GmbHR D 03/99
 
 
 
 

Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 30.4.1999

Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, eingesetzt vom Bundesminister der Finanzen
 
Mitglieder der Kommission
   
LMR Hans Brandenburg Niedersächsisches Finanzministerium
   
MR Heinz Hilgers Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg
   
Toni Hinterdobler Steuerberater, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz
   
Prof. Dr. Lorenz Jarass Professor an der FH Wiesbaden
   
Alfons Kühn Rechtsanwalt, Leiter der Abteilung Finanzen und Steuern des Deutschen Industrie- und Handelstages
   
Prof. Dr. Joachim Lang Direktor des Instituts für Steuerrecht der Universität zu Köln
   
Dr. Siegfried Luther Mitglied des Vorstandes der Bertelsmann AG
   
Johannes Nagel Senatsdirektor, Leiter der Steuerabteilung der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg
   
Dr. Albert Peters Unterabteilungsleiter im Bundesministerium der Finanzen
   
Prof. Dr. Helga Pollak Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen
   
Christoph Raabe Freiberuflicher Dozent
   
Prof. Dr. Albert J. Rädler Steuerberater, Oppenhoff & Rädler
   
Prof. Dr. Harald Schaumburg Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Flick Gocke Schaumburg
   
Prof. Dr. Gerhard Seiler Universität zu Hohenheim und Karlsruhe
   
Dr. Hans Günter Senger Steuerberater, Präsident der Steuerberaterkammer Hessen
   
LMR Jochen Täske Hessisches Ministerium der Finanzen
   
Ltd. MR Prof. Dr. Jochen Thiel Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen
   
Dr. Hans Georg Wehner Deutscher Gewerkschaftsbund
   
Arnold Willemsen Rechtsanwalt, Bundesverband der Deutschen Industrie
   
Prof. Dr. Heribert Zitzelsberger Leiter der Steuerabteilung der Bayer AG
   

A. Empfehlungen der Brühler Kommission

I. Auftrag und Ziele der Kommission

Die Kommission hat den Auftrag, ein Konzept für eine grundlegende Reform der Unternehmensbesteuerung zu erarbeiten. Ziel ist eine rechtsformneutrale Unternehmensteuer, nach der alle Unternehmenseinkünfte mit höchstens 35 v.H. besteuert werden und die im Jahr 2000 in Kraft treten soll.

Hintergrund für diesen Auftrag ist die in den letzten Jahren dramatisch angewachsene Arbeitslosigkeit in Deutschland. Einer der Gründe für diese Entwicklung ist die nachlassende Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland gegenüber dem Ausland. Dies beruht u.a. darauf, daß in Deutschland erwirtschaftete unternehmerische Gewinne im internationalen Vergleich einer hohen tarifären Steuerbelastung unterliegen.

Grundlage für diesen Auftrag ist auch das Ziel, durch geeignete Maßnahmen bei der Besteuerung standortgebundener mittelständischer Unternehmen arbeitsplatzfördernde Effekte zu erzielen.

Weitere Gründe für die Reformbestrebungen sind die fortschreitende europäische Integration und die globale Verflechtung der Wirtschaft.

Die Kommission hat sich bei ihren Vorschlägen von folgenden Erwägungen leiten lassen:

1. Investitionen in Deutschland sollen sich lohnen -- kurzfristig, mittelfristig und langfristig -- und verläßlich sein. Aus diesem Grunde ist eine deutliche Senkung der Steuersätze für Unternehmen schon in einer ersten Stufe erforderlich, der weitere Schritte folgen müssen.

2. Der in der Politik und in Fachkreisen immer wieder genannte Unternehmenssteuersatz von 35 v.H. inklusive Gewerbesteuer konnte aufgrund der Situation der öffentlichen Haushalte in den auf schnelle Umsetzung gerichteten Vorschlägen der Kommission keinen unmittelbaren Niederschlag finden.

3. Das Grundgesetz garantiert den Kommunen eine wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle mit eigenem Hebesatzrecht. Deshalb kann die Gewerbesteuer jedenfalls zur Zeit nicht in Frage gestellt werden. Die Kommission ist sich aber darin einig, daß die Gewerbesteuer in ihrer Belastungswirkung wie eine Gewinnsteuer zu behandeln ist und deshalb bei der Findung des zutreffenden Steuersatzes berücksichtigt werden muß.

4. Die politische Vorgabe, daß die Unternehmensgewinne einer möglichst niedrigen Steuerbelastung unterworfen werden sollen, führt zu einer unterschiedlichen Behandlung der im Unternehmen für Spar- und Investitionszwecke thesaurierten Gewinne und des für Konsumzwecke verwendeten Einkommens. Die Trennung erfordert unterschiedliche Tarife für das betriebliche und das private Einkommen.

Die Besserstellung des einbehaltenen Gewinns ist sachlich gerechtfertigt und daher verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist nämlich tendenziell geeignet, die auch im Interesse des Gemeinwohls liegende betriebliche Investitionstätigkeit anzuregen. Da die Begünstigung hiervon aber nicht abhängt, kann es allerdings zu unerwünschten Verhaltensweisen und Kapitalfehlallokationen kommen.

Auch wenn die Erfahrungen in anderen Ländern mit unterschiedlichen Steuersätzen bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer zeigen, daß die damit verbundenen Gefahren nicht überbewertet werden dürfen, müssen die Gestaltungsmöglichkeiten, die sich durch die Spreizung eröffnen, bei der Umsetzung der Unternehmensteuerreform im Auge behalten werden.

5. Den Vorschlägen für die Besteuerung von Personenunternehmen liegt die Absicht zu Grunde, die Bildung von Eigenkapital über die Innenfinanzierung zu stärken. Personenunternehmen haben nur beschränkt Zugang zum Kapitalmarkt.

II. Besteuerung von Kapitalgesellschaften und Anteilseignern

1. Das körperschaftsteuerliche Vollanrechnungsverfahren wird zum 1.1.2000 abgeschafft. Dieses seit 1977 geltende Verfahren ist mit seiner Gliederungsrechnung und dem Bescheinigungsverfahren äußerst kompliziert. Es ist, wie zahlreiche Umgehungsgestaltungen zeigen, sehr mißbrauchsanfällig und zudem europarechtlich bedenklich.

An seine Stelle tritt eine Definitivbesteuerung der Kapitalgesellschaften mit einem einheitlichen Steuersatz. Dieser sollte unter dem Gesichtspunkt internationaler Wettbewerbsfähigkeit bei 25 v.H. liegen. Unter Berücksichtigung der Lage der öffentlichen Haushalte wäre in einer ersten Stufe ein Steuersatz von 28 v.H. bereits ein richtungweisender Schritt.

2. Die Ausschüttungen der Kapitalgesellschaft werden beim Anteilseigner nur zur Hälfte als Einkünfte erfaßt und in die Einkommensbesteuerung einbezogen (Halbeinkünfteverfahren). Dadurch wird die steuerliche Vorbelastung der Dividende durch die definitive Körperschaftsteuer beim Anteilseigner in pauschaler Form berücksichtigt und im Ergebnis eine Doppelbelastung der ausgeschütteten Gewinne vermieden.

3. Gewinnausschüttungen ausländischer Kapitalgesellschaften werden bei ausreichender steuerlicher Vorbelastung wie inländische Dividenden behandelt. Sie sind von den inländischen Gesellschaftern nur zur Hälfte der deutschen Einkommensteuer zu unterwerfen. Damit ist das System europatauglich.

4. Zur Vermeidung von Mehrfachbelastungen sind Ausschüttungen an inländische Kapitalgesellschaften ohne Rücksicht auf eine bestimmte Beteiligungshöhe und Mindestbesitzzeit von der Körperschaftsteuer befreit. Bei Dividenden aus dem Ausland setzt dies eine ausreichende steuerliche Vorbelastung im Ausland voraus.

5. Die Frage, ob eine Abgeltungsteuer auf Dividenden nach österreichischem Vorbild eingeführt werden soll, muß solange offen bleiben, bis eine befriedigende Lösung für die Zinsbesteuerung gefunden wird.

6. Die Kommission schlägt vor, die Steuerbefreiung für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Gesellschaften durch Kapitalgesellschaften jedenfalls solange beizubehalten, bis eine umfassende Regelung für grenzüberschreitende und ausländische Umstrukturierungen geschaffen ist.

7. Je günstiger die Besteuerung nicht ausgeschütteter Gewinne bei Kapitalgesellschaften ist, desto größer wird der Anreiz, die Gewinne zu thesaurieren und steuerfrei durch Veräußerung der Beteiligung zu realisieren. Daher sollte bei Anteilen an Kapitalgesellschaften die Beteiligungsgrenze für steuerpflichtige, auf künftigen Wertsteigerungen beruhende Veräußerungsgewinne auf 1 v.H. gesenkt werden.

8. Bei der Ausgestaltung des Übergangs vom Anrechnungsverfahren zum System der Definitivbelastung sind neben Haushaltsgesichtspunkten auch die Interessen der Kapitalgesellschaften und ihrer Gesellschafter zu beachten. Die Übergangsregelung muß für die Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltung praktikabel sein.

9. Die Gründe, die für die Abschaffung des Anrechnungsverfahrens sprechen, lassen es untunlich erscheinen, dieses Verfahren noch auf Jahre hinaus übergangsweise weiterzuführen, bis das steuerbelastete Eigenkapital durch Ausschüttungen verbraucht ist. Notwendig ist ein kurzfristiger, klarer Schnitt, so daß die Gesellschafter von einem festgelegten Stichtag an die Dividenden nur noch nach dem neuen Halbeinkünfteverfahren zu versteuern haben.

10. Die Ersetzung des körperschaftsteuerlichen Vollanrechnungsverfahrens durch eine Definitivbelastung auf Unternehmensebene und durch pauschale Berücksichtigung der Vorbelastung beim Anteilseigner durch das Halbeinkünfteverfahren kann systembedingt zu Veränderungen sowohl im Ausschüttungsverhalten der Kapitalgesellschaften als auch in Bezug auf die Dividendenrendite der Anleger führen. Soweit sich im Einzelfall die Ausschüttungen vermindern, erhöhen sich infolge der Thesaurierung auf längere Sicht die Anteilswerte. Dies macht die Aktien attraktiver.

11. Kleinanleger brauchen ihre Dividenden in Höhe des Sparerfreibetrags nach wie vor nicht zu versteuern. Sie verlieren allerdings das bisher gewährte Anrechnungsguthaben. Das wird durch die faktische Verdoppelung des Sparerfreibetrags, die durch die nur hälftige Besteuerung der Dividenden eintritt, und die auf längere Sicht wahrscheinlich höheren Anteilswerte wettgemacht. Zudem müssen die Anleger Dividenden aus dem Ausland -- auch wenn sie ihnen über eine inländische Kapitalgesellschaft zufließen -- schon bisher und zwar voll versteuern, ohne daß sie Körperschaftsteuer anrechnen können. Gegebenenfalls könnten für Kleinanleger neue Modelle zur Förderung des Beteiligungssparens entwickelt und eingeführt werden.

III. Besteuerung von Personenunternehmen

1. Mittelständische Unternehmen in den Rechtsformen des Einzelunternehmens und der Personengesellschaft können an dem abgesenkten Körperschaftsteuersatz teilhaben, indem sie sich eine entsprechende Rechtsform geben. Die Umstrukturierung ist nach dem Umwandlungssteuergesetz, das allerdings noch an das zukünftige Körperschaftsteuerrecht angepaßt werden muß, steuerneutral möglich.

2. Für Personenunternehmen, die sich nicht in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft organisieren können oder wollen, bedarf es im Sinne einer Gleichbehandlung geeigneter Maßnahmen. Diese Gleichbehandlung läßt allerdings Differenzierungen zu, die in den rechtlichen Strukturunterschieden zwischen Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften und Einzelunternehmen begründet sind. In Hinblick darauf hat die Kommission verschiedene Modelle geprüft.

Die Modelle sind gekennzeichnet durch:

Modell 1: Option von Personenunternehmen zur Körperschaftsteuer,

Modell 2: Einführung einer Sondertarifierung nicht entnommener Gewinne in Höhe des Körperschaftsteuersatzes,

Modell 3: Einkommensteuerminderung durch Berücksichtigung der Gewerbesteuerbelastung,

Modell 4: Weitere Absenkung des Sondersteuersatzes nach §32c EStG auf 35 v.H. für gewerbesteuerlich vorbelastete Gewinne unter (optionaler) Ausdehnung der Regelung auf Freie Berufe und die Land- und Forstwirtschaft.

Dieses Modell wird aus steuersystematischen, ökonomischen, europa- und verfassungsrechtlichen (vgl. Vorlagebeschluß des BFH v. 24.2.1999 -- X R 171/96, GmbHR 1999, ??? -- in diesem Heft) Gründen nicht weiter verfolgt.

3. Modell 1 gewährt den Personenunternehmen das Wahlrecht, sich in vollem Umfang und in jeder Hinsicht wie eine Kapitalgesellschaft besteuern zu lassen. Auf diese Weise profitieren sie wie diese von dem niedrigen Definitivsteuersatz auf den thesaurierten Gewinn. Die Personenunternehmen werden z.B. bei den Ertragsteuern hinsichtlich der Abziehbarkeit von Gehalts- und Pensionsaufwendungen oder bei der Erbschaftsteuer hinsichtlich der Wertansätze den Kapitalgesellschaften gleichgestellt. Die Betriebsinhaber werden wie Gesellschafter behandelt und müssen entnommene Gewinne wie eine Ausschüttung zur Hälfte in das zu versteuernde Einkommen einbeziehen. Verluste des wie eine Kapitalgesellschaft verselbständigten Unternehmens können nicht mit anderen Einkünften des Betriebsinhabers verrechnet werden. Zur gezielten Entlastung von kleinen und mittleren Unternehmen, für die eine Option nicht sinnvoll erscheint, wird der Freibetrag bei der Gewerbesteuer verdoppelt; die Staffelung der Gewerbesteuermeßzahl wird abgeschafft. Der besondere Steuersatz für gewerbliche Einkünfte nach §32c EStG ist bei Verwirklichung dieses Modells nicht mehr erforderlich. Die Ansparabschreibung nach §7g EStG bleibt erhalten.

4. Modell 2 öffnet optional das für Kapitalgesellschaften entwickelte Konzept der Definitivbelastung mit Anteilseignerentlastung für Personenunternehmen, die von Gesetzes wegen oder freiwillig Bücher führen, wie folgt: Die nicht entnommenen Gewinne werden in Höhe des jeweiligen Körperschaftsteuersatzes besteuert. Bei Entnahme erfolgt eine Nachversteuerung, wobei die entnommenen Gewinne nach Maßgabe des individuellen Einkommensteuersatzes belastet werden. Hierfür kommen zwei unterschiedliche Lösungsansätze in Betracht.

Bei der Einheitslösung werden Entnahmen (zuzüglich der darauf gezahlten Unternehmensteuer) beim Empfänger normal besteuert unter Anrechnung der gezahlten Unternehmensteuer.

Bei der Trennungslösung werden Entnahmen nach dem Halbeinkünfteverfahren besteuert.

Diese Besteuerungsform wird auch den Land- und Forstwirten, den Freien Berufen und den vermögensverwaltenden Unternehmen zugänglich gemacht. Wer diese Besteuerung wählt, unterfällt zugleich der Gewerbesteuer. Bei diesem Modell erübrigt sich §32c EStG.

5. Modell 3 gestaltet §32c EStG mit Blick auf die Gewerbesteuer um, so daß die Tarifentlastung für die gewerblichen Einkünfte bei der Einkommensteuer zielgenauer als bisher wirkt. Da die Tarifentlastung anders als bei der Kappung nach bisherigem Recht nicht bei einem bestimmten Steuersatz Halt macht, profitieren auch geringer verdienende Gewerbetreibende von der neuen Regelung. Zugleich wird eine Überkompensation dadurch vermieden, daß die Einkommensteuerentlastung nicht höher ausfallen kann als die Belastung des Steuerpflichtigen mit Gewerbesteuer. Das Modell muß im Hinblick auf den Vorlagebeschluß des BFH v. 24.2.1999 -- X R 171/96 (aaO) noch näher geprüft werden.

IV. Finanzielle Auswirkungen

Kapitalgesellschaften

Die Absenkung der Sätze des Körperschaftsteuertarifs auf einen einheitlichen Thesaurierungs- und Ausschüttungssteuersatz in Verbindung mit der Aufgabe des Anrechnungsverfahrens mit Steuerfreistellung von Dividenden bei der Körperschaftsteuer und der hälftigen Besteuerung der Ausschüttungen beim Gesellschafter im Rahmen der Einkommensteuer führt zu folgenden Mindereinnahmen im Entstehungsjahr 2000:
 
Körperschaftsteuersatz  
25% -- 14,7 Mrd. DM
28% -- 10,2 Mrd. DM

Personenunternehmen

Die für Personenunternehmen vorgesehenen Erleichterungen sind mit folgenden Mindereinnahmen verbunden:

Modell 1: Optionsmodell
 
Körperschaftsteuersatz  
25% -- 5,2 Mrd. DM
28% -- 3,3 Mrd. DM

 

Modell 2: Einheitslösung
 
Unternehmensteuersatz  
25% -- 14,2 Mrd. DM
28% -- 11,8 Mrd. DM

Trennungslösung
 
Unternehmensteuersatz  
25% -- 9,4 Mrd. DM
28% -- 3,9 Mrd. DM

Modell 3:
 
Einkommensteuerminderung durch Berücksichtigung der Gewerbesteuerbelastung

-- 5,4 Mrd. DM

V. Gestaltung, Vereinfachung, Finanzierung

Die Kommission sollte den Weg und das Ziel aufzeigen, wie die deutsche Unternehmensbesteuerung -- insbesondere auch von der Tarifgestaltung her -- den internationalen Anforderungen angepaßt werden kann. Sie hat sich mit den folgenden wichtigen Fragen nicht intensiv befassen können:

Wie wirkt sich die Reform auf die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden aus?

Inwieweit ergibt sich zusätzlicher Finanzierungsbedarf?

Dazu hatte sie weder die erforderliche Zeit noch den entsprechenden Auftrag. Das gleiche gilt für die Objektivierung der Gewinnermittlungsvorschriften und deren Ausrichtung an internationalen Standards, die der Gesetzgeber im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 bereits begonnen hat. Dabei entstandene Belastungen sind allerdings zu berücksichtigen.

Die Kommission ist sich aber bewußt, daß eine kraftvolle Tarifabsenkung mit Signalwirkung für Investoren und Arbeitsmarkt um so eher umgesetzt werden kann, je besser es gelingt, die Reform haushaltsverträglich zu gestalten. Deshalb hat die Kommission im Zuge der Modelldiskussionen einige Maßnahmen angesprochen, deren Wirkung und Notwendigkeit im Maße der Steuersatzsenkung abnehmen. Wenn die Bildung versteuerter Reserven erheblich erleichtert wird, bedarf es um so weniger Regelungen, die die Bildung stiller Reserven begünstigen. Desgleichen gibt es Vorschläge, die die Unternehmensbesteuerung zugleich verbessern und vereinfachen.

1. Der Finanzierungseffekt von Abschreibungen über den betriebswirtschaftlichen Wertverzehr hinaus wird bei niedrigeren Steuertarifen geringer. Um so mehr kann dieser Aspekt bei der Besteuerung zurücktreten. Das gilt gleichermaßen für bewegliche wie für unbewegliche Wirtschaftsgüter.

2. Wird durch Regelungen im Steuertarif die Eigenfinanzierung erleichtert oder gefördert, kann auf entsprechende Maßnahmen in der Bemessungsgrundlage verzichtet werden. Mittelstandsfreundliche Tarifkomponenten erübrigen Fördermaßnahmen in der Bemessungsgrundlage.

3. Je günstiger die Besteuerung nicht ausgeschütteter Gewinne in Kapitalgesellschaften ist, desto größer wird der Anreiz, die Gewinne zu thesaurieren und durch Veräußerung der Beteiligungen zu realisieren. Daraus ergibt sich die konzeptionelle Notwendigkeit, Veräußerungsgewinne stärker zu besteuern.

4. An Steuerausländer gezahlte Zinsen in beträchtlicher Größenordnung sind derzeit im Inland nicht steuerpflichtig, obwohl sie in inländischen Quellen erwirtschaftet wurden. Der Gesetzgeber sollte prüfen, ob durch eine (niedrige) Quellensteuer für diese in Deutschland erwirtschafteten Zinsen der Steuergerechtigkeit stärker Rechnung getragen werden kann.

5. Die von der Kommission empfohlene Definitivbesteuerung von Kapitalgesellschaften schmälert auch bei deutlich reduziertem Körperschaftsteuersatz nicht die Attraktivität, das wirtschaftliche Engagement bestimmter Gruppen etwa in der Form des einfachen oder partiarischen Darlehens bzw. in Form der typischen "stillen Beteiligung" zu organisieren. Steuerlich unbelastete Fremdfinanzierungsentgelte sind möglicherweise auch künftig attraktiver als definitiv besteuerte Dividendenerträge. Der Gesetzgeber könnte deshalb näher prüfen, ob z.B. §8a KStG strenger gefasst werden soll. Es ist weiter zu erwägen, ob diese Vorschrift auf Personenunternehmen und Betriebsstätten ausgedehnt werden soll.

6. Falls der Gesetzgeber die einfach typisierende Berücksichtigung der Gewerbesteuervorbelastung von Gewinnen in der Einkommensteuer durch einen Sondertarif auf nicht ausgeschüttete, im Unternehmen gesparte Gewinne beschränkt, wird die Tarifbegrenzung in Form des §32c EStG überflüssig.

7. Es ist dringend erforderlich, daß Finanzhilfen und steuerliche Subventionen abgebaut sowie Gestaltungsspielräume durch sparsamere Ausgabenpolitik und moderne Haushaltsführung zurückgewonnen werden.

Letztlich muß die Politik entscheiden, welche der von der Kommission geprüften Komponenten und Modelle sie übernimmt und auf welches Tarifniveau sie die Unternehmensbesteuerung absenken will. Dabei sind die Auswirkungen auf die Investitionen und Arbeitsplätze ebenso zu bedenken wie die Anforderungen der öffentlichen Haushalte und die Probleme einer gerechten Verteilung der Steuerlast.

VI. Perspektiven der Unternehmensteuerreform

<D83A>1. Modell Inhabersteuer

Mit dem kurzfristig zu bewältigenden Einstieg in die Unternehmensteuerreform zum 1.1.2000 läßt sich eine grundlegende Umgestaltung des deutschen Unternehmensteuerrechts nicht verwirklichen. Somit verbleibt ein erheblicher Reformbedarf sowohl aus ökonomischer als auch aus rechtlicher Sicht. Das gilt insbesondere für das Ziel der Rechtsformneutralität.

Um die Unternehmensbesteuerung rechtsformneutral zu gestalten, ist das Modell einer "Inhabersteuer" entwickelt worden. Diese Inhabersteuer soll die Körperschaftsteuer rechtsformneutral ergänzen und Personenunternehmen besteuern, die nicht der Körperschaftsteuer unterworfen sind. Für die einbehaltenen Gewinne inhabersteuerpflichtiger Unternehmen sollen grundsätzlich dieselben Regeln wie für die einbehaltenen Gewinne körperschaftsteuerpflichtiger Unternehmen gelten (sog. Thesaurierungsneutralität). Körperschaft- und Inhabersteuersatz sind in gleicher Höhe anzusetzen.

Im Unterschied zur Körperschaftsteuer ist die Inhabersteuer auf die wirtschaftliche und zivilrechtliche Situation des Personenunternehmens, besonders des Einzelunternehmens zugeschnitten. Im Modell der Inhabersteuer wird die inhabersteuerliche Vorbelastung bei der progressiven einkommensteuerlichen Belastung der an den Inhaber bzw. Mitinhaber des Unternehmens ausgezahlten Gewinne voll berücksichtigt, was besonders im Hinblick auf die stark schwankenden Ergebnisse von kleinen und mittelständischen Unternehmen erforderlich ist, zumal die Gewinne von Kleinunternehmen häufig einkommensteuerrechtlich bedeutend unterhalb des Körperschaft-/Inhabersteuersatzes belastet sind.

Die Kommission hat sich vordringlich mit Maßnahmen befaßt, die zum 1.1.2000 umgesetzt werden sollen. Eine abschließende Bewertung des Inhaber-Steuermodells war deshalb nicht möglich. Sie empfiehlt gleichwohl, das Modell von vornherein in die Prüfung mit einzubeziehen.

2. Steuerbilanzrecht

Eine durchgängige Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung setzt auch Änderungen im Steuerbilanzrecht voraus. Insbesondere bedarf es eines Gewinnbegriffs, nach dem Entnahmen, Gewinnausschüttungen und Sondervergütungen einer einheitlichen steuerrechtlichen Regelung unterworfen werden.

3. Gewerbesteuer

Schließlich sollte auch geprüft werden, ob mittelfristig eine Integration der Gewerbesteuer in das vom Gesetzgeber verwirklichte Modell der Unternehmensbesteuerung möglich ist, ohne die finanziellen Interessen der Gemeinden zu beeinträchtigen und ihr Hebesatzrecht auszuhöhlen.

Die bestehende Gewerbesteuer könnte auch in eine kommunale Unternehmensteuer umgestaltet und revitalisiert werden. Diese kommunale Unternehmensteuer sollte bei allen Unternehmern, also auch bei Freiberuflern sowie Land- und Forstwirten erhoben werden. Sie sollte entsprechend dem Ziel einer 35-Prozent-Steuerbelastung als Gewinnzuschlagsteuer ausgestaltet sein. Danach könnte sich zum Beispiel bei einem Körperschaft- bzw. Inhabersteuersatz von 28 v.H. und einem Gewinnzuschlagsteuersatz von 10 v.H. eine Steuerbelastung von 34,5 v.H. ergeben, wenn die Abzugsfähigkeit der kommunalen Steuer beibehalten würde.

4. Unternehmensteuergesetz

Die rechtsformneutrale Neugestaltung des Unternehmensteuerrechts könnte in einem Unternehmensteuergesetz zusammengefaßt werden, das die Körperschaftsteuer, die Inhabersteuer, die kommunale Unternehmensteuer sowie das Steuerbilanzrecht regelt.

VII. Gesetzgeberische Umsetzung

Nach Auffassung der Kommission ist die gesetzgeberische Umsetzung der Unternehmensteuerreform ohne ausreichende Vorbereitung, die auch Planspiele beinhalten muß, nicht empfehlenswert. Die Systemumstellung bei der Körperschaftsteuer und der Wechsel vom Anrechnungsverfahren zum System der Definitivbelastung erfordern eine Vielzahl gesetzlicher Umgestaltungen (z.B. KStG, EStG, UmwStG, AStG, ErbStG). Auch bei der Besteuerung von Personenunternehmen ergeben sich in allen Modellen grundlegende Änderungen, deren Auswirkungen von der Kommission im einzelnen nicht überprüft werden konnten.

B. Sondervotum von Prof. Dr. Helga Pollak

Ein Kommissionsmitglied ist der Auffassung, daß eine definitive Unternehmensteuer, die einen erheblich niedrigeren Satz als den marginalen Spitzensteuersatz der persönlichen Einkommensteuer (25$$--$$30% versus 48,5% oder mehr) aufweist und allein die im Unternehmen thesaurierten Gewinne entlasten soll, nicht den geeigneten Einstieg in eine Steuerreform zur Förderung von Beschäftigung und Wachstum darstellt.

Eine Spreizung der Steuersätze für Unternehmen und Privatpersonen in diesem Umfang verletzt die Neutralität der Besteuerung in bezug auf die Gewinnverwendung und die Finanzierungsstruktur der Unternehmen; die Begünstigung der Gewinnthesaurierung ist mit der Gefahr von Kapitalfehlallokationen verbunden, eröffnet Arbitragemöglichkeiten und schwächt die Lenkungsfunktion des Kapitalmarkts. Sonderregelungen, die die mißbräuchliche Ausnutzung des Steuergefälles verhindern sollen, komplizieren das Steuerrecht und funktionieren meist nur lückenhaft. Die Verwendung der thesaurierten Gewinnteile für Investitionen, die im Inland Arbeitsplätze schaffen, ist keineswegs zwangsläufig. In der Summe sind diese Nachteile stärker zu gewichten, als dies von der Kommissionsmehrheit gesehen wird.

Unter einkommensteuersystematischen Gesichtspunkten muß der Steuersatz für den thesaurierten Gewinn der marginalen Spitzenbelastung im Rahmen der persönlichen Einkommensteuer annähernd entsprechen. Soll zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung der Unternehmenssektor steuerlich entlastet werden, so muß die Senkung des Körperschaftsteuertarifs im Gleichschritt mit einer entsprechenden allgemeinen Senkung des Einkommensteuertarifs erfolgen; alle einseitigen Entlastungsmaßnahmen weisen im Vergleich dazu in die falsche Richtung.

Den Grundprinzipien der synthetischen Einkommensteuer ist eine Differenzierung der Steuerbelastung je nach Art oder Verwendung der Einkünfte -- Konsum oder Investition -- fremd. Ist jedoch die Höherbelastung des Konsums gegenüber den Investitionen Absicht des Gesetzgebers, so erweist sich die Spreizung der Gewinn- und Einkommensteuersätze auch aus dieser Perspektive als eine unsystematische, halbherzige Lösung, weil die investive Anlage nichtthesaurierter Gewinne und anderer Einkünfte nicht begünstigt wird.

Am konsequentesten wird der Weg zu einer niedrigen, einfachen und möglichst allokationsneutralen Besteuerung von Unternehmen und Individuen mit einer Entwicklung in Richtung auf eine sogenannte "Flat Rate Tax" beschritten, die seit längerem international für eine Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer diskutiert wird und bei der ein niedriger einheitlicher Grenzsteuersatz mit relativ hohen persönlichen Grund- und Familienfreibeträgen, aber ansonsten umfassender Bemessungsgrundlage verbunden wird.

C. Zusatzvotum von Prof. Dr. Albert J. Rädler

Ich unterstütze die Ziele der Kommission, insbesondere zur Änderung des Körperschaftsteuersystems; diese Ziele gehen mir jedoch nicht weit genug. In der Tendenz schließe ich mich den Bedenken im Sondervotum von Prof. Dr. Helga Pollak an.

Als weiteres sehr wichtiges Moment für Wachstum und Beschäftigung erscheint mir eine generelle Senkung des Einkommensteuerspitzensatzes mittelfristig in Richtung von 40% notwendig. Dieses ehrgeizige Ziel soll kurzfristig durch eine Senkung auf ca. 42 bis 45% vorbereitet werden.

Der Spitzensatz bei der Einkommensteuer trifft heute nicht nur Großverdiener, sondern bereits Bezieher von rund dem 2,1-fachen des Durchschnittseinkommens. Vor allem trifft er neben einer Vielzahl von Arbeitnehmern auch Freiberufler und andere Steuerpflichtige. Bei einer Absenkung lediglich der Unternehmensbesteuerung auf 35% einschließlich Gewerbesteuer wird die starke Spreizung von 13,5% zum vorgesehenen Höchstsatz von 48,5% zu erheblichen Verzerrungen und Ausweichreaktionen führen.

Die Gegenfinanzierung der Senkung des Einkommensteuerhöchstsatzes läßt sich durch einen konsequenten Abbau von Steuersubventionen und -vergünstigungen in allen Bereichen erzielen. Davon wird die große Mehrheit auch der arbeitenden Bevölkerung profitieren. Deutschland hat im internationalen Vergleich hohe Steuersubventionen, und zwar auf den verschiedensten Gebieten. Für die Senkung spricht auch, daß Nachbarländer sehr niedrige Abgeltungssteuern ab 12,5% auf Kapitaleinkünfte anbieten. Mit der Einführung des EURO führt dies zur Gefahr von Abwanderungen von Inländern aus steuerlichen Gründen.

Meines Erachtens ist die Kommission zu Unrecht nicht auf die steuerlichen Erfordernisse des nationalen und internationalen Kapitalmarktes und seiner Teilnehmer eingegangen. Meines Erachtens läßt sich dieser Bereich, gerade nach Einführung des EURO, heute nicht mehr von der Unternehmensbesteuerung trennen, auch wenn die Investoren andere Einkunftsarten beziehen.

Mit einer weiteren aufkommensneutralen Senkung des Einkommensteuerspitzensatzes durch Abbau von Steuervergünstigungen, könnte Deutschland und sein Steuersystem Vorbild für die Nachbarländer werden.

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