Dr. Ulrich Prinz,
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Bonn*

Verwirrung in der Praxis: Gilt die Regelung des § 8 a KStG zur Gesellschafterfremdfinanzierung auch für Inlandsgruppen mit rückgriffsgesicherten Auslandsbanken?

I. Aktueller Diskussionsstand

Die Regelung des § 8 a KStG wurde durch das StandOG v. 13.9.1993 mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 1994 zur Sicherstellung der Einmalbelastung von Kapitalgesellschafts-Gewinnen in Deutschland eingeführt. Mittels Nutzung des typisierenden Instrumentariums von safe haven (sog. steuerunschädlichen Eigenkapital-/Fremdkapitalrelationen), die auf dem handelsbilanziellen Eigenkapital zum Ende des vorangegangenen Geschäftsjahres aufbauen), wird der Zinsabzug in Deutschland körperschaftsteuerlich begrenzt; schuldrechtlich vereinbarte Zinsvergütungen werden unter bestimmten Voraussetzungen zwingend in eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) umqualifiziert. Zielgruppe der Rechtsnorm waren (und sind) deutsche Kapitalgesellschaften mit wesentlich beteiligten steuerausländischen Anteilseignern; im Inland sind nur solche Sondergruppen betroffen, bei denen der Zinsertrag in den nicht steuerbaren oder steuerbefreiten Bereich hineinfließt (inländische oder ausländische Nichtanrechnungsberechtigte). Hier liegt das europarechtliche Diskriminierungsproblem des § 8 a KStG (vgl. dazu die Vorlage des FG Münster v. 21.8.2000 – 9 K 1193/00 K, F, FR 2000, 1214 mit Anm. Prinz = GmbHR 2000, 1211 [LS] an den EuGH unter den Aktenzeichen C 324/00).

Die Unternehmenssteuerreform 2001 (konkret das StSenkG v. 23.10.2000) hat nunmehr § 8 a KStG aus "Gegenfinanzierungsgründen" mit Wirkung ab 1.1.2001 inhaltlich deutlich verschärft, in dem die safe haven gänzlich abgeschafft (für sog. hybride Finanzierungen gem. § 8 a Abs. 1 Nr. 1 KStG) oder halbiert (von 1 : 3 auf 1 : 1,5 für operative Unternehmen gem. § 8 a Abs. 1 Nr. 1 KStG), gar gedrittelt (von 1 : 9 auf 1 :- 3 für Holdinggesellschaften gem. § 8 a Abs. 4 KStG) wurden. Daneben mußte die Vorschrift technisch an den Wegfall des körperschaftsteuerlichen Vollanrechnungsverfahrens angepaßt werden. Dazu stellt der Gesetzgeber – im Zuge eines Regel-/Ausnahmeverhältnisses der S. 1 u. 2 in § 8 a Abs. 1 KStG – auf die Berücksichtigung der Vergütung beim Anteilseigner im Rahmen einer inländischen Veranlagung ab. Materielle Änderungen waren damit ausweislich der Gesetzesbegründung ausdrücklich nicht beabsichtigt (vgl. HHR/Prinz, § 8 a KStG Anm. R 4). Die insoweit entstandene "Gesetzespanne" im mißbrauchsbedingten Ergänzungstatbestand des § 8 a Abs. 1 S. 3 KStG, in dem bei der finanzierenden nahe stehenden Person i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG auf die inländische Steuerpflicht der Vergütung, nicht die inländische Veranlagung abgestellt wurde, ist zwischenzeitlich (und zwar rückwirkend) im UntStFG v. 20.12.2001 bereinigt worden. Hybride Finanzierungen über ausländische Schwestergesellschaften (mit abgeltendem inländischen Kapitalertragsteuerabzug, ggf. durch DBA reduziert) sind demzufolge jetzt klar auch von § 8 a KStG erfaßt. Im übrigen sind – jedenfalls nach Auffassung der Finanzverwaltung – Finanzierungen über ausländische nahe stehende Personen seit jeher auch im reinen Inlandskonzern von § 8 a KStG betroffen (so Tz. 19, 24 Nr. 2 des Einführungserlasses zu § 8 a KStG; BMF v. 15.12.1994 – IV B 7 - S 2742a - 63/94, BStBl. I 1995, 25, 176 = GmbHR 1995, 146); dies gilt unabhängig von den ggf. auch eingreifenden Grundsätzen der Hinzurechnungsbesteuerung gem. § 7 ff. AStG. Überhaupt bereitet der Ergänzungstatbestand zu § 8 a KStG in der Praxis z.Zt. mehr Probleme als die eigentliche Grundnorm der Gesellschafterfremdfinanzierung. So weit so gut.

II. Keine ungeplante Verschärfung des § 8 a KStG für Inlandsgruppen

Zwischenzeitlich bereitet die denkbare Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Mißbrauchsregelung des § 8 a Abs. 1 S. 3 KStG auf reine Inlandssachverhalte in der Finanzierungspraxis Sorge. Gedacht ist an folgenden typisierten Fall:

Die deutsche Tochter-GmbH einer inländischen Mutter-AG mit ausschließlich im Inland ansässigen Anteilseigner nimmt wegen günstiger Finanzierungskonditionen ein festverzinsliches Darlehen bei einer ausländischen Bank auf. Die Mutter-AG gewährt der Bank zur Sicherung eine harte Patronatserklärung oder bürgt sogar für ihre Tochter.

Liest man (zunächst unkritisch) den Wortlaut des § 8 a Abs. 1 S. 3 KStG so stellt man fest, daß dort nur auf S.1 verwiesen ist (also nicht auf den Ausnahmefall des im Inland veranlagten Anteilseigner) und zudem die mit einem Rückgriff belegte Person ebenso wie auch der Dritte nicht näher spezifiziert wird. Vom reinen Wortlaut her könnte die vGA-Fiktion des § 8 a KStG also beim o.g. Sachverhalt in ihrer Ausnahmevariante anwendbar sein (so im Ergebnis Freiling/Schmucker, IStR 2001, 98; Timmermans, IStR 2001, 169; Eilers/Sieger/Wienands, Die Finanzierung der GmbH durch ihre Gesellschafter, 2. Aufl. 2001, S.147; Neyer, DStR 2002, 342). Dies würde zu absurden Rechtsfolgen führen (tatsächlicher Zinsaufwand gegenüber der Bank führt zu einer vGA an den Anteilseignern) und erscheint zudem höchst diskriminierungsverdächtig. Denn bei einer zinsempfangenden Inlandsbank ist die deutsche Besteuerung sichergestellt, so daß insoweit (unabhängig vom Wortlaut) gar kein Regelungsbedarf für § 8 a KStG besteht. Hinzu käme ein klar erkennbarer Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach Maßgabe der tatsächlichen Leistungsfähigkeit bei der inländischen Tochter-GmbH.

Denkt man tiefer nach und legt die Rechtsnorm des § 8 a Abs. 1 S. 3 KStG im Gesamtkontext systemkonform aus, so ergibt sich zwingend die gegenteilige Lösung: § 8 a Abs. 1 S. 3 KStG ist im Inlandskonzern mit rückgriffsberechtigter Auslandsbank nicht anwendbar. Zunächst zwei "Gedankenexperimente" dazu: Würde die ausländische Bank die Darlehensgewährung direkt an die Mutter-AG vornehmen, die die Mittel dann unter Erzielung einer eigenen Marge an die Tochter-GmbH weiterreicht, gilt § 8 a Abs. 1 S. 1 u. 2 KStG zutreffenderweise nicht. Es erfolgt gar keine "gewinnabsaugende" Gesellschafterfremdfinanzierung; § 8 a Abs. 1 S. 3 KStG ist als Umgehungsnorm nicht anwendbar. Würde das Darlehen durch die Mutter-AG selbst (aus ihrem Eigenvermögen) zinsbringend an die Tochter-GmbH ausgereicht werden, wäre § 8 a Abs. 1 S. 2 KStG einschlägig, da eine Erfassung der Vergütung durch inländische Veranlagung erfolgt. Safe haven-Begrenzungen spielen insoweit keine Rolle. Das ist auch richtig so, da sich Zinsaufwand und Zinsertrag idealtypisch im Inland ausgleichen und bei fehlender Organschaft sogar bei der Tochter-GmbH noch eine hälftige Dauerschuldzinshinzurechnung für Gewerbesteuerzwecke (§ 8 Nr. 1 GewStG) erfolgt.

Nun zur Systematik: § 8 a Abs. 1 S. 3 KStG erweitert zur Verhinderung von Umgehungsmöglichkeiten den Personenkreis betroffener Fremdkapitalgeber auf Nichtgesellschafter, nämlich rückgriffsberechtigte Dritte und steuerausländische nahe stehende Personen gegenüber dem Grundtatbestand der gesellschafterbezogenen Fremdfinanzierung gem. § 8 a Abs. 1 S. 1 u. 2 KStG. Der Ergänzungstatbestand des § 8 a Abs. 1 S. 3 KStG darf insoweit nicht weiterreichen als der Grundfall einer Direktfinanzierung durch den Anteilseigner. Das Ergebnis dieser Beweisführung deckt sich mit dem der vorangegangenen beiden "Gedankenexperimente". Sofern also eine ausländische Bank Rückgriff nehmen kann auf die inländische Muttergesellschaft, so greift § 8 a Abs. 1 S. 3 KStG zweckentsprechend nicht ein, was auch der Wortlaut der Norm bei "verständiger Auslegung" zuläßt. Diese Rechtsauffassung hat die Finanzverwaltung auch bereits hinsichtlich der Altfassung des § 8 a KStG in Tz. 23 S. 1 des Schr. des BMF v. 15.12.1994 – IV B 7 - S 2742a - 63/94, BStBl. I 1995, 25 = GmbHR 1995, 146 vertreten; denn dort ist eine Rückgriffsberechtigung des Dritten nur dann problematisch, wenn der Anteilseigner nicht anrechnungsberechtigt ist (vgl. dazu auch HHR/Prinz, § 8 a KStG, Anm. 130, 135). § 8 a KStG greift daher insoweit bei inländischen Konzernen nicht ein; die Finanzverwaltung will dies demnächst in einem Erlaß klarstellen. Hinzu kommt, daß die Finanzverwaltung für inländische Bankenfinanzierungen mit Rückgriff auf Steuerausländer noch vor Inkrafttreten der Neuregelung des § 8 a KStG durch das StSenkG v. 23.10.2000 die Weitergeltung von Tz. 23 des Einführungserlasses verfügt hat (vgl. BMF v. 14.12.2000 – IV A 2 - S 2742a - 4/00, BStBl. I 2001, 48 = GmbHR 2001, 123). Demzufolge verzichtet die Finanzverwaltung aus sachlichen Billigkeitsgründen auf die Annahme einer § 8 a-vGA, wenn die inländische Kapitalgesellschaft nachweist, daß die Fremdfinanzierungsvergütung beim rückgriffsberechtigten Dritten im Rahmen der deutschen Besteuerung erfaßt wird und keine "back-to-back-Finanzierung" vorliegt.

III. Ergebnis: Entwarnung für die Praxis notwendig

Die befürchtete Anwendung des § 8 a Abs. 1 S. 3 KStG auf reine Inlandsfälle bei einer Finanzierung durch rückgriffsberechtigte ausländische Kreditinstitute greift nicht. Jede andere Auslegung wäre rechtswidrig im Hinblick auf Sinn und Zweck des § 8 a KStG. Der klarstellende Verwaltungserlaß sollte baldmöglichst erscheinen; inzwischen können sich die Rechtsanwender auf Tz. 24 Nr. 2 des Einführungserlasses des BMF v. 15.12.1994 – IV B 7 - S 2742a - 63/94, BStBl. I 1995, 25 = GmbHR 1995, 146 "berufen". Bei nächster Gelegenheit sollte der Gesetzgeber die Vorschrift im Hinblick auf ihre tatsächliche Zielsetzung (nämlich nur "übermäßige" Fremdfinanzierungen durch veranlagungslose Anteilseigner einzuschränken) präzisieren; dies wird allerdings voraussichtlich nicht vor der Entscheidung des EuGH zum europarechtlichen "Diskriminierungsverdacht" des § 8 a KStG geschehen.

 

* Sozietät Flick Gocke Schaumburg.

 


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