Stellungnahme der Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt vom 23.1.2003
zur Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. EG L 243/1 vom 11.9.2002

An das
Bundesministerium der Justiz
Herrn RD Dr. Christoph Ernst

11015 Berlin

Sehr geehrter Herr Dr. Ernst,

für Ihr Schreiben vom 22.7.2002 -- II A 3 - 9522/1-3-1a SH 38 - 32 464/2002 danken wir Ihnen sehr ... . Zum Problem der nationalen Umsetzung der in vorbezeichneter Verordnung enthaltenen Mitgliedstaatenwahlrechte nehmen wir ausgehend von den nachfolgenden Thesen 1 -- 4 wie folgt Stellung:

A. Thesen

1. Die informationsorientierte Rechnungslegung nach IAS ist für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich nicht geeignet (z.B. wegen der fair-value-Bewertung von finanziellen Vermögenswerten, der möglichen Neubewertung von Vermögenswerten und der Teilgewinnrealisierung bei Fertigungsaufträgen vor Fertigstellung nach der percentage of completion-Methode). Sollte eine Rechnungslegung nach IAS die bisherige handelsrechtliche Rechnungslegung ersetzen, kann es eine im bisherigen Sinne bestehende "Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung für die steuerliche Gewinnermittlung" in der Zukunft nicht mehr geben. In diesem Fall hat die steuerliche Gewinnermittlung selbständig und getrennt von der IAS-Rechnungslegung zu erfolgen.

2. Ob nun die Normen zur steuerlichen Gewinnermittlung vollständig und selbständig im EStG verankert werden oder ob an die bisherigen Normen im Dritten Buch des HGB aufgesetzt wird, ist eine reine Zweckmäßigkeitsfrage. Inhaltlich jedenfalls ist für die steuerliche Gewinnermittlung an den bisherigen Prinzipien (Anschaffungskostenprinzip, Realisationsprinzip, Vorsichtsprinzip) in bisheriger HGB-Interpretation festzuhalten. Für ein Festhalten an den Rechnungslegungsvorschriften im HGB statt der Verankerung entsprechender Vorschriften im EStG spricht vor allem die Rechtssicherheit für den Bilanzersteller aufgrund einer jahrzehntelangen Verbindung zwischen HGB/GoB-Bilanz und Steuerbilanz.

3. Aufgrund der Internationalisierung der Rechnungslegung kommt es zwingend zu einer informationsorientierten Rechnungslegung, die jedoch vor allem aufgrund der Vielzahl von fair-value-Bewertungen nicht mit dem Steuerrecht und mit den Grundsätzen der Kapitalerhaltung kompatibel ist. Soweit Eigen- bzw. Fremdkapitalgeber diese informationsorientierte Rechnungslegung verlangen, muß gleichwohl allen Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt werden, sowohl den Konzern- als auch den Einzelabschluß nach IAS aufzustellen. Hiervon abgekoppelt ist dann eine Bilanz für steuerliche Gewinnermittlungszwecke aufzustellen, die auf den bisherigen (unter 2. genannten) Prinzipien -- wie in der Vergangenheit -- aufbaut und unter Berücksichtigung der steuerlich vorgeschriebenen Modifikationen in eine Steuerbilanz überzuführen ist. Damit ist im Ergebnis die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz entfallen, es gibt eine IAS-Bilanz als Handelsbilanz und eine Steuerbilanz.

4. Für die große Zahl von Unternehmen, für die eine informationsorientierte Rechnungslegung nach IAS nicht verlangt wird bzw. nicht erforderlich ist, verbleibt es dann bei der primär ausschüttungs- und steuerorientierten Einheitsbilanz nach HGB und EStG für Zwecke der Rechnungslegung. Mit dieser Bilanz wird dem Grundsatz der Kapitalerhaltung im Sinne des gesellschaftsrechtlichen Schutzsystems entsprochen.

B. Umsetzung

Zur Umsetzung dieser Thesen würde dies folgende Konzeption bedeuten:

1. Alle Unternehmen stellen die vorgenannte Einheitsbilanz für Zwecke der Ausschüttungsbemessung und Besteuerung auf. Die nicht unter die 4. EG-Richtlinie fallenden Unternehmen (wie z.B. Einzelunternehmen, klassische KGs und OHGs) stellen regelmäßig nur diese Einheitsbilanz auf.

2. Unternehmen, die unter die 4. EG-Richtlinie fallen, sollten das Wahlrecht erhalten, diese Einheitsbilanz (mit den nach der 4. EG-Richtlinie erforderlichen Angaben) oder mit befreiender Wirkung (für die Publizität) einen IAS-Abschluß (Einzelabschluß) zu publizieren, der um Informationen über das zur Ausschüttung verfügbare Kapital (ermittelt auf Grundlage der vorgenannten Einheitsbilanz) zu ergänzen ist. Ein solches Wahlrecht führt dazu, daß nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen nicht gezwungen sind, einen IAS-Einzelabschluß aufzustellen und zu publizieren. Zugleich erhalten kapitalmarktorientierte Unternehmen jedoch die Möglichkeit, einen Einzelabschluß nach IAS zu publizieren und damit bereits den Publizitätspflichten nach der 4. EG-Richtlinie nachzukommen.

3. Unternehmen, die unter die 7. EG-Richtlinie fallen und nicht kapitalmarktorientiert sind, sollten das Wahlrecht erhalten, einen auf Basis der vorgenannten Einheitsbilanz erstellten Konzernabschluß (= bisheriger HGB-Konzernabschluß) oder mit befreiender Wirkung (für Aufstellung und Publizität) einen IAS-Abschluß (Konzernabschluß) zu publizieren.

4. Unternehmen, die unter die 7. EG-Richtlinie fallen und kapitalmarktorientiert sind, müssen wegen der EU-Verordnung den Konzernabschluß nach IAS aufstellen und publizieren. ...

 


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