BGH 7.3.2013, IX ZR 7/12

Zur Anfechtung von fortlaufenden Gesellschafterdarlehen zur Vorfinanzierung der von der Gesellschaft abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge

Gewährt ein Gesellschafter seiner Gesellschaft fortlaufend zur Vorfinanzierung der von ihr abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge Kredite, die in der Art eines Kontokorrentkredits jeweils vor Erhalt des Nachfolgedarlehens mit Hilfe öffentlicher Beihilfen abgelöst werden, ist die Anfechtung wie bei einem Kontokorrentkredit auf die Verringerung des Schuldsaldos im Anfechtungszeitraum beschränkt.

Der Sachverhalt:
Die beklagte Stadt ist Alleingesellschafterin der Schuldnerin, einer GmbH. Diese war zur Beschäftigungsförderung innerhalb des Stadtgebiets und seiner Umgebung tätig. Auf einen Antrag der Schuldnerin von Dezember 2009 eröffnete das AG am 1.3.2010 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Die Beklagte hatte der Schuldnerin am 10.12.2008 ein Darlehen von 17.000 € gewährt, welches am 11.2.2009 zurückgezahlt wurde. Ein zweites Darlehen vom 19.12.2008 über 25.000 € tilgte die Schuldnerin bereits am 6.1.2009.

Zwischen Februar und November 2009 gewährte die Beklagte der Schuldnerin weitere zehn Darlehen zwischen 12.400 und 30.000 €, die jeweils im Folgemonat getilgt wurden. Die Kommunalaufsichtsbehörde versagte im Mai 2010 die Genehmigung für alle "zinslosen Überbrückungshilfen" zwischen Mai 2008 und November 2009, welche die Beklagte der Schuldnerin gewährt hatte. Mit seiner Klage fordert der Insolvenzverwalter die Tilgungsbeträge der genannten zwölf Darlehen aus dem letzten Jahr vor Eingang des Insolvenzantrags im Gesamtbetrag von 267.000 € nebst Zinsen zur Masse zurück.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als zu mehr als 42.000 € zu ihrem Nachteil erkannt worden ist, und wies die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG im Umfang der Aufhebung zurück.

Die Gründe:
Die Revision rügt zutreffend, dass das OLG zur Höhe der ausgesprochenen Verurteilung unrichtig entschieden hat. Das Berufungsurteil verletzt in dieser Hinsicht § 129 Abs. 1, § 143 Abs. 1 InsO. Die Klage ist nur i.H.v. 42.000 € begründet.

In einem echten Kontokorrent mit vereinbarter Kreditobergrenze scheidet eine Gläubigerbenachteiligung durch einzelne Kreditrückführungen aus, weil ohne sie die Kreditmittel, die der Schuldner danach tatsächlich noch erhalten hat, ihm nicht mehr zugeflossen wären. Nach der Kreditabrede stehen dort die Leistungen des Schuldners an den Gläubiger in einem unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang mit der dem Schuldner eingeräumten Möglichkeit, einen neuen Kredit zu ziehen. Anfechtbar sind solche Kreditrückführungen daher nicht in ihrer Summe, sondern nur bis zur eingeräumten Kreditobergrenze. Dieser Grundsatz ist hier einschlägig, weil die der Schuldnerin von der Beklagten fortlaufend gewährten Kredite durch ihre gleich bleibenden Bedingungen, ihre kurze Dauer, den mit ihrer Ausreichung verfolgten Zweck und das zwischen den Vertragspartnern bestehende Gesellschaftsverhältnis nach der Art eines Kontokorrentkredits miteinander verbunden sind.

Wegen des Gebots, den wirtschaftlichen Vorgang vollständig und richtig zu erfassen, darf die einheitlich angelegte Vermögenszuwendung nicht mangels formaler Führung einer laufenden Rechnung und einer dauernden Kreditlinie sinnwidrig in voneinander unabhängige Einzeldarlehen zerlegt werden. Sonst würde der Masse mehr zurückgewährt, als die Schuldnerin jemals hatte. Vorliegend fällt entscheidend ins Gewicht, dass die Handhabung des Kreditverhältnisses in der Art eines Kontokorrents durch wechselseitige Aus- und Rückzahlungen innerhalb einer Kreditobergrenze verlief und der von der Beklagten verfolgte Zweck, der Schuldnerin fortwährend nur die zur Abführung der monatlich anfallenden Sozialversicherungsbeiträge benötigten Mittel vorzuschießen, allein im Wege der hier monatlich gewährten Kredite verwirklicht werden konnte.

War das tatsächliche Ziel einer auf die Vorfinanzierung bestimmter öffentlicher Beihilfen beschränkten Kreditierung ohne zusätzliche Wirkungen nur durch die wiederholte Gewährung von Darlehen umsetzbar, ist es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sachgerecht, den Vorgang anfechtungsrechtlich wie einen Kontokorrentkredit zu behandeln. Der Vorbehalt der Beklagten, jeden Anschlusskredit neu zu bewilligen und keine dauernde Kreditlinie zu eröffnen, begrenzte ihr Kredit- und Insolvenzrisiko. Sie darf deshalb auch anfechtungsrechtlich nicht schlechter als bei einer jederzeit kündbaren unbefristeten Kreditlinie stehen.

Die anfechtungsrechtliche Gleichstellung der Finanzierungshilfe der Beklagten mit einem Kontokorrentkredit folgt aus dem weiteren Umstand, dass die Staffelkredite durch das zwischen der Schuldnerin und der Beklagten bestehende Gesellschaftsverhältnis miteinander verbunden wurden. Fordert der Gesellschafter das seiner GmbH gewährte Darlehen zurück, kann er wegen einer möglichen Verletzung der Treuepflicht ihm drohende, mindestens auf Fortsetzung der Kredithilfe gerichtete Schadensersatzansprüche nicht ausschließen. Deshalb hatte die Beklagte bereits bei der Rückzahlung des ersten Darlehens auf die absehbare Liquiditätslage der Schuldnerin Bedacht zu nehmen. Erneuert der Gesellschafter zur Vermeidung einer etwaigen Haftung das ihm zurückerstattete Darlehen, sind die Vorgänge untrennbar miteinander verknüpft, weil das Erstdarlehen bei gleichem Ausfallrisiko durch das Zweitdarlehen ersetzt wird (§ 249 Abs. 1 BGB). Entsprechendes gilt für Folgedarlehen. Mithin werden nach Begleichung der vorherigen Kredite ausgereichte Staffeldarlehen durch die Treuepflicht zu einem einheitlichen Kreditverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft verbunden, so dass sich Tilgungsleistungen als Rückführung einer Kreditlinie darstellen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.04.2013 13:03
Quelle: BGH online

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