Dipl. Sozialökonom Jens Klein,
Steuerberater, Buxtehude*

Fortsetzungsfeststellungsklage zu Abwehr rechtswidriger Kontopfändungen durch das Finanzamt

Bei Steuerrückständen und insbesondere bei der treuhänderisch verwalteten Umsatzsteuer und Lohnsteuer sind die Finanzämter oftmals sehr schnell in der Ausstellung von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber den kontoführenden Kreditinstituten des Steuerpflichtigen. Hierbei kommt es häufig zum Konflikt zwischen dem Interesse der Finanzämter an einer zügigen und vollständigen Befriedigung des Steueranspruchs auf der einen Seite und dem berechtigten Interesse des Steuerpflichtigen, sich gegen derartige Verwaltungsakte – wegen der Schwere des Eingriffs – zu wehren, auf der anderen Seite. Es stellt sich die Frage, ob der Steuerpflichtige Kontopfändungen bei berechtigtem Steueranspruch seitens des Finanzamts dulden muß oder ob bei Rechtwidrigkeit derartiger Verwaltungsakte Abwehrmöglichkeiten bestehen, um solchen Kontopfändungen wirksam entgegenzutreten. Dem Urt. des FG Brandenburg v. 16.5.2001 – 4 K 616/00 (Volltext), das damit vor kurzem die Möglichkeit hatte, sich zu einem derartigen Fall zu äußern, lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Kontopfändung durch das Finanzamt

Die Steuerpflichtige, eine AG, wies zum wiederholten Male Umsatzsteuer- und Lohnsteuerrückstände auf, die wiederum zum wiederholten Male durch das Finanzamt (FA) im Rahmen einer Kontopfändung (Pfändungs- und Einziehungsverfügung) bei den mit der AG geschäftlich verbundenen Kreditinstituten erfolgreich beigetrieben werden konnten. Bei der letzten Kontopfändung über rückständige Umsatz- und Lohnsteuerbeträge wollte das FA diese wiederum schnellstmöglich realisieren, indem es am 18.1.2000 die Pfändungs- und Einziehungsverfügung den kontoführenden Kreditinstituten zustellte. Eine Mahnung ist der Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht vorausgegangen.

Einspruch und Aussetzung der Vollziehung an das Finanzamt

Der steuerliche Berater legte gegen diese Pfändungs- und Einziehungsverfügung v. 18.1.2000 mit Datum v. 21.1.2000 Einspruch ein und beantragte gleichzeitig Aussetzung der Vollziehung. Mit Datum v. 28.1.2000 hat das FA den Einspruch zwar als zulässig, jedoch als unbegründet abgelehnt. Bereits einen Tag vorher überwiesen die Kreditinstitute den Pfändungsbetrag an das FA. Am gleichen Tage, dem 28.1.2000, hob das FA die Pfändungs- und Einziehungsverfügung v. 18.1.2000 auf.

Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht

Weitere drei Tage später, am 1.2.2000, wurde beim FG ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 FGO wegen begründeter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung gestellt. Dieser Antrag wurde vom FG mit Beschl. v. 24.3.2000 als unzulässig zurückgewiesen, da der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO die Existenz eines angefochtenen Verwaltungsakts voraussetze. Da jedoch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung v. 18.1.2000 durch Überweisung v. 27.1.2000 erfolgreich war, und mit Datum v. 28.1.2000 aufgehoben wurde, führe ein Antrag auf AdV gem. § 69 Abs. 3 FGO ins Leere, da ein vollziehbarer Verwaltungsakt nicht mehr vorläge. Denn der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das FG hat sich durch die zügige Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung durch das FA mit Datum v. 28.1.2000 von selbst erledigt (vgl. zur Erledigung und zur Aussetzung der Vollziehung Holdorf-Habetha, DStR 1996, 1845).

Fortsetzungsfeststellungsklage

Nun könnte man mit dem FA der Meinung sein, die ganze Aufregung wäre umsonst und hätte letztlich nur dem Steuerberater genutzt. Doch stellt § 100 Abs. 1 S. 4 FGO dem Steuerpflichtigen ein taugliches Mittel in Form der Fortsetzungsfeststellungsklage zur Seite, wonach das angerufene FG auf Antrag des Steuerpflichtigen durch Urteil aussprechen kann, daß der aufgehobene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger hieran ein berechtigtes Interesse hat.

Was ist jedoch ein berechtigtes Interesse i.S.v. § 100 Abs. 1 S. 4 FGO für den Steuerpflichtigen im vorliegenden Sachverhalt? Mit Fortsetzungsfeststellungsklage v. 3.3.2000 hat der Steuerpflichtige sein berechtigtes Interesse gegenüber dem FG dargelegt und insbesondere mit der möglichen Wiederholungsgefahr begründet, die dazu führen könnte, daß das FA unter gleichen Umständen wiederum die sofortige Kontopfändung vornehmen würde. Denn entgegen der weitläufigen Meinung der Finanzämter, wonach die Kontopfändungen die nicht einschneidensten Vollstreckungsmaßnahmen seien, macht ein Kreditinstitut das Weiterbestehen der Geschäftsverbindung gerade auch von diesen Vorfällen abhängig. Hat sich das FA entschlossen, die Vollstreckung beim Steuerpflichtigen durchzuführen, so müssen bei der Wahl der zur Verfügung stehenden Vollstreckungsmaßnahmen die Ermessengrundsätze beachtet werden, d.h. die Auswahl der Ermessensentscheidung hat sich an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des geringstmöglichen Eingriffs zu orientieren. Insbesondere der Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs verlangt, daß für den Vollstreckungsschuldner die am wenigsten einschneidenste Vollstreckungsmaßnahme zu wählen ist. Die sofortige Kontopfändung ohne die Prüfung anderer Vollstreckungsmaßnahmen wie z.B. die Mobiliarvollstreckung ist jedoch ermessensfehlerhaft.

Das FG wollte jedoch die o.g. Unverhältnismäßigkeit als alleiniges Merkmal nicht genügen lassen, sondern stütze die Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung im weiteren darauf, daß das FA ohne vorherige Mahnung die Kontopfändung vorgenommen hat. Gemäß § 259 AO soll der Vollstreckungsschuldner vor Beginn der Vollstreckung mit einer Frist von einer Woche gemahnt werden. Es handelt sich um eine Ermessensvorschrift, die jedoch grundsätzlich davon ausgeht, daß eine Mahnung zu erteilen ist (vgl. Schwarz in Schwarz, AO, § 259 Rz. 3). Ein Verzicht auf eine der Vollstreckung vorhergehende Mahnung ist ermessensfehlerfrei, wenn der Vollstreckungserfolg ansonsten gefährdet wäre. Dies bedarf jedoch einer entsprechenden vorherigen Ermessensprüfung seitens des FA. In dem von FG zu entscheidenden Fall hat eine solche Ermessensprüfung nicht stattgefunden, die Kontopfändung war daher schon aus diesem Grunde rechtswidrig.

Fazit

Die Vollstreckung rückständiger Steueransprüche durch die Finanzämter erfolgt in den meisten Fällen durch Kontopfändungen bei den mit dem Steuerpflichtigen geschäftlich verbundenen Kreditinstituten. Die Kontopfändung ist dabei für das FA das effektivere Mittel gegenüber der Pfändung in anderes bewegliche und unbewegliche Vermögen. Bei Kontopfändungen sind jedoch seitens des FA gewisse Voraussetzungen zu erfüllen, um die Rechtsmäßigkeit derartiger Verwaltungsakte zu gewährleisten. Will das FA beim Steuerpflichtigen durch eine Kontopfändung vollstrecken, so muß der Kontopfändung i.d.R. eine Mahnung gemäß § 259 AO vorausgehen. Fehlt diese, so kann sich daraus schon die Rechtswidrigkeit der Kontopfändung ergeben. Darüber hinaus müssen bei Ergehen der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des geringst möglichen Eingriffs beachtet werden. Dazu gehört, daß sich das FA im Vorfeld Gedanken über mögliche Vollstreckungsmaßnahmen macht und abwägt, welche den Steueranspruch zu sichern hilft und für den Steuerpflichtigen den geringstmöglichen Eingriff darstellt. Ist "das Kind eigentlich schon in den Brunnen gefallen", besteht ggf. im Nachhinein die Möglichkeit, mit Hilfe der Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 100 Abs. 1 S. 4 FGO die Rechtswidrigkeit vom FG festzustellen, um zumindest einer möglichen Wiederholungsgefahr zu begegnen.

 

* Gronemeier vBP/StB.

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