FG Münster v. 18.5.2022, 10 K 261/17 K,U

Keine Hinzuschätzungen bei einer GmbH wegen unklarer Mittelherkunft bei ihrem Gesellschafter

Verdeckte Bareinlagen führen nicht allein deshalb zu Hinzuschätzungen von Betriebseinnahmen bei einer Kapitalgesellschaft, weil die Mittelherkunft beim Gesellschafter nicht aufklärbar ist. Diese Frage ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt, ist jedoch nach Auffassung des Senats klärungsbedürftig.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH. Sie betrieb in den Streitjahren 2009 bis 2012 einen Großhandel und tätigte hierbei auch Barumsätze. Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte das Finanzamt zum einen Aufzeichnungsmängel bei der Führung der offenen Ladenkasse der Klägerin fest. Zum anderen hatte der Alleingesellschafter Bareinlagen in die Kasse getätigt. Diese stammten nach dessen eigenen Angaben aus ihm persönlich gewährten Darlehen von verschiedenen Darlehensgebern und aus im Privatvermögen vorhandenen Barrücklagen aus nicht versteuerten Silberverkäufen in den neunziger Jahren.

Die Betriebsprüfung führte unter Auswertung der privaten Konten des Alleingesellschafters und seiner Ehefrau Bargeldverkehrsrechnungen durch, die auch die Finanzierung privater Reihenhäuser berücksichtigte. Diese führten zu Höchstfehlbeträgen, die das Finanzamt als Mehreinnahmen der Klägerin und zugleich als verdeckte Gewinnausschüttungen an den Alleingesellschafter behandelte.

Die Klägerin wehrte sich gegen die Hinzuschätzungen. Das FG gab der Klage teilweise statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Die Schätzungen des Finanzamtes für die Streitjahre 2009, 2010 und 2012 sind der Höhe nach rechtswidrig. Dagegen ist das Ergebnis der Schätzung für das Streitjahr 2011 nicht zu beanstanden.

Die beim Gesellschafter durchgeführten Bargeldverkehrsrechnungen begründeten keine Schätzungsbefugnis auf Ebene der GmbH. Grundsätzlich ist eine Bargeldverkehrsrechnung zwar eine geeignete Verprobungsmethode. Hieraus kann aber nicht zwangsläufig die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine Kapitalgesellschaft bei ungeklärten Vermögenszuwächsen ihres Gesellschafters nicht erfasste Betriebseinnahmen erzielt hat.

Selbst wenn man unterstellt, dass die ungeklärten Vermögenszuwächse durch betriebliche Aktivitäten erzielt worden waren, ist es ebenso gut möglich, dass der Gesellschafter die Einnahmen im Rahmen von Eigengeschäften erzielt hat und nicht im Namen und auf Rechnung der Gesellschaft. Aus dem Umstand, dass der Gesellschafter die Herkunft der bei ihm festgestellten ungeklärten Vermögenszuwächse nicht aufklärt, kann keine nachteiligen Schlüsse für die Kapitalgesellschaft gezogen werden. Auch aus der durch die verdeckten Einlagen hergestellten Verbindung zur Klägerin kann nicht gefolgert werden, dass diese selbst weitere Betriebseinnahmen erzielt hat.

Allerdings hat dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis wegen der nicht ordnungsgemäßen Kassenführung bestanden. Die Hinzuschätzungen war allerdings auf einen (Un-)Sicherheitszuschlag i.H.v. 1,5 % der von der Klägerin getätigten Gesamtumsätze, nicht nur der Barumsätze, zu begrenzen. Die Ergebnisse der Bargeldverkehrsrechnungen waren nicht in die Berechnung der Hinzuschätzungen einzubeziehen.

Der Senat hat den Streitfall auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung entschieden, dass die in der BFH-Rechtsprechung (Urteil in BFH/NV 2003, 1221; BFH, Beschluss in BFH/NV 2003, 1450) aufgestellten Grundsätze auch dann gelten, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft aus seinem Privatbereich herrührende Geldmittel im Wege von verdeckten Einlagen in die Kapitalgesellschaft geleistet hat und die Herkunft der Geldmittel bei ihm – dem Gesellschafter-Geschäftsführer – nicht aufklärbar ist. Der Senat geht für diesen Fall davon aus, dass daraus, dass nicht aufgeklärt wird, woher der Gesellschafter-Geschäftsführer die Mittel erhalten hat, regelmäßig nicht gefolgert werden kann, dass die Kapitalgesellschaft zusätzliche Betriebseinnahmen in Höhe der verdeckten Einlagen erzielt hat. Vielmehr sind regelmäßig nur Schlussfolgerungen betreffend den Gesellschafter-Geschäftsführer selbst und die von ihm erzielten Einkünfte möglich. Diese Frage ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt, ist jedoch nach Auffassung des Senats klärungsbedürftig.

Mehr zum Thema:

Aktionsmodul Steuerrecht
Mit dem Aktionsmodul stehen dem umfassend tätigen Steuerrechtspraktiker fünf Beratermodule zur Verfügung. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet das Aktionsmodul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat - 4 Wochen gratis nutzen!



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.08.2022 12:42
Quelle: FG Münster - Pressemitteilung Nr. 16/2022 v. 15.8.2022

zurück zur vorherigen Seite