gläubiger wie Finanzamt usw. die Offenlegung der eigentlichen Eigentümer der Gesellschaft fordern. Dies könnte dann unvorstellbare Auswirkungen haben, wie Kontopfändung, Pfändung des Geschäftswagens, Betriebsinventar usw."

Erlaubte Rechts- und Steuerberatung als "Annex"?

Einen besonderen Service gibt es noch dazu:

"Sie haben bereits über einen anderen Anbieter eine Limited erworben?? Aber außer Versprechungen nichts gewesen!!! ... Dann schreiben Sie uns eine Mail ... vertrauensvoll werden wir uns um alles weitere kümmern, wir regeln alles für Sie."

Wenn es am Schluss heißt: "Keine Rechts- und Steuerberatung", so möchte man das gerne glauben, allein: Rechtliche Regelung ganz ohne Rechtsberatung ist schwer vorstellbar. Mag heute noch das Rechtsberatungsgesetz gewisse Schranken setzen, so ist es damit nach dem Willen der Bundesregierung bald vorbei. Das künftige Rechtsdienstleistungsgesetz wird Türen öffnen. Der ebay-Verkäufer etwa könnte sich wohl darauf berufen, dies sei eben eine erlaubte "Annextätigkeit" zu seinem Geschäft. Haben die Verfasser des RDG-Entwurfs dies alles bedacht, wollen sie eine Rechtsberatung, die genau so seriös ist wie das Limited-Angebot, gibt es wirklich kein Schutzbedürfnis des arglosen ebay-Kunden?

Limited und Berufsverbot

Doch zurück zur Limited: Anders als man es bei unvoreingenommener Lektüre der ebay-Anzeige vermuten sollte, lässt sich allerdings auch durch die Limited gegen ein Berufsverbot nichts ausrichten. Das OVG Münster hat mit Beschl. v. 9.9.2005 -- 4 A 1468/05, ZVI 2006, 56 festgestellt, dass dem Director einer englischen Limited das Gewerbe untersagt werden könne. Zu Recht, denn deutsches Gewerberecht findet auf alle Anwendung, die in Deutschland einem Gewerbe nachgehen, auch wenn sie den offiziellen Geschäftssitz (Briefkasten) im Vereinigten Königreich unterhalten (so auch Mankowski, ZVI 2006, 45). Zu einfach hatte es sich der Kläger in dem Münsteraner Verfahren gemacht, als er nur auf die registerrechtliche Vorschrift des § 13g HGB abstellte. Danach muss der Geschäftsführer der englischen Limited keine Versicherung nach § 8 Abs. 3 GmbHG abgeben, dass keine Umstände i.S.d. § 6 Abs. 2 S. 3 und 4 GmbHG der Bestellung entgegenstehen (s. auch den Vorlagebeschl. des OLG Thüringen v. 9.3.2006 -- 6 W 693/05, GmbHR 2006, 541 m. Komm. Wachter -- in diesemHeft).

Persönliche Haftung: ... und (fast) alle Fragen offen

Aber wer könnte es dem Kläger schon verübeln, wenn er in dem Dickicht deutsch-englischer Rechtsanwendung auf die Limited die Orientierung verloren hätte? Im Einzelnen schälen sich dazu mehr und mehr Fragen heraus, die von der Rechtsprechung für die Praxis geklärt werden müssen. Das gilt nicht zuletzt für das besonders wichtige Thema der persönlichen Haftung. Richtet sie sich nach deutschem oder englischen Recht? Am 14.3.2005 hat der II. Zivilsenat des BGH dazu einige Grundsätze festgestellt (BGH v. 14.3.2005 -- II ZR 5/03, GmbHR 2005, 630; dazu Paefgen, GmbHR 2005, 957). Danach ist das englische Gesellschaftsrecht anwendbar, der Gedanke einer simplen Heranziehung des deutschen GmbH-Gesetzes in analoger Anwendung (vgl. Altmeppen, NJW 2004, 97) wurde verworfen. Andererseits soll das deutsche Deliktsrecht zur Anwendung gelangen. Es geht also nach der Rechtsmaterie und ihrer jeweiligen internationalen Anknüpfung. In Betracht kommen vor allem das Gesellschafts-, das Delikts- und das Insolvenzrecht.

So weit, so gut. Die Tücke steckt -- wie so häufig -- im Detail. Nicht alles, was im GmbH-Gesetz steht, ist nämlich zwingend Gesellschaftsrecht. Und nicht alles, was in §§ 823 ff. BGB zu finden ist, kann automatisch auf den Limited-Betreiber angewandt werden. Goette, Vorsitzender des Gesellschaftsrechts-Senats, schreibt dazu, dass bei einer "extensiven Heranziehung nationaler Vorschriften ... mit offenen Deliktstatbeständen wie § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB ... Vorsicht geboten" sei, "weil auch auf dem Umweg über das Deliktsrecht die Niederlassungsfreiheit nicht ausgehebelt werden darf" (Goette, ZIP 2006, 541 [545]). Als Beispiel wird die Haftung nach der Rechtsfigur des "existenzvernichtenden Eingriffs" genannt, die der II. Zivilsenat in der Entscheidung "Bremer Vulkan" (BGH v. 17.9.2001 -- II ZR 178/99, BGHZ 149, 10 = GmbHR 2001, 1036) aus der Taufe gehoben hatte. Der "existenzvernichtende Eingriff" ließ schon immer die konkrete Anknüpfung an eine Norm vermissen, die man sich als Kontinentaleuropäer gewöhnlich wünscht (krit. daher bereits Römermann/Schröder, GmbHR 2001, 1015 [1018]). Um nicht in ein pures Case law zu verfallen, hat der Senat in seinen bisherigen Sentenzen hier und da den Begriff "§ 826 BGB" gestreut, allerdings stets in einem merkwürdig unklaren Verhältnis zum "existenzvernichtenden Eingriff".

Gesellschaftsrecht vs. Deliktsrecht

In der Vergangenheit spielte es im Grunde keine Rolle, ob man die persönliche Haftung aus Deliktsrecht (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, § 826 BGB) und/oder Gesellschaftsrecht ("existenzvernichtender Eingriff", ohne Norm) herleiten wollte, beides war schließlich anwendbar. Bei der Limited aber kommt es zum Schwure. Goette schreibt hierzu (aaO): "Mir scheint es nicht ohne weiteres angängig, in dieser Weise etwa die Gesellschafter einer Ltd. in Deutschland der Haftung nach § 826 BGB zu unterwerfen, weil diese Auslegung der Deliktsvorschriften im Ergebnis die Niederlassungsfreiheit konterkariert und den Gesellschaftern die ihnen durch diese Grundfreiheit eröffnete Wahl des am wenigsten belastenden Rechts verwehrt." Die Einschränkung "nicht ohne weiteres" soll wohl bedeuten, dass es im Einzelfall doch so sein kann. Jedenfalls im Grundsatz sollen Limited-Gründer nicht mit der Drohung einer Haftung wegen des "existenzvernichtenden Eingriffs" belastet werden. Das ist konsequent, soweit der "existenzvernichtende Eingriff" als rein gesellschaftsrechtliche Anspruchsgrundlage gemeint ist. Soll aber wirklich § 826 BGB dahingehend eingeschränkt werden, dass die Norm auch dort keine Anwendung mehr findet, wo sich ihr Anwendungsbereich mit dem des "existenzvernichtenden Eingriffs" überschneidet? Das schiene mir eine übersteigerte Rücksichtnahme auf den unredlichen Geschäftsmann hinter dieser Limited zu sein. Warum sollte nur deswegen, weil der BGH neben den deliktsrechtlichen § 826 BGB aus dem Gesellschaftsrecht eine andere, dogmatisch kaum greifbare Rechtsfigur gestellt hat, die originär deliktsrechtliche Vorschrift zurückgedrängt und die Limited damit privilegiert werden?

Gesellschaftsrecht vs. Insolvenzrecht

"Ähnliche Überlegungen wird man ... wohl auch für die Insolvenzverschleppungshaftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG anstellen müssen", heißt es bei Goette (aaO) weiter. Allein aus der Einsortierung der Vorschrift im GmbH-Gesetz soll für die Unterscheidung zwischen der gesellschaftsrechtlichen und der insolvenzrechtlichen Zuordnung kein zwingendes Argument gewonnen werden können. Dieser Ausgangsgedanke trifft sicher zu. Die Einordnung in ein bestimmtes Gesetz ist nicht selten historischen und/oder politischen Zufällen zu verdanken, sie beruht nicht unbedingt auf dogmatischer Wahrheit und die Beurteilung kann sich im übrigen im Laufe der Jahrzehnte wandeln. Die besseren Gründe sprechen m.E. für eine insolvenzrechtliche Qualifikation des § 64 Abs. 1 GmbHG, wo es schließlich um die Insolvenzgründe und die daraus resultierende Antragspflicht geht.

Wegen der Anwendbarkeit des deutschen Insolvenzrechts erweist sich im übrigen die "absolute Anonymität" im Fall der Fälle als ziemlich relativ. Schließlich muss der Director nach § 97 InsO auf Nachfrage des Insolvenzverwalters bzw. des Gerichts seine wahren Gesellschafter, also den Treugeber, offenbaren. Diese Auskunftspflicht wird notfalls mit der Verhaftung des Directors erzwungen, ist also durchaus ernst zu nehmen. Spätestens dann gerät auch die vom ebay-Anbieter postulierte "Pfändungssicherheit" ins Wanken. Sie ist wohl ohnehin weniger rechtlich zu begreifen als vielmehr tatsächlich: Wer vor seinen Gläubigern wie etwa dem Finanzamt ein Konto geheim hält und keine Steuererklärungen abgibt, auf den greift im ersten Moment niemand zu (bei Aufdeckung kann der Zugriff allerdings umso schmerzhafter werden, ist man versucht zu ergänzen).

Ebenfalls auf einer Schnittmenge zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht liegen schließlich die Eigenkapitalersatzregeln. Bekanntlich gibt es sie in zwei Varianten: Die sog. Rechtsprechungs-Regeln und die Vorschriften der §§ 32a, 32b GmbHG. Bei den Rechtsprechungs-Regeln, schreibt Goette (aaO), hätte er "Zweifel, ob sie insolvenzrechtlich einzuordnen sind, weil sie ihrer ganzen Entwicklung und Ausformung nach eine unmittelbare Nähe zum Kapitalerhaltungsrecht haben. Bei den Novellenregeln kann man das möglicherweise anders sehen ..." Möglicherweise bestehen dann also keine Zweifel, heißt das wohl. Wenn aber nur möglicherweise keine Zweifel bestehen, bedeutet das: Es gibt Zweifel. In beiden Varianten. In der Tendenz will uns der Verfasser sagen: Die Rechtsprechungs-Regeln sind Gesellschaftsrecht, auf die Limited also unanwendbar. §§ 32a, 32b GmbHG hingegen gehören zum Insolvenzrecht, wiederum unabhängig von ihrer gesetzlichen Zuordnung. Angesichts der vielfältigen Überschneidungen beider Ansätze sind praktische Verwicklungen absehbar. Welche Konsequenzen dann wiederum aus der Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln auf eine Rechtsform resultieren, die kein gesetzliches Mindestkapital und in ihrem Heimatland demgemäss auch keine Eigenkapitalersatzregeln kennt, ist völlig offen.

Gut, wird mancher Engländer sagen, dass er nun den BGH hat. Dank "Inspire Art" ist das deutsche Gericht für die Klärung solcher Rechtsfragen und für die Anwendung des englischen Gesellschaftsrechts zuständig geworden. Auch die englischen Haftungsgrundlagen selbst wie etwa "fraudulent trading", "liftig the corporate veil" etc. (ausführlich Römermann/Röver in Römermann, Private Limited Company in Deutschland, 2006, S. 107 ff., 117 ff., 124 ff.) werden nun endlich mit Leben erfüllt. Das hätten die englischen Gerichte allein noch in Jahrzehnten nicht geschafft. Auch für deutsche Rechtsanwälte wird es spannend. Ausländisches Recht ist nämlich nach § 293 ZPO im Prozess vorzutragen, auf den Grundsatz "iura novit curia" darf sich niemand verlassen. Bei mittlerweile über 1.000 neuen "deutschen" Limiteds pro Monat (so in seiner jüngsten Studie Westhoff, GmbHR 2006, 525 -- in diesem Heft) kommt einiges an Arbeit auf alle beteiligten Juristen zu. Und das nicht nur bei Prozessen gegen unseriöse Limited-Anbieter.

 

* Partner der Sozietät Römermann Rechtsanwälte und Lehrbeauftragter der Humboldt-Universität zu Berlin.



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