Aktuell in der GmbHR

Aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zum GmbH-Geschäftsführer in 2018/2019 (Hülsmann, GmbHR 2019, 1093)

Der aktuelle Stand der Rechtsprechung des BGH zum GmbH-Geschäftsführer wird anhand von ausgewählten höchstrichterlichen Judikaten nachgezeichnet. Vornehmlich werden hierbei die in 2018/19 ergangenen Entscheidungen des für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenats des BGH berücksichtigt. Soweit sinnvoll, wird auf frühere Urteile und Beschlüsse auch der übrigen Senate des BGH, aber auch des BAG hingewiesen.

I. Einleitung

II. Rechtliche Stellung des Geschäftsführers

1. Gesellschafterversammlung als zentrales Organ

2. Abschluss und Änderung des Geschäftsführer- Anstellungsvertrags

3. (Fremd-) Geschäftsführer als Arbeitnehmer i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG

4. Fremdgeschäftsführer als „arbeitgeberähnliche Person“

5. Kein Kündigungsschutz nach KSchG

III. Vertretungsbefugnis und (Missbrauch der) Vertretungsmacht

1. Missbrauch der Vertretungsmacht

2. Missachtung von Zustimmungsvorbehalten

3. Insichgeschäft (§ 181 BGB)

4. Vertretung der GmbH im Prozess

IV. Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung und Haftung

1. Rückforderung nach § 31 GmbHG

2. Möglichkeiten der Haftungsprävention

3. Ressortaufteilung als Mittel der Haftungsbegrenzung

a) Voraussetzungen für eine wirksame Ressortaufteilung

b) Folgen einer wirksame Ressortaufteilung

V. Ausblick

 

I. Einleitung
Im Berichtszeitraum hat der II. Zivilsenat des BGH in mehreren Entscheidungen das Verhältnis des Geschäftsführers zur Gesellschafterversammlung beleuchtet. Aufgrund der hierarchischen und von der generellen Kompetenz der Gesellschafterversammlung geprägten Struktur der GmbH wurde hierbei (jedenfalls) dem (Fremd-) Geschäftsführer im Blick auf die in Rahmen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG gebotene unionsrechtliche Betrachtung die Stellung eines Arbeitnehmers i.S. dieser Vorschrift eingeräumt. Demgegenüber hat das BAG daran festgehalten, dass wegen des für die Anwendung der § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 ArbGG maßgeblichen nationalen Arbeitnehmerbegriffs der Fremdgeschäftsführer als „arbeitgeberähnliche“ Person anzusehen ist. Für Streitigkeit über die Wirksamkeit einer Kündigung seines Anstellungsvertrags sind folglich nicht die ArbG (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) zuständig, sondern regelmäßig die ordentlichen Gerichten i.S.v. §§ 12, 13 GVG. Ein Kündigungsschutz nach dem KSchG ist dem Geschäftsführer nicht einzuräumen. In einer weiteren Entscheidung hat der II. Zivilsenat darüber hinaus erneut festgehalten, dass eine im Innenverhältnis vorgenommene Beschränkung der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers die – im Grundsatz unbeschränkte und unbeschränkbare – Vertretungsmacht (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) im Außenverhältnis zu Dritten unberührt lässt. Einschränkungen können sich jedoch bei einem dem Dritten erkennbaren Missbrauch der Vertretungsmacht ergeben. Wenngleich vom BGH in diesem Zusammenhang eine analoge Anwendung des § 179a AktG auf die GmbHG entgegen der im Schrifttum weit vertretenen Auffassung abgelehnt wird, kann sich gerade bei einer Veräußerung des wesentlichen Vermögens der Gesellschaft oder auch bei einer Missachtung von statutarischen Zustimmungsvorbehalten (vgl. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) für den Vertragspartner die Notwendigkeit der Einbeziehung der Gesellschafter aber ggf. aufdrängen. Schließlich hat der II. Zivilsenat in einem richtungsweisenden Urteil erstmals die Anforderungen konkretisiert, welche bei einem mehrköpfigen Geschäftsführergremium an eine wirksame Ressortaufteilung zu stellen sind. Dabei wurde zugleich betont, dass eine solche Geschäftsverteilung die Gesamtverantwortung der Geschäftsführer für die ordnungsgemäße Erledigung sämtlicher Geschäftsführungsaufgaben nicht berührt.

II. Rechtliche Stellung des Geschäftsführers
Der Geschäftsführer ist Mitglied der Unternehmensleitung und vertritt die GmbH gerichtlich und außergerichtlich (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Für seine Organstellung und die daraus folgende Vertretungsmacht ist es ohne Bedeutung, ob der Geschäftsführer (noch) im Handelsregister als solcher eingetragen ist. Die Eintragung ist zur Erlangung und Aufrechterhaltung der Organstellung nicht erforderlich ist. Zentrales Entscheidungsorgan der GmbH ist indessen die Gesellschafterversammlung (§§ 45 ff. GmbHG). Diese und nicht etwa die Geschäftsführung ist im Grundsatz allzuständig. Obligatorisch zugewiesen sind der Geschäftsführung nur eng begrenzte Kernkompetenzen sowie bestimmte einzelne Aufgaben, wie etwa die Aufstellung des Jahresabschlusses (§§ 41 ff. GmbHG, §§ 242 ff. HGB) oder die Erledigung bestimmter steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Pflichten (vgl. §§ 34, 69 AO). Jenseits dieses Bereichs können die Gesellschafter fast ausnahmslos jede Angelegenheit – sofern ihr diese nicht ohnehin durch Gesetz oder die Satzung zugewiesen ist (vgl. § 45 Abs. 1 GmbHG) – durch Beschluss an sich ziehen und sodann für die Geschäftsführung bindend entscheiden (vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG). Denn im Gegensatz zu dem in eigener Verantwortung tätigen Vorstand einer AG (§ 76 Abs. 1 AktG) unterliegt der GmbH-Geschäftsführer den Weisungen der Gesellschafter.

1. Gesellschafterversammlung als zentrales Organ
Wie der II. Zivilsenat in den Judikaten vom 8.1.2019 und vom 2.7.2019 sowie vom 16.7.2019 angeführt hat, bestimmen die Gesellschafter nicht nur unmittelbar den Geschäftsführer (§§ 38 Abs. 1, 46 Nr. 5 GmbHG); sie treffen darüber hinaus auch im Übrigen die für die Geschicke der GmbH wesentlichen Entscheidungen und nehmen zudem ein umfassendes Prüfungs- und Überwachungsrecht gegenüber der Geschäftsführung wahr (§ 46 Nr. 6 GmbHG), das durch die Überwachung durch einen (zumeist gem. § 52 GmbHG fakultativen) Aufsichtsrat ergänzt werden kann (vgl. aber auch § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, § 111 Abs. 1 AktG). In der nicht mitbestimmten Gesellschaft obliegt den Gesellschaftern außerdem nicht nur die Bestellung des Geschäftsführers, sondern auch dessen (jederzeitige) Abberufung sowie seine (schuldrechtliche) Anstellung und Kündigung (§ 46 Nr. 5 und Nr. 8 GmbHG). Ist im Gesellschaftsvertrag keine abweichende Bestimmung getroffen, ist der Geschäftsführer jederzeit frei abrufbar (§ 38 Abs. 1 GmbHG). Will sich der (Fremd-) Geschäftsführer gegen seine Abberufung zur Wehr setzten, kann er zwar ...

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.10.2019 10:22
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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