BGH 18.10.2018, III ZR 497/16

Fehlerhafte Anlageberatung: Anrechnung von Vorteilen aus einer zweiten Kapitalanlage

Jedenfalls wenn der Anleger auf der Grundlage eines einheitlichen Beratungsgesprächs zwei verschiedene, ihrer Struktur nach aber gleichartige Anlagemodelle gezeichnet und dabei eine auf demselben Beratungsfehler beruhende einheitliche Anlageentscheidung getroffen hat, muss er sich, sofern er eines der beiden Geschäfte im Wege des Schadensersatzes rückabwickeln will - etwa weil sich ein Geschäft positiv und das andere negativ entwickelt hat -, auf den Zeichnungsschaden aus dem verlustbringenden Geschäft die Gewinne aus dem positiv verlaufenen Geschäft anrechnen lassen.

Der Sachverhalt:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds in Anspruch. Der Kläger beteiligte sich im April 2005 i.H.v. 20.000 € zzgl. 5 % Agio an der Immobilienfonds P-GmbH & Co. KG (niederländischer Fonds). Am selben Tag erwarb er Anteile an einem weiteren Immobilienfonds - Renditefonds C-GmbH & Co. KG (kanadischer Fonds) - im Gegenwert von 60.000 € ebenfalls zzgl. 5 % Agio. Des Weiteren investierte er in das Anlagemodell "C. M.". Der Kläger folgte damit - wenn auch der Höhe nach mit abweichenden Beträgen - drei von vier Anlagevorschlägen des damals für die Beklagte als selbständiger Handelsvertreter tätigen Anlageberaters R. Der niederländische Fonds entwickelte sich negativ, während der inzwischen vollständig abgewickelte kanadische Fonds erhebliche Gewinne abwarf.

Der Kläger verlangt, soweit im vorliegenden Verfahren noch von Bedeutung, die Rückzahlung seiner Einlage in den niederländischen Fonds nebst Agio Zug-um-Zug gegen Übertragung der Beteiligung sowie Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und ihrer Verpflichtung, ihn von allen Schäden und Nachteilen aus der Beteiligung freizustellen. Er behauptet, der Berater habe die gezeichneten Anlagen, dem von ihm verfolgten Anlageziel entsprechend, als "absolut sicher" dargestellt, während sie tatsächlich hoch spekulativ und mit einem Totalverlustrisiko behaftet seien. In Bezug auf die streitige Beteiligung habe der Berater ihn über zahlreiche Risiken, u.a. die Haftung gem. § 172 Abs. 4 HGB und das Währungsrisiko, nicht aufgeklärt. Auch bei dem kanadischen Immobilienfonds sei er über die gleichartigen Risiken nicht aufgeklärt worden. Anderenfalls hätte er beide Anlagen nicht gezeichnet. Die Beklagte ist dem entgegen getreten.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr teilweise statt und verurteilte die Beklagte - unter Anrechnung von Ausschüttungen - u.a. zur Leistung von Schadensersatz. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf, änderte das Urteil des LG ab, und stellte fest, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen rd. 6.750 € übersteigenden Schäden und Nachteilen - insbesondere von Rückforderungsansprüchen nach § 172 Abs. 4 HGB - freizustellen, die unmittelbar oder mittelbar auf der vom Kläger im April 2005 gezeichneten Beteiligung an der Immobilienfonds P-GmbH & Co. KG beruhen und ohne diese Beteiligung nicht eingetreten wären. Im Übrigen blieb es bei der Abweisung der Klage.

Die Gründe:

Es hat eine Anrechnung der mit der Renditefonds C-GmbH & Co. KG erzielten Rendite auf den in der Zeichnung der Kapitalanlage Immobilienfonds P-GmbH & Co. KG liegenden Schaden stattzufinden. Dies führt vorliegend zur weitgehenden Abweisung der Klage, weil der Kläger mit dem inzwischen vollständig abgewickelten kanadischen Immobilienfonds einen Gewinn von umgerechnet rd. 22.900 € erzielt hat, der über dem in den niederländischen Immobilienfonds investierten Betrag von 20.000 € nebst Agio und Steuerzahlungen (rd. 1.100 €) abzgl. der vom OLG berücksichtigten Ausschüttungen von rd. 4.300 und Teilrückzahlung des Agios i.H.v. 600 € liegt.

Ob auf den infolge einer fehlerhaften Anlageberatung entstandenen Schaden Gewinne aus anderen - positiv verlaufenen - Anlagegeschäften angerechnet werden können, wird regelmäßig unter dem Aspekt der Vorteilsausgleichung erörtert. Nach deren Grundsätzen sind dem Geschädigten diejenigen Vorteile anzurechnen, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen. Die vorteilhaften Umstände müssen mit dem schädigenden Ereignis in einem qualifizierten Zusammenhang stehen. Zu berücksichtigen ist ferner, ob eine Anrechnung dem Sinn und Zweck des Schadensersatzes entspricht und weder der Geschädigte unzumutbar belastet noch der Schädiger unbillig entlastet wird.

Die Anrechnung von Renditen aus einem anderen Investment auf den geltend gemachten Schaden wird nicht einheitlich beurteilt. Ungeachtet dessen, ob die Grundsätze der Vorteilsanrechnung in der vorliegenden Fallgestaltung unmittelbar oder mit Blick auf die unterschiedlichen Entstehungszeitpunkte von Schaden und Vorteil bei den beiden Anlagegeschäften (Schadenseintritt zum Zeitpunkt der Zeichnung des negativ verlaufenden Fonds einerseits und Vorteilsentstehung während der Geschäftstätigkeit der lukrativen Fondsgesellschaft andererseits) nur entsprechend Anwendung finden können, erfordert die Betrachtung aller im hier zu beurteilenden Einzelfall maßgeblichen Umstände eine Verrechnung der mit dem kanadischen Immobilienfonds erzielten Gewinne auf den vom Kläger durch die Zeichnung des niederländischen Immobilienfonds erlittenen Verlust.

Dabei fällt vor allem ins Gewicht, dass beide Immobilienfonds Gegenstand eines einheitlichen Beratungsgesprächs waren, dem wiederum ein umfassender Vorschlag des Beraters zur Neuordnung des Vermögens des Klägers zugrunde lag. Beide Anlageentscheidungen wurden durch das Beratungsgespräch miteinander "verklammert". Insoweit stellten sich die ihrer Struktur nach gleichartigen und in ihren Risiken vergleichbaren Investments letztlich als "Paket" dar. Im Ergebnis hat der Kläger eine aus mehreren Komponenten bestehende einheitliche Anlageentscheidung getroffen, auch wenn die Anlagen für sich betrachtet nicht voneinander abhingen und die Beteiligungserklärungen separat unterzeichnet wurden. Hinzu kommt, dass der Anlageberater bei dem Beratungsgespräch eine beide Anlagen gleichermaßen betreffende Aufklärungspflichtverletzung begangen hat.

Jedenfalls aus der Kumulation der aufgezeigten Umstände - dieselbe Beratungssituation, umfassendes Anlagekonzept, gleichartige Kapitalmarktprodukte, Identität des Aufklärungsfehlers und Gesamtentscheidung des Klägers über die Eingehung der Anlagen - ergibt sich, dass auch die Rückabwicklung der beiden zeitgleich abgeschlossenen Geschäfte nicht getrennt voneinander erfolgen darf. Bei einer wertenden Betrachtung muss daher die Entwicklung, die beide Fonds genommen haben, im Sinne einer Gesamtsaldierung in die Schadensberechnung einbezogen werden.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.11.2018 10:56
Quelle: BGH online

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