Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH: Verbot des Abzugs von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben eines beschränkt steuerpflichtigen Gebietsfremden gemeinschaftsrechtwidrig?

EStG 1997 § 1 Abs. 4, § 2 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Nr. 6, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 50 Abs. 1 S. 5; DBA-Niederlande Art. 2 Abs. 2, Art. 5 Abs. 1; EGV Art. 52 (= EG Art. 43)

Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Widerspricht es Art. 52 EGV, wenn der im Inland beschränkt steuerpflichtige Angehörige eines anderen Mitgliedstaats anders als ein unbeschränkt Steuerpflichtiger den Gesamtbetrag seiner Einkünfte nicht um die ihm entstehenden Steuerberatungskosten als Sonderausgaben vermindern kann?

BFH, Beschl. v. 26.5.2004 -- I R 113/03

Aus den Gründen:

I. Sachverhalt und Streitstand

Der Kl. ist niederländischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in den Niederlanden. Im Streitjahr 1998 erzielte er aus der Beteiligung an einer inländischen KG über eine Erbengemeinschaft inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. ... DM. Die inländischen Einkünfte betrugen weniger als 90 v.H. seiner Gesamteinkünfte.

In seiner ESt.-Erklärung 1998 machte der Kl. die auf ihn entfallenden Steuerberatungskosten für die Erstellung der ESt.-Erklärung von 1 046 DM als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1997 geltend. Das FA erkannte den Abzug dieser Ausgaben unter Hinweis auf § 50 Abs. 1 S. 5 EStG 1997 nicht an.

Die Klage gegen den hiernach ergangenen Steuerbescheid blieb erfolglos (FG Hamburg v. 11.11.2003 -- VII 205/00, EFG 2004, 563). ...

II. Rechtslage nach deutschem Recht

Die Entscheidung über die Revision ist von der Beantwortung der unter IV. genannten Vorlagefrage abhängig. Sofern diese Frage zu bejahen ist, muß das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und der Klage entsprochen werden. Ist die Frage aber zu verneinen, ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen:

Der Kl. hat seinen ausschließlichen Wohnsitz in den Niederlanden. Er ist daher in Deutschland nur mit seinen inländischen Einkünften beschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 EStG 1997). Zu diesen Einkünften gehören gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 1997 auch die in Rede stehenden Einkünfte als Mitunternehmer aus der gewerblich tätigen inländischen KG. Anders als bei einem unbeschränkt Steuerpflichtigen (vgl. § 2 Abs. 4 EStG 1997) ist das Einkommen hierbei nicht um Steuerberatungskosten als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1997 zu vermindern (§ 50 Abs. 1 S. 5 EStG 1997). Die Klage wäre hiernach abzuweisen.

III. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht

Der vorlegende Senat erachtet die danach bestehende unterschiedliche Behandlung von unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen (Gebietsansässigen und Gebietsfremden) aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht nicht als zweifelsfrei. Sie könnte gegen die in Art. 52 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft -- EGV -- (= Art. 43 nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft -- EG --, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -- ABlEG -- Nr. C-340/1997, 1) garantierte Grundfreiheit verstoßen, deren Auslegung dem EuGH vorbehalten ist, und dessen st. Rspr. widersprechen, wie sie z.B. in EuGH v. 14.2.1995 -- C-279/93 -- "Schumacker", EuGHE 1995, I-225; v. 14.9.1999 -- C-391/97 -- "Gschwind", EuGHE 1999, I-5451; v. 16.5.2000 -- C-87/99 -- "Zurstrassen", EuGHE 2000, I-3337; v. 12.12.2002 -- C-385/00 -- "de Groot", EuGHE 2002, I-11819; v. 12.6.2003 -- C-234/01 -- "Gerritse", EuGHE 2003, I-5933 = BStBl. II 2003, 859 zum Ausdruck gekommen ist (vgl. dazu z.B. Schön, IStR 2004, 289 [292 f.], m.w.N.).

Zwar hat der EuGH in den zitierten Urteilen wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige sich im Grundsatz nicht in einer vergleichbaren steuerlichen Situation befänden und daher vor allem personenbezogene Abzüge im Quellenstaat nicht gewährt werden müßten. Lediglich dann, wenn der beschränkt Steuerpflichtige nahezu seine gesamten Einkünfte im Quellenstaat erziele, verlange der Grundsatz der Gleichbehandlung eine Erstreckung personenbezogener Steuervorteile auf die im Ausland ansässigen Personen. Diese Einschränkung bezieht sich jedoch unmittelbar nur auf den engen Bereich personen- und familienbezogener Steuermerkmale, nicht aber schlechthin auf sämtliche Aufwendungen der privaten Lebensführung (vgl. § 12 EStG 1997) außerhalb der eigentlichen Erwerbsaufwendungen, deren Abzug das nationale Steuerrecht -- sei es als Sonderausgaben (vgl. § 10, § 10b EStG 1997), sei es als außergewöhnliche Belastungen (vgl. §§ 33 bis 33c EStG 1997) -- zuläßt (Schön, IStR 2004, 289 [292]; vgl. auch EuGH v. 13.11.2003 -- C-209/01 -- "Schilling", IStR 2004, 60 zum Abzug der Kosten einer Haushaltshilfe als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1990).

Zu solchen Aufwendungen gehören im Streitfall auch die dem Kl. entstandenen Steuerberatungskosten. Deren steuerlicher Abzugsfähigkeit liegen in erster Linie Lenkungs- und Subventionszwecke zugrunde, die mit der "persönlichen Lage" des Steuerpflichtigen nichts zu tun haben: Dem Steuerpflichtigen soll ein gewisser Ausgleich für die Inpflichtnahme bei der Steuererklärung angesichts des komplizierten Steuerrechts und der dadurch entstehenden leistungsmindernden "Zwangsaufwendungen" gewährt werden (vgl. z.B. BFH v. 23.5.1989 -- X R 6/85, BFHE 157, 512, BStBl II 1989, 865; v. 12.7.1989 -- X R 35/86, BFHE 157, 559, BStBl II 1989, 967; v. 20.9.1989 -- X R 43/86, BFHE 158, 356, BStBl II 1990, 20; v. 10.3.1999 -- XI R 86/95, BFHE 188, 302, BStBl II 1999, 522; Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rz. I 2 und A 30; Fischer in Kirchhof, EStG, 4. Aufl., § 10 Rz. 26, jeweils m.w.N.). Im Hinblick darauf ist nicht zu erkennen, weshalb dieser Steuervorteil dem Gebietsfremden vorenthalten werden soll, jedenfalls soweit sich der Vorteil nicht auf die Steuererklärung im Wohnsitz- (oder einem Dritt-)Staat, sondern -- nur -- im Quellenstaat bezieht. Denn auch wenn es sich hierbei um Kosten der persönlichen Lebensführung handelt: Indem der deutsche Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, diese Kosten zum Abzug zuzulassen, muß er widerspruchsfrei daran festhalten. Es handelt sich bei diesen Kosten um eine Belastung, die den Gebietsfremden unter den im Streitfall gegebenen Umständen ebenso trifft wie den Gebietsansässigen; beide sind gleichermaßen zur Abgabe einer ESt.-Erklärung verpflichtet (vgl. § 25 Abs. 3 S. 1 EStG 1997; §§ 149 ff. AO 1977). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß im Streitjahr der seinerzeit zulässige Abzug von Zinsen gemäß §§ 233a, 234 und 237 AO 1977 als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1997 auch bei einem beschränkt Steuerpflichtigen uneingeschränkt möglich war (§ 50 Abs. 1 S. 2 EStG 1997), was verdeutlicht, daß der Abzug nach deutschem Rechtsverständnis sich nicht systembedingt verbietet.

IV. Vorlage an den EuGH

Der Senat setzt das Revisionsverfahren deshalb gemäß § 74 FGO aus und legt dem EuGH folgende Frage gemäß Art. 234 Abs. 3 EG zur Vorabentscheidung vor:

Widerspricht es Art. 52 EGV, wenn der im Inland beschränkt steuerpflichtige Angehörige eines anderen Mitgliedstaats anders als ein unbeschränkt Steuerpflichtiger den Gesamtbetrag seiner Einkünfte nicht um die ihm entstehenden Steuerberatungskosten als Sonderausgaben vermindern kann?

 

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