Stephan Stieb

Rechtsanwalt, Bonn/Estoril

Jetzt auch Register-Gebühren europaweit auf dem Prüfstand !

Mit Urt. v. 26.9.2000 - Rs. C-134/99 GmbHR 2000, 1155 - in diesem Heft, hat der EuGH entschieden, daß Gebühren für die Eintragung einer Kapitalerhöhung bei einer Kapitalgesellschaft in ein nationales Register für juristische Personen zumindestens dann eine unzulässige Steuer i.S. der Richtlinie 69/335/EWG v. 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital i.d.F. der Richtlinie 85/3038/EWG des Rates v. 10.7.1985 darstellen, wenn die Gebühren proportional zu dem gezeichneten Kapital und ohne Obergrenze erhoben werden. Diese sog. Gesellschaftsteuerrichtlinie hat die Harmonisierung der Steuern bei Kapitalgesellschaften zur Förderung eines freien Kapitalverkehrs innerhalb der EU zum Ziel. Danach darf eine Steuer auf die "Ansammlung von Kapital" in den Mitgliedstaaten nur einmal erhoben werden.

Registergebühren ohne Kappungsgrenze als indirekte Steuern

Dem Urteil liegt der Sachverhalt zugrunde, daß die portugiesische Immobilien-Investmentgesellschaft IGI - Investimentos Imobiliários S.A. - die Erhöhung ihres Gesellschaftskapitals in das nationale Register für juristische Personen (RNPC) eintragen ließ. Die dafür zu zahlende Gebühr belief sich auf 12,5 Mio port. Escudos (PTE) bzw. 122.000 DM. Das RNPC ist eine Behörde und Abteilung des Justizministeriums. Neben den Notar- und Handelsregistergebühren nach erfolgter Beurkundung der Gründung und Eintragung im Handelsregister werden zusätzlich Gebühren für das RNPC fällig, das in einem nicht öffentlich zugängigen Register die Gründung und gewisse Änderungen eines Gesellschaftsvertrags registriert. Die endgülige Registrierung einer Gesellschaft wird seitens des RNPC durch die Ausgabe eines Unternehmensausweises bestätigt. Der Ausweis enthält neben der Firma Angaben über den Kreis, in dem die Gesellschaft sitzt, wann sie gegründet wurde sowie die Unternehmensnummer, die in Portugal gleichzeitig die Steuernummer, einschließlich die MwSt.-Identnummer darstellt. Die Gebühr beträgt ca. 0,5 % auf das gezeichnete bzw. erhöhte Kapital.

IGI S.A. gehört ebenso wie MODELO SGPS S.A. und MODELO Continente SGPS S.A. zu dem großen und einflußreichen SONAE-Konzern. Man hat eine konzerninterne Umstrukturierung, die bei mehreren Gesellschaften erhebliche Kapitalerhöhungen zur Folge hatten, genutzt, um die Gebühren der portugiesischen Notare und Register auf den Prüfstand zu stellen. In dem Urt. des EuGH v. 29.9.1999 - Rs. C-56/98, GmbHR 1999, 1205 -MODELO I; vgl. auch Stieb, GmbHR 1999, R 365 f.) wurde festgestellt, daß Gebühren der portugiesischen Notare für den Fall, daß sie keine Kappungsgrenze vorsehen, gegen die Gesellschaftsteuerrichtlinie verstoßen und somit unzulässig sind. Nachdem der EuGH bei MODELO I dem Kläger Recht gegeben hatte, war damit zu rechnen, daß nun auch die Gebührenpolitik des RNPC, die immer schon als investitionshemmend kritisiert wurde (vgl. Stieb, GmbHR 1999, R 365 f.), auf den europarechtlichen Prüfstand gestellt wurde. Das Urt. des EuGH v. 21.9.2000 - Rs. C-19/99, MODELO II bestätigt die zu MODELO I entwickelten Grundsätze und damit den europarechtswidrigen Steuercharakter der Notar- bzw. Registergebühren. Darüber hinaus hat es die Tatsache bekräftigt, daß sich ein einzelner in den Fällen, in denen Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich hinreichend genau sind, vor dem nationalen Gericht gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen kann, wenn der Staat die Richtlinie nicht zeitgerecht oder ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt hat. Mit den Urteilen MODELO I, MODELO II und nun IGI hat der SONAE-Konzern die gesamte Gebührenpolitik des portugiesischen Staates auf den Kopf gestellt und den Staat zur einer Festlegung neuer Gebührengrundsätze gezwungen. Im November 1998 hat das Justizministerium die Gebührentabellen der Notare, Handelsregister und des RNPC an die Rechtsprechung des EuGH angepaßt und in allen Fällen zumindestens eine Ober- bzw. Kappungsgrenze eingeführt (vgl. Erl. Nr. 996/98 v. 25.11.1998). Sie liegen nun bei 10 bzw 15 Mio. PTE (97.560 bzw. 146.340 DM).

Abgaben mit Gebührencharakter müssen aufwandorientiert berechnet werden

Ob die nun revidierten Gebühren wirklich den Vorstellungen des EuGH entsprechen, bleibt abzuwarten. Schon im Jahr 1997 hat der EuGH in der Rechtssache der dänischen Gesellschaft FANTASK (EuGH v. 2.12.1997 - Rs. C-188/95, EuZW 1998, 172 ff.) entschieden, daß Abgaben mit Gebührencharakter, also Abgaben, die entsprechend Art.12 der Gesellschaftsteuerrichtlinie ausnahmsweise zulässig sind, aufwandorientiert berechnet werden müssen. In Fällen der unmöglichen oder schwierigen Ermittlung der wahren Kosten sei eine Pauschalierung bei der Kostenbemessung zulässig. Bei der Bemessung der Abgaben mit Gebührencharakter kann ein Mitgliedstaat nicht nur die Sach- und Lohnkosten berücksichtigen, die unmittelbar mit der Durchführung von Eintragungen, für die sie die Gegenleistung darstellen, verbunden sind, sondern auch den auf diese Vorgänge entfallenden Teil der allgemeinen Verwaltungskosten. Im Jahr 1998 hat der EuGH Beurkundungsgebühren in Spanien für unzulässig erklärt (EuGH v. 5.3.1998 - Rs. C-347/96). Hier richtete sich die Klage gegen die Erhebung einer Steuer i.H.v. 0,5 % auf eine Beurkundung der Einbringung eines nach der Gründung einer Kapitalgesellschaft gezahlten Teils des Gesellschaftskapitals, da bei der Gründung dieser Gesellschaft bereits eine Steuer von 1 % (!) auf den Nominalwert des vollständigen Gesellschaftskapitals entrichtet worden ist. In der vorliegenden Rechtsache IGI bestätigt der EuGH den Grundsatz der aufwandadäquaten Gebührenbemessung und führt aus, daß ein Mitgliedstaat auf der Grundlage der durchschnittlichen voraussichtlichen Eintragungskosten Einheitsabgaben für die Durchführung der Eintragungsförmlichkeiten für Kapitalgesellschaften im voraus festsetzen kann. Wenn man derartige Grundsätze an die jetzt in Portugal gültigen Gebührentabellen anwendet, dürfte die nächste Klage absehbar sein, denn trotz eingeführter Obergrenze stehen die Gebühren des RNPC immer noch in keinem Verhältnis zu "der Komplexität einer erbrachten Leistung und der Bedeutung des gezeichneten Kapitals" (EuGH v. 26.9.2000 - Rs. C-134/99, GmbHR 2000, 1155 [1158], Rn. 31). Es ist den Staaten in der EU anzuraten, ihre Gebührenpolitik an den Grundsätzen der Rechtsprechung des EuGH zu überprüfen. Das OLG Köln hat inzwischen entschieden, daß die Grundsätze der aufwandsorientierten Gebührenpolitik auch im Fall der Eintragung einer Prokura ins Handelsregister anzuwenden sind (vgl. OLG Köln v. 6.12.1999 - 2 Wx 26/99, OLGR Köln 2000, 230) und daher die bisherigen Gebühren für die Eintragung einer Prokura europarechtswidrig sind.

Anwendung dieser Grundsätze auf Kapitalgesellschaften

Die Rechtsprechung zu der den wahren Aufwand deckenden Gebührenpolitik findet auf die AG, KGaA und die GmbH direkte Anwendung, da entsprechend Art. 3 der Gesellschaftsteuerrichtlinie die Kapitalgesellschaften i.S. der Richtlinie aufgeführt sind. Für die Anwendung der Richtlinie auf die GmbH & Co. KG spricht, daß die GmbH & Co. KG kapitalverkehrsteuerpflichtig ist. Die GmbH & Co. KG ist als eine den Kapitalgesellschaften gleichgestellte Gesellschaft zu betrachten. Daß der Grundsatz der kostendeckenden Gebühren bei Personengesellschaften (OHG und KG) nicht gelten soll, macht keinen Sinn. Tatsache ist jedoch, daß sich die Gesellschaftsteuerrichtlinie nicht auf Personengesellschaften bezieht. Ein rasches Überdenken der Gebührenpolitik ist allen Staaten innerhalb der EU zu empfehlen. In der Rechtssache IGI hat der EuGH auch klargestellt, daß ein nationales Gericht bei der Feststellung, daß die erhobenen Gebühren als unter das Verbot des Art. 10 der Richtlinie fallen, grundsätzlich die Rückzahlung der unter Verstoß gegen diese Bestimmungen erhobenen Beträge anordnen muß.

Auswirkungen auf badische Notare?

Nach Einschätzung der Bundesnotarkammer im September 1999 bleibt die Rechtsprechung des EuGH zu MODELO I und MODELO II ohne Auswirkung auf die Beurkundungsgebühren von selbständigen deutschen Notaren. Anders sieht die Sachlage bei den staatlichen Notaren in Baden-Württemberg aus (vgl. Stieb, GmbHR 1999, R 366). Die Notare im Landesteil Baden sind Beamte mit denselben Rechten und Pflichten wie sie bei anderen Beamten bestehen. Ihre Bezüge setzen sich aus einem festen Betrag, der nach denselben Kriterien wie bei allen Beamten und Richtern festgesetzt wird, und einem veränderlichen Teil, der einen Anteil an den erhobenen Gebühren darstellt. Die Notargebühren werden direkt zur Landeskasse des Landes Baden-Württemberg erhoben. Sie werden im Landeshaushalt wie Steuern behandelt. Im Gegensatz zu den portugiesischen Notaren haften die badischen Notar nicht primär persönlich im Fall von Amtspflichtverletzungen, sondern das Land Baden-Württemberg. Nur bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz kann Rückgriff beim Notar genommen werden. Aus diesen Gründen hat das AmtsG Mülheim/Baden mit Beschl. v. 20.6.2000 - UR II 42/99, (Volltext), den EuGH um eine Vorabentscheidung angerufen, um zu klären, ob die Gebühren für Beurkundungen und Beglaubigungen der Notare im Landesdienst des Landes Baden-Württemberg von dem Verbot des Art. 10 der Gesellschaftsteuerrichtlinie erfaßt werden. Das AG Mülheim/Baden läßt prüfen, ob die Gebühren nur nach den konkreten Aufwendungen der Notare für die jeweilige Dienstleistung erhoben werden dürfen. Zu Recht entbindet die Tatsache alleine, daß die badische Gebührenordnung eine Höchstgrenze der Gebühren vorsieht (30.200 DM zzgl. MwSt.), nicht von einer kritischen Überprüfung. Denn, so das Argument in der Erinnerung des Kostenschuldners, mit irgendeiner Deckelung der Gebühren durch eine Höchstgebühr, sei sie noch so hoch, könne die Richtlinie unterlaufen werden. Dieses Argument findet auch seine Berechtigung in der nun geltenden portugiesischen Gebührenordnung, denn eine Deckelung mit einer Höchstgebühr von fast 150.000 DM hat immer noch wenig mit aufwandsbezogener Gebührenberechnung zu tun. Nach MODELO I und II ist damit zu rechnen, daß der EuGH die Gebührenordnung der badener Notare für europarechtswidrig erklärt.
 
 
 

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