BGH v. 27.2.2020 - IX ZR 337/18

Darlehensgewährung eines Dritten an den Gesellschafter einer später insolventen GmbH

Gewährt ein außenstehender Dritter einem Gesellschafter der späteren Insolvenzschuldnerin und dessen Ehefrau ein Darlehen, welches der Gesellschafter zur Gewährung eines Darlehens an die Gesellschaft verwendet, ist die Rückzahlung des Darlehens an den Dritten durch die Gesellschaft dem Dritten gegenüber nicht als Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens anfechtbar.

Der Sachverhalt:
Aufgrund eines Darlehensvertrages vom 12.1.2012 gewährte der Beklagte den Eheleuten V ein mit 4 % verzinsliches Darlehen über 1 Mio. €. 450.000 € sollten spätestens am 29.2.2012 zurückgezahlt werden, 550.000 € sowie die bis dahin angefallenen Zinsen spätestens am 31.3.2012. Vereinbarungsgemäß sollte das Darlehen der Autohaus P. V. GmbH (Schuldnerin), deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Ehemann V war, zur Beseitigung einer Liquiditätslücke zur Verfügung gestellt werden. Der Beklagte überwies den Betrag von 1. Mio. € direkt an die Schuldnerin.

Zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs des Beklagten trat die Schuldnerin Forderungen gegen die R-AG und gegen die Erwerber von 48 Fahrzeugen an den Beklagten ab. Am 27.2.2012 zahlte die Schuldnerin einen Teilbetrag von 450.000 € unmittelbar an den Beklagten zurück. Am 30.3.2012 vereinbarten der Beklagte und der Ehemann V, dass die weiteren 550.000 € bei ansonsten gleichbleibenden Konditionen bis zum 30.9.2012 zurückgezahlt werden sollten. Den genannten Betrag überwies die Schuldnerin am 5.10.2012 an den Beklagten.

Am 19.6.2013 beantragte der Ehemann V die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Am 27.6.2013 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Er verlangt nunmehr die Rückgewähr von 550.000 € nebst Zinsen.

LG und OLG gaben der Klage bis auf einen Teil der verlangten Zinsen statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines nachrangigen Darlehens i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder für eine gleichgestellte Forderung Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist. Im Verhältnis zum Beklagten sind diese Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt.

Dem Nachrang nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterliegen Ansprüche auf Rückgewähr von Darlehen, die von einem Gesellschafter gewährt worden sind, der einer Gesellschaft i.S.v. § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO angehört und der nicht dem Kleinbeteiligungsprivileg gem. § 39 Abs. 5 InsO unterfällt. Der Beklagte war und ist nicht Gesellschafter der Schuldnerin. Unter besonderen Voraussetzungen können auch Dritte, welche der Gesellschaft nicht als Gesellschafter angehören, dem Nachrang unterworfen sein. Finanzierungshilfen Dritter werden erfasst, wenn der Dritte bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Gesellschafter gleichsteht. Voraussetzung ist die Rechtshandlung eines Dritten, welche der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter wirtschaftlich entspricht. Das gilt insbesondere für Darlehen verbundener Unternehmen. Die Verbindung kann vertikal in der Weise bestehen, dass der Dritte an einer Gesellschafterin der Schuldnergesellschaft beteiligt ist. Sie kann aber auch horizontal so ausgestaltet sein, dass ein Gesellschafter an beiden Gesellschaftern der Darlehensgeberin und der Darlehensnehmerin beteiligt ist, und zwar an der letztgenannten in maßgeblicher Weise. Der Gesellschafter kann sich seiner Verantwortung nicht entziehen, indem er eine oder mehrere Gesellschaften zwischenschaltet.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Bis auf den Darlehensvertrag zwischen dem Beklagten und den Eheleuten V bestehen keinerlei rechtliche Verbindungen zwischen dem Beklagten und der Schuldnerin als Darlehensnehmerin einerseits, dem Beklagten und den Eheleuten V in ihrer Eigenschaft als Darlehensgeber andererseits. Der Beklagte hatte keinerlei Einfluss auf die Entschließungen der Schuldnerin. Der Vorwurf einer Umgehung von Anfechtungstatbeständen eröffnet für sich genommen nicht den Anwendungsbereich des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Ein Anfechtungstatbestand ist grundsätzlich nur bei Vorliegen der im Gesetz genannten tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt. Der Anfechtungstatbestand des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist durch die vom Beklagten und den Eheleuten V gewählte Konstruktion einer Darlehensgewährung an die Eheleute V im Übrigen nicht umgangen worden. Selbst wenn der Beklagte den Darlehensvertrag unmittelbar mit der Schuldnerin geschlossen hätte, wäre die Rückzahlung des Darlehensbetrages im Jahr vor dem Eröffnungsantrag nicht nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar gewesen. Der Beklagte war und ist nicht Gesellschafter der Schuldnerin und steht einem solchen auch nicht gleich. Es stand ihm frei, den Darlehensvertrag mit der Schuldnerin, mit den Eheleuten V oder nur mit dem Ehemann V zu schließen oder dies zu unterlassen.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.03.2020 12:48
Quelle: BGH online

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