13 / 2017

Robin Melchior, Richter am Amtsgericht, Berlin

Ausschluss vom Amt als Geschäftsführer wegen Sportwettbetruges (?)

Wer einem Jockey Geld in die Satteltasche steckt, um den Rennverlauf zu manipulieren und deswegen zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, kann nicht Vorstand einer börsennotierten AG oder Geschäftsführer einer GmbH sein. Klingt wie Fake News?

Nein, so steht das jetzt im Gesetz: Seit dem 19.4.2017 sind Sportwettbetrug und die Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben Straftaten; eingefügt als §§ 265c – e StGB durch das „Einundfünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben” vom 11.4.2017 (BGBl. I 2017, 815 f.). § 6 GmbHG legt die Ausschlussgründe für Geschäftsführer fest und lautet in Abs. 2 S. 2 Nr. 3e) unverändert: „Geschäftsführer kann nicht sein, wer ... nach den §§ 263 bis 264a oder den §§ 265b bis 266a des Strafgesetzbuchs zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist ...”. Bisher befand sich zwischen § 265b StGB (Kreditbetrug) und § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) nur der § 266 StGB (Untreue). Nach dem Wortlaut sind damit künftig einschlägig zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilte Wettbetrüger vom Geschäftsführeramt ausgeschlossen. Nach dem Wortlaut des § 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 3e) AktG gilt das auch für Vorstände einer AG.


Ein Redaktionsversehen?

In den Gesetzesmaterialien findet sich zum Thema Amtsunfähigkeit nichts, was insoweit verwundert, als dass der Ausschluss vom Amt eines Organs einer Kapitalgesellschaft einen Eingriff in den Schutzbereich des Freiheitsrechts aus Art. 12 GG, nämlich der Freiheit der Berufsausübung darstellt. Zwar sind Einschränkungen der Berufsausübung durch Gesetz nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG schon zulässig, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls sie zweckmäßig erscheinen lassen. Das heißt aber auch, dass der spezifische Strafvorwurf, der zur Inhabilität führen soll, Ausdruck einer generellen und nicht hinnehmbaren wirtschaftlichen Unzuverlässigkeit ist. Nicht hinnehmbar, weil durch die Straftat gerade auch Interessen der privaten und öffentlichen Gläubiger der Gesellschaft verletzt werden. Das ist hier aber typischerweise nicht der Fall. Denn Täter eines Sportwettbetruges oder einer Manipulation können nur Sportler, Trainer, Schieds-, Wertungs- und Kampfrichter sein. Andere Personen machen sich z.B. nur strafbar, wenn sie Sportlern, Trainer, Schiedsrichtern etc. Vorteile anbieten, versprechen oder gewähren, um das Ergebnis des Wettkampfes zu beeinflussen und sich dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschaffen. Derartiges Fehlverhalten stellt kein typisches Risiko organschaftlicher Tätigkeit und Leitungsverantwortung dar und ist auch nicht Ausdruck mangelnder Eignung zur treuhänderischen Verwaltung fremden Vermögens. Der letztgenannte Aspekt spielte aber eine maßgebliche Rolle bei der Novelle des GmbH-Gesetzes durch das MoMiG im Jahr 2007, mit dem die Vermögensstraftaten in dem jetzigen Umfang in den § 6 Abs. 2 GmbHG aufgenommen worden sind (vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 33, 64).

Unter Berücksichtigung der Abwägungen zum Grundrechtsschutz im Gesetzgebungsverfahren im Jahr 2007 ist es deshalb erstaunlich, dass jetzt schon ein betrugsähnliches Vergehen ohne Bezug zum Gläubigerschutz mit einer Strafandrohung von nur drei Jahren das Zeug hat, um zur generellen Inhabilität als Organ einer Kapitalgesellschaft zu führen. Denn nicht einmal massive und absichtliche Verstöße gegen die Pflicht, erforderliche Aufsichtsmaßnahmen zur Einhaltung der Unternehmens-Compliance einzuführen und zu überwachen (§ 130 OWiG), haben bisher den Weg in den Ausschlusskatalog des § 6 GmbHG und des § 76 AktG gefunden. Obwohl gerade derartiges Fehlverhalten Ausdruck genereller und nicht hinnehmbarer wirtschaftlicher Unzuverlässigkeit ist und Gläubiger gefährdet.


Auswirkung auf die Praxis

Es besteht die Gefahr, dass die Registergerichte sich dieses Themas annehmen und den Inhalt der Geschäftsführer-Versicherungen über die „weiße Weste” nach § 8 Abs. 3 GmbHG beanstanden werden.

Wenn kein Redaktionsversehen vorliegt – bzw. vorsorglich bis zur Klärung –, sollten Notare den Umfang ihrer notariellen Belehrung anpassen und entsprechend dokumentieren. Besteht die Dokumentation darin, dass die Geschäftsführer-Versicherung in der Anmeldung detailliert die einzelnen Straftatbestände aufzählt, dann ist der Text in Bezug auf Wettbetrug und Manipulation zu ergänzen. Notare, die die Kurzversion verwenden oder aus dem aktuellen Anlass darauf ausweichen („Ich bin noch nie wegen irgendeiner Straftat rechtskräftig verurteilt worden ...” o.ä.), sollten bedenken, dass in der ersten Phase seit Einführung der neuen Straftatbestände ohnehin zu dokumentieren ist, dass die Belehrung nach § 8 Abs. 3 GmbHG eben auch die neuen Straftatbestände umfasst. Dieser zusätzliche Aufwand spricht zumindest in nächster Zeit generell gegen die Verwendung der Kurzversion. Beratungsbedarf dürfte auch bestehen im Hinblick darauf, dass zwar auch Auslandsstraftaten zum Ausschluss führen nach § 6 Abs. 2 S. 3 GmbHG, derartige Vergehen aber im Ausland nicht immer Straftaten sind und die Grenze zur Ordnungswidrigkeit aus deutscher Sicht nicht immer eindeutig ist.


Eine persönliche Anmerkung des Autors

So ernst das oben behandelte Thema auch ist, es beleuchtet generell das Verhältnis zwischen den Notaren und den Registergerichten: Die notariellen Belehrungen und Hinweise bilden die Grundlage für die gerichtliche Entscheidung. Eine sorgfältige Vorbereitung der Urkunden ist zugleich der Schlüssel für die präventive Kontrolle, die der Gesetzgeber den Notaren und Gerichten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts gemeinsam zum Schutz der Gläubiger und der Allgemeinheit in die Hand gelegt hat.

Wie ernsthaft und nachhaltig notarielle Belehrungen wirken können, soll folgende Anekdote zeigen: Vor etwa 25 Jahren brachte mir der Beamte der Geschäftsstelle eine Akte ins Zimmer mit dem Bemerken: „Dett is eilig, müssen Se aber nicht lesen. Ist nämlich allet richtig; denn dett kommt von dem Professor aus Hamburg, der och noch Notar is.” Ich war zwar noch jung an Berufsjahren, aber in der kurzen Zeit schon geübt im Verfassen von Zwischenverfügungen, so dass meine Skepsis überwog: „Wie es denn sein könne, dass das alles unbesehen „richtig” sei?” Der Beamte hob an: „In der Garderobe des Hamburger Notars hängt ’ne Pickelhaube. Ist die Urkunde für das Amtsgericht Charlottenburg bestimmt, dann müssen die Beteiligten die Pickelhaube uff em Kopp setzen oder zumindest ankieken, wenn’se belehrt werden. Sonst is die Beurkundung unwirksam.”

Das Gespräch hat so stattgefunden. Ich weiß aber nicht, warum der Beamte ausgerechnet eine Urkunde von Herrn Prof. Dr. Hans-Joachim Priester ausgewählt hat, um mich auf den Arm zu nehmen. Im Stillen habe ich gehofft, in der besagten Urkunde tatsächlich einen Hinweis auf diese außergewöhnlich eindringliche Belehrungsmethode zu finden. Gefunden habe ich – über die Jahre – aber etwas anderes; nämlich erstens den außerordentlichen Wert umfassender notarieller Aufklärung, Belehrung und Dokumentation nach § 17 BeurkG, zweitens den Blick für den wirtschaftlichen und steuerlichen Hintergrund von Gestaltungen im Gesellschaftsrecht und drittens den besagten Notar als Autor, der die Aspekte zu erstens und zweitens in seinen Beiträgen vereint.

Ich war und bin beeindruckt von der Präzision, mit der der Jubilar dieser Ausgabe aus komplexen Sachverhalten den relevanten Kern an Rechtsfragen herauskocht und damit den Lesern den Blick für das systematisch Wesentliche öffnet. Auf diesem Weg übermittle ich ihm meinen Dank und wünsche ihm alles Gute zu seinem 80. Geburtstag!

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 07.12.2017 13:48