Eike H. Fietz,        
Rechtsanwalt, München

 

Die Europäische Privatgesellschaft (EPG) -- wird sie kommen?

Endlich ist es soweit -- die EU-Kommission hat im Interesse kleiner und mittlerer Unternehmen die Arbeit an der Entwicklung einer ernsthaften Alternative zur GmbH und den weiteren Spielarten der ausländischen Kapitalgesellschaft & Co. aufgenommen: die "Europäische Privatgesellschaft" (EPG).

Damit soll kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Europa eine Unternehmensform angeboten werden, die ihnen eine grenzüberschreitende Tätigkeit erleichtert und ihre Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Nach den bisher bekannten Gestaltungsvorschlägen könnte die EPG als eine tendenziell von einem kleineren Gesellschafterkreis gehaltene, nicht börsennotierte Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit und beschränkter Haftung für ihre Gesellschafter gestaltet werden, die Elemente vereint, die aus anderen Rechtsordnungen bekannt sind. Insbesondere liegt der Vergleich mit der deutschen GmbH und der englischen Limited nahe.

I. Vorgeschichte

Zwar wird die Idee der EPG -- u.a. unter maßgeblicher Beteiligung von Hommelhoff und Helms (als Beispiel für viele Beiträge sei nur Hommelhoff/Helms, GmbHR 1999, 53 ff. genannt) -- seit längerem diskutiert. Es geschah jedoch wenig, um den Prozess unmittelbar voranzutreiben.

Die Europäische Kommission beauftragte 2001 infolge des Aktionsplans "Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union" eine von Jaap Winter geführte Hochrangige Expertengruppe damit, auch die etwaige Notwendigkeit neuer Rechtsformen, z.B. der EPG, zu untersuchen, deren Ergebnisse am 4.11.2002 vorgelegt wurden (dazu Wiesner , GmbHR 2002, R 457).

Erst am 1.2.2007 hat das Europäische Parlament nun, maßgeblich initiiert vom Düsseldorfer EU-Abgeordneten Klaus-Heiner Lehne, die Kommission aufgefordert, ihm im Laufe des Jahres 2007 einen Legislativvorschlag für ein Statut der zukünftigen EPG vorzulegen, und Vorgaben für dessen Ausgestaltung gemacht (Entschließung des Europäischen Parlaments 2006/2013(INI), P6_TA-PROV(2007)0023). Aufgrund dieses -- bislang selten genutzten -- Instruments, ist die EU-Kommission nun tatsächlich zum Tätigwerden angehalten. Für EU-Binnenmarktkommissar Charlie McGreevy gehörte die EPG bis dato offenbar nur in die zweite Reihe seiner Prioritätenliste.

Inzwischen läuft das weitere Verfahren. In Befürchtung einer weiteren Verzögerungstaktik der Kommission hatte Lehne der Kommission auf der 5. EU-Gesellschaftsrechtskonferenz am 28.6.2007 in Berlin offen mit rechtlichen Schritten gedroht. Am 19.7.2007 begann diese aber mit einer bis zum 31.10.2007 laufenden Konsultation herauszufinden, wo bisher noch Hindernisse für KMU bei grenzüberschreitenden Geschäften bestehen und wie das geplante Statut der EPG inhaltlich beschaffen sein sollte (dazu Becker, GmbHR 2007, R 250). In einer Rede vor dem Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments am 3.10.2007 kündigte McCreevy nun bereits einen Legislativvorschlag seines Hauses für Mitte 2008 an.

II. Vorgaben für die Ausgestaltung der EPG

Nach den Vorstellungen des Europäischen Parlaments, die im Anhang der Entschließung vom 1.2.2007 niedergelegt sind, soll die EPG wie folgt aussehen:

  1. Das Statut der EPG soll weitestgehend gemeinschaftsrechtliche Regelungen enthalten und auf Verweise auf nationales Recht verzichten. Es soll insbesondere die Rechtsnatur, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die unterschiedlichen Stadien von Gründung bis Auflösung, die Firma, die Organisationsverfassung, die Vertretungsmacht der Organe, den Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft und die mit ihr verbundenen Rechte und Pflichten, Haftungs- und Haftungsdurchgriffsfragen regeln sowie Mindeststandards zu den Pflichten der Geschäftsführung gegenüber der Gesellschaft enthalten. Außerdem soll das Statut eine Reihe dispositiver Regelungen enthalten. Nur in den wenigen verbleibenden Bereichen soll nationales Recht subsidiär Anwendung finden.

  2. Eine EPG soll neu, ausgehend von einer bestehenden Gesellschaft, infolge einer Verschmelzung von Gesellschaften oder im Rahmen einer gemeinsamen Tochtergesellschaft gegründet werden können.

  3. Das Stammkapital der EPG soll in einzelne, auf einen vollen Euro lautende Geschäftsanteile aufgeteilt sein und insgesamt mindestens 10.000 € (bzw. den Gegenwert in anderer Währung) betragen. Es muss nicht notwendig eingezahlt werden und bestimmt den Haftungsumfang der Gesellschafter.

  4. Eine EPG soll mindestens einen Geschäftsführer haben.

  5. Der Gesellschaftsvertrag soll bestimmte Mindestangaben, wie Rechtsform und Firma, Dauer der Gesellschaft, Unternehmensgegenstand, Satzungssitz, Gesellschaftskapital und Vertretungsorgane sowie Stammeinlage der Gesellschafter, enthalten.

  6. Die Haftung der Organe der EPG, ihrer Gesellschafter, diesen nahe stehender Personen und dritter Leistungsempfänger für Verstöße gegen zivil- und strafrechtliche Vorschriften soll als, ggf. gesamtschuldnerische, persönliche Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft geregelt werden soll.

  7. Es soll ferner eine gesamtschuldnerische Innenhaftung der Gesellschaftsorgane für Vermögensminderungen der EPG geben, die zugunsten von Organen, Gesellschaftern oder ihnen nahe stehenden Dritten bewirkt werden.

  8. Des Weiteren soll die Verordnung über das Statut der EPG Anhänge, z.B. unverbindliche Mustergesellschaftsverträge, enthalten, die die europaweite Handhabbarkeit erleichtern.

  9. Die EPG soll den harmonisierten Rechnungslegungsvorschriften (Richtlinien 78/660/EWG(1) und 83/349/EWG(2)) unterliegen.

  10. Die EPG soll in Grenzen umgewandelt werden können sowie die Möglichkeit zur Sitzverlegung haben. Die Umwandlung aus nationalen Gesellschaftsformen soll unter Beibehaltung der Arbeitnehmerrechte ermöglicht werden.

  11. Die Geschäftsführer einer EPG sollen verpflichtet werden, bei Vorliegen eines Insolvenztatbestands ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber nach drei Wochen, die Einleitung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen. Im Fall des Verstoßes droht die unmittelbare (Außen-)Haftung gegenüber Gläubigern. Im Übrigen soll die EPG bezüglich ihrer Liquidation und vergleichbarer Vorgänge den Vorschriften unterliegen, die auf die Gesellschaften Anwendung finden, denen sie in jedem Mitgliedstaat durch diese Verordnung gleichgestellt wird. Insbesondere das maßgebliche Insolvenzrecht soll an den Verwaltungssitz anknüpfen.

III. Alternativen: Die SE? Die Limited?

Zwar existiert bereits seit Ende 2004 die SE als Rechtsform, jedoch ist diese lediglich für wenige große Unternehmen interessant geworden. Für KMU erscheint sie -- obwohl im Einzelfall auch bei diesen anzutreffen -- gänzlich ungeeignet. Ihr Normgefüge ist bei überaus hoher Regelungskomplexität durch umfangreiche Verweise ins nationale Recht geprägt. Dieser Fehler soll bei der EPG nun vermieden werden.

Für viele deutsche Unternehmen ist derzeit vor allem auch die Limited aufgrund der geringen Kapitalbereitstellungserfordernisse bei Gründung attraktiv und hat daher mittlerweile zumindest bei Kleinstunternehmern substantielle Verbreitung erfahren (s. Westhoff, GmbHR 2007, 474 ff.). Diesem Bedürfnis würde die EPG entgegenkommen, ohne jedoch die Nachteile der Limited (hoher Unterhaltungsaufwand und Rechtsunsicherheit aufgrund der Publizitäts- und Rechnungslegungserfordernisse in Großbritannien) mit sich zu bringen.

Einige der Vorteile, die die EPG aus Sicht der Befürworter haben soll, werden bald jedoch auch vermutlich der GmbH eigen sein. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) werden voraussichtlich viele mit der Kapitalaufbringung und -erhaltung verbundenen Probleme des Gläubigerschutzes (Höhe des Mindeststammkapitals, verdeckte Sacheinlagen, Ausschüttung und Upstream-Finanzierung, Eigenkapitalersatzrecht etc.) weniger schwer wiegen als bisher, ohne jedoch völlig behoben zu sein.

Gegenüber der GmbH scheint sich die Limited in Europa eines deutlich höheren Bekanntheits- und Akzeptanzgrads zu erfreuen. Beiden gemeinsam ist, dass weder die eine, noch die andere bislang als gemeinsame europäische Lösung EU-weit akzeptiert sind. Wesentlicher Grund für die Erforderlichkeit der Einführung der EPG ist jedoch das Bedürfnis der KMU, einen verlässlichen Rechtsrahmen mit europaweiter positiver Reputation zu haben.

IV. Fazit

Nach einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertages können sich 80 % der befragten Unternehmen vorstellen, eines Tages mit der EPG an den Markt zu gehen. Bereits 2002 hatten 95 % der befragten Unternehmen in einer Umfrage des VDMA erklärt, sie hätten die Absicht, neue Tochtergesellschaften als EPG zu gründen. Denn die EPG kommt den Bedürfnissen der Unternehmen nach Internationalisierung in erheblichem Maße nach. Insbesondere würde sie es ihnen ermöglichen, von der Gründung verschiedener ausländischer Tochtergesellschaften nach dem jeweils nationalen Recht abzusehen, ihre internen Verwaltungsstrukturen zu verschlanken und Kosten für umfangreichen Beratungsbedarf bei ausländischen Gesellschaftsformen zu sparen.

Die mit dem einheitlichen Statut verbundenen Vorteile für das Beteiligungsmanagement dürfte die EPG auch als Rechtsform für Konzerngesellschaften in Europa tätiger Großunternehmen attraktiv machen.

Deutschen Unternehmen wird die EPG erstaunlich bekannt vorkommen, da das EPG-Statut in vielen Punkten erhebliche Ähnlichkeit zum gegenwärtigen bzw. in Folge des MoMiG demnächst reformierten GmbH-Recht aufweist.

Im nun anstehenden Legislativprozess wird auch die deutsche Mitbestimmung wieder darauf pochen, angemessen berücksichtigt zu werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Regelungen für die Arbeitnehmerbeteiligung nicht so kompliziert gestaltet werden wie bei der SE. Dann wären nur noch Europa und der deutsche Gesetzgeber aufgefordert, zügig die erforderlichen steuerlichen Begleitvorschriften zu erlassen, um ein ähnliches Drama wie anlässlich der SE-Einführung zu vermeiden. Nachdem die Vorarbeiten durch das SEStEG bereits geleistet sind, sollte dies eigentlich keine größeren Probleme verursachen.




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