BFH 2.12.2015, V R 67/14

Keine Organschaft mit Nichtunternehmern (Hoheitsträgern)

Entgegen einer aus dem Unionsrecht abgeleiteten Sichtweise hält der BFH daran fest, dass der Organträger Unternehmer sein muss. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die nicht unternehmerisch tätig ist, kann daher die Vorteile der Organschaft durch eine Nichtbesteuerung der von den Tochtergesellschaften bezogenen Leistungen nicht in Anspruch nehmen.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH. Ihr Geschäftsführer war der stellvertretende Geschäftsführer der Beigeladenen. Bei dieser handelt es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die gem. § 75 Abs. 1 S. 1 SGB V die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen hat. Dies umfasst die Zurverfügungstellung von Notdiensten in Bereitschaftsdienstpraxen (BDP). Die ärztliche Tätigkeit wird dabei durch Ärzte erbracht, die ihre Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbringen und abrechnen. Die Beigeladene ist demgegenüber hoheitlich tätig.

Im Zusammenhang mit einer Umstrukturierung des Notdienstes aus arbeitsrechtlichen und tarifvertraglichen Gründen gründete die Beigeladene die Klägerin. Unternehmensgegenstand der Klägerin ist die Erfüllung von Aufgaben, die der Beigeladenen nach dem SGB V obliegen. Die Klägerin war auf privatrechtlicher Grundlage für die Beigeladene tätig. Ihre Tätigkeit beschränkte sich dabei darauf, das nicht-ärztliche Personal wie medizinische Fachangestellte und Arzthelfer einzustellen und der Beigeladenen zum Einsatz in den BDP zu überlassen. Die Arbeiten des überlassenen Personals betrafen die Abwicklung organisatorischer Aufgaben in den BDP wie auch untergeordnete Heilbehandlungsmaßnahmen.

Die Klägerin berechnete die Aufwendungen für Löhne und Sozialversicherungsbeiträge des überlassenen Personals an die Beigeladene weiter, die diese Kosten über ein Umlageverfahren finanzierte. Wegen fehlender Steuererklärungen erließ das Finanzamt für die Streitjahre 2008 und 2009 Schätzungsbescheide. Im hiergegen gerichteten Klageverfahren stellte das FG fest, dass die Klägerin an die Beigeladene Leistungen gegen Entgelt erbracht hatte, die mangels Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auch steuerbar waren. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos.

Die Gründe:
Die Klägerin hatte steuerbare Leistungen gegen Entgelt i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG als Unternehmer erbracht. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung sind auch die Leistungen, die gegen Gewährung von Aufwendungsersatz erfolgen, steuerbar. Unerheblich war, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine AG als Einrichtung des öffentlichen Rechts anzusehen sein könnte. Denn selbst wenn die GmbH als derartige Einrichtung tätig geworden wäre, übte sie ihre Tätigkeit auf privatrechtlicher, nicht aber auf öffentlich-rechtlicher Grundlage aus.

Das FG hat eine zwischen der Klägerin und der Beigeladenen bestehende Organschaft zutreffend verneint. Bei der Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG handelt es sich um eine Vereinfachungsmaßnahme, die eine eigene Unternehmerstellung des Organträgers voraussetzt. Dies ist zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken unionsrechtlich geboten. Mangels eigener Unternehmerstellung ist die juristische Person des öffentlichen Rechts nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn ihr Personal gestellt wird. Wäre die Bildung einer Organschaft auch ohne eigene Unternehmerstellung möglich, käme es zu einer Umgehung dieses Abzugsverbots. Infolgedessen bestand zwischen der Klägerin und der Beigeladenen keine Organschaft, da die Beigeladene nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, die keine unternehmerische Tätigkeit i.S.v. § 2 UStG (Art. 9 und 13 MwStSystRL) ausübte.

Eine weitergehende Organschaft als nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergab sich auch nicht aus dem Unionsrecht. Soweit der EuGH meint, dass Nichtunternehmer zur Schaffung der Verbindungsvoraussetzungen in die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen einzubeziehen seien, versteht dies der erkennende Senat dahingehend, dass z.B. die finanzielle Eingliederung einer Enkel- in eine Muttergesellschaft auch über eine nichtunternehmerisch tätige Tochtergesellschaft erfolgen kann. Dabei ist die Tochtergesellschaft allerdings nicht in den Organkreis einzubeziehen. Der Senat konnte deshalb offenlassen, wie eine wirtschaftliche Verbindung oder Eingliederung zwischen einem Unternehmer und einem Nichtunternehmer begründet werden könnte.

Linkhinweis:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.02.2016 11:37
Quelle: BFH PM Nr. 4 vom 27.1.2016

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