Peter M. Wiesner,
Rechtsanwalt, Brüssel

Die tradierte Register-Publizität wird entrümpelt

Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir in Deutschland ein Versäumnis nachholen, das in einigen unserer Nachbarländer wie Österreich oder die Niederlande längst Standard ist. Mit dem im Mai eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation (ERJuKoG) sollen in Deutschland die gesetzlichen Grundlagen für elektronische Handelsregister gelegt werden. Bis es tatsächlich so weit ist, werden allerdings noch Jahre vergehen. Zwar sollen das Gesetz und eine begleitende Verordnung noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Niemand wagt aber eine Prognose, bis wann die nötige Software fehlerfrei arbeitet und die 426 betroffenen Amtsgerichte ihre Datenbestände der 1,8 Mio. Unternehmen digitalisiert haben.

Spätestens bis 2005 müßte das System eigentlich stehen. Dann soll nach den Vorstellungen der EU-Kommission auch europaweit ein grenzüberschreitendes Netz elektronischer Handelsregister zur Verfügung stehen, das den Marktteilnehmern den Zugang und den Abruf der dort angelegten Daten ermöglicht. An Initiativen dazu fehlt es nicht. Alle lassen sich von dem richtigen Gedanken leiten, die tradierten Publizitätsregeln zu entrümpeln und moderne Kommunikationsmittel zu nutzen.

Online-Zugriff für jedermann ...

Mit dem ERJuKoG wird das in § 9 a HGB vorgesehene Verbot mit Genehmigungsvorbehalt auf ein System der generellen Abruf-Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt umgestellt. Jeder hat also einen Online-Zugriff, kann aber bei mißbräuchlicher Nutzung ausgeschlossen werden. Allerdings wird der elektronische Zugang auf die in § 9 Abs. 1 genannten eigentlichen Handelsregistereintragungen beschränkt. Die nach § 9 Abs. 2 HGB zum Handelsregister eingereichten Schriftstücke wie etwa Jahresabschlüsse, Unternehmensverträge oder Satzungen sollen wie bisher nur auf traditionellem Wege beim Registergericht eingesehen werden können.

... auch für eingereichte Unterlagen?

Das geht dem Bundesrat nicht weit genug. In einer ersten Stellungnahme setzt er sich dafür ein, daß auch diese Schriftstücke elektronisch abgerufen werden können.

Gerade hat sich auch die von der Bundesregierung eingesetzte Corporate-Governance-Kommission (Volltext; dazu Kallmeyer, GmbHR 2001, R 285) für ein einheitliches Zugangsportal ("Deutsches Unternehmensregister") ausgesprochen, mit dem der Zugriff zum Handelsregister, den Bundesanzeigerbekanntmachungen und der Beteiligungsdatenbank des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel eröffnet werden soll. Die in § 10 und § 11 HGB für Handelsregisterveröffentlichungen vorgesehene Beschränkung auf Printmedien soll aufgegeben werden. Der Registerrichter soll also künftig auch die bloße elektronische Veröffentlichung vorschreiben können, wenn sie von ausreichender Dauer ist. Das ist vernünftig und erspart erhebliche Kosten, auch wenn es den Zeitungs-Verlagen nicht gefallen wird. Auch der nach § 325 HGB einzureichende Jahresabschluß soll in für das Registergericht lesbaren elektronischen Form übermittelt werden können.

Ebenso wie der Bundesrat hält es auch die Regierungskommission Corporate Governance für richtig, daß die nach § 9 Abs. 2 HGB eingereichten Unterlagen digital abgerufen werden können. Eine Beschränkung sei unter Publizitätsgesichtspunkten nicht gerechtfertigt, und die elektronische Abfrage würde erheblich entwertet. Datenschutzrechtlich spreche nichts dagegen.

Trotzdem, der von der Bundesregierung empfohlene vorsichtige Ansatz hat vieles für sich. Für mittelständische Unternehmer sind Unterlagen wie Bilanzen oft immer noch sensible Daten. Sie fürchten großflächige Branchenanalysen und ihre Identifizierung als potenzielle Übernahmekandidaten. Auch eine latente Angst vor Straftaten sollte ernst genommen werden. Es wäre deshalb zu überlegen, den elektronischen Zugriff auf die sonstigen Schriftstücke auf börsennotierte Gesellschaften zu beschränken. Technisch sollte das kein Problem sein.

Verbesserung der Transparenz börsennotierter Gesellschaften

Auf Brüsseler Ebene hat die Europäische Kommission jetzt eine Konsultationsrunde über eine Verbesserung der Transparenzregeln für börsennotierte Gesellschaften eröffnet. Die in das Internet gestellte Befragung steht im Zusammenhang mit den in Lissabon beschlossenen Plänen zur Schaffung eines einheitlichen EU-Finanzmarkts. Bis Ende September können sich die interessierten Kreise zu Fragen der Zwischenberichte, der ad-hoc-Publizität oder der behördlichen Aufsicht äußern. Zur Publizität ist die Kommission der Auffassung, daß die derzeit noch geltenden Vorschriften zur Veröffentlichung in einer oder mehreren Publikationsorganen im Zeitalter des Internets überholt seien. Periodische und laufende Informationen -- also auch Jahres- und Zwischenabschlüsse -- müßten im Internet zugänglich sein.

Kommissionsvorschlag für Änderung der 1. EU-Richtlinie

Im Herbst wird die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Änderung der 1. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie zur Registerpublizität vorlegen. Sie greift damit Vorschläge einer Gruppe unabhängiger Experten aus dem Jahre 1999 auf, die im Rahmen der sog. SLIM-Initative ("Simpler Legislation in the Internal Market") schon im Sommer 1999 Vorschläge zur Deregulierung der 1. und 2. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie vorgelegt hatte. Danach sollen die Mitgliedstaaten ab 1.1.2005 ein elektronisches Handelsregister einführen und die Möglichkeit zur elektronischen Registrierung, Veröffentlichung und Abruf von Dokumenten vorsehen; als Sprache(n) soll(en) die des Herkunftslandes verwendet werden, die Mitgliedstaaten können weitere Sprache(n) zulassen.

Die Regierungssachverständigen der Mitgliedstaaten haben dem Entwurfstext des Richtlinienvorschlags bereits zugestimmt, so daß im Ministerrat mit einer zügigen Verabschiedung zu rechnen ist. Auch im Europäischen Parlament sind kaum Widerstände gegen die technischen Publizitätserleichterungen zu erwarten, so daß die Richtlinie schon nach 1. Lesung im nächsten Jahr verabschiedet werden könnte. Das anvisierte Datum für das Inkrafttreten hat schon fast magische Bedeutung. Im Jahre 2005 läuft die Möglichkeit nach §292a HGB für die Erstellung eines befreienden Konzernabschlusses nach IAS oder US-GAAP aus. Die IASB-Standards werden für börsennotierte Gesellschaften zur Pflicht und der einheitliche Wertpapier- und Finanzmarkt soll in der EU verwirklicht sein.

Entrümpelung der 11. EU-Richtlinie?

Entrümpelungsbedürftig ist auch die 11. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie über die Offenlegung von Zweigniederlassungen. Die SLIM-Gruppe hatte auch vorgeschlagen, die schon bei ihrer Verabschiedung im Jahre 1989 umstrittene 11. Richtlinie stark zu vereinfachen. Die durch sie ausgelösten bürokratischen und kostenmäßigen Belastungen wurden zu Recht als nicht mehr zeitgemäß angesehen. In einem europäischen Binnenmarkt ist es den Beteiligten zuzumuten, die nötigen Informationen und Unterlagen am Ort der Hauptniederlassung zu beschaffen. Eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat sollte deshalb keine zusätzlichen Hinterlegungspflichten im Aufnahmestaat -- wie in der 11. Richtlinie vorgeschrieben -- bewirken, wenn die einschlägigen Angaben nach Schaffung des europäischen Datennetzes im Sitzland -- dann auch in der(n) Sprache(n) des Aufnahmestaates der Zweigniederlassung -- bereits vorliegen. Indessen zeigen die Mitgliedstaaten derzeit keine Bereitschaft, solche naheliegenden Gedanken in die Tat umzusetzen. Es bleibt zu hoffen, daß die Pläne doch noch verwirklicht werden, sobald das Datensystem technisch realisiert ist.

 

 

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