Aktuell in der GmbHR

GmbH-Geschäftsführerhaftung - Haftungsbeschränkung aufgrund von Entlastung und Jahresabschlussfeststellung (Hamdan, GmbHR 2023, 834)

Die Entscheidung des OLG Brandenburg befasst sich mit Fragen zur Haftungsbeschränkung im Fall des (alljährlichen) Entlastungsbeschlusses nach § 46 Nr. 5 GmbHG; ferner entscheidet sie erstmals über die Frage, ob der Feststellung des Jahresabschlusses Entlastungswirkung und Präklusionswirkung in Bezug auf etwaige Schadenersatzansprüche gegen den in Haftung genommenen GmbH-Geschäftsführer zukommt. (zugleich Besprechung zu OLG Brandenburg, Urt. v. 29.6.2022 - 7 U 133/21, GmbHR 2023, 410)

I. Sachverhalt
II. Anspruch dem Grunde nach
III. Wirkung der Entlastung
IV. Wirkung der Feststellung des Jahresabschlusses
V. Zusammenfassung


I. Sachverhalt

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Der Geschäftsführer einer GmbH empfand sein ursprünglich im Jahr 2000 vereinbartes Gehalt als nicht angemessen und erhöhte es eigenmächtig. Zeitgleich mit seiner Abberufung aus wichtigem Grund beschlossen die Gesellschafter im März 2020 die Geltendmachung des überzahlten Gehalts i.H.v. 142.177 € für den Zeitraum Dezember 2015 bis Januar 2020. Dem entgegnete der Geschäftsführer mit dem Hinweis, er sei für die Jahre 2016 und 2017 entlastet worden; im Übrigen habe die Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses bei einem Geschäftsführer, der zugleich Gesellschafter ist, die Wirkung eines Anerkenntnisses – mithin dieselben Wirkungen wie die Entlastung.

II. Anspruch dem Grunde nach
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Der (Schadenersatz-)Anspruch folgt aus § 43 Abs. 2 GmbHG. Die Veranlassung einer Zahlung, die die mit der Gesellschaft vereinbarte Vergütung übersteigt und von den Mitgesellschaftern nicht gebilligt wird, ist eine Pflichtverletzung. Selbst wenn die vereinbarte Vergütung tatsächlich unangemessen gewesen sein sollte, ist die Gesellschafterversammlung auch für solche Änderungen des Geschäftsführer-Dienstvertrags ausschließlich kompetent, die nicht mit der Begründung und Beendigung der Organstellung zusammenhängen; neben der offensichtlichen Missbrauchsgefahr fußt diese Entscheidung darauf, dass die Erhöhung der Bezüge des Geschäftsführers ggf. die Gesellschafter von einem an sich beabsichtigten Widerruf der Bestellung des Geschäftsführers abhalten könnten. Der Geschäftsführer ist zur Einhaltung dieser Kompetenzordnung verpflichtet. Daher besteht in solchen Fällen – mangels Änderungsbefugnis – kein Anspruch auf die Zahlung einer höheren Vergütung. Die Legalitätspflicht eines jeden Geschäftsführers knüpft hieran an, wobei zur Einhaltung der gesetzlichen Pflichten auch die Trennung eigener Interessen von den Interessen des Unternehmens gehört. Dieser darf insbesondere seine Stellung nicht zu seinem eigenen Gunsten und gegen die Interessen der Gesellschaft ausnutzen; eine entsprechende Verletzung liegt – jenseits des klassischen „Griffs in die Kasse“ – schon dann vor, wenn darauf hingewirkt wird, sich eine von der Gesellschaft nach dem Anstellungsvertrag nicht zustehende Vergütung anweisen zu lassen. Auch wenn das OLG Brandenburg nicht näher darauf eingeht, besteht in Anspruchskonkurrenz ein inhaltsgleicher Anspruch wegen der Pflichtverletzung des Anstellungsvertrags aus § 280 Abs. 1 BGB sowie mangels Rechtsgrunds für die Zahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB (conditio indebiti).

III. Wirkung der Entlastung
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1. Die Entlastung ist eine nach § 46 Nr. 5 GmbHG den Gesellschaftern unterliegende Billigung der Geschäftsführung in einem zurückliegenden Zeitraum und Vertrauensbeweis in die Zukunft. Das GmbHG regelt ihre Wirkung nicht. Auch wenn die darin liegende Vertrauenskundgabe nur allgemeiner, nicht konkreter Beschlussgegenstand ist, hat eine wirksame Entlastung des GmbH-Geschäftsführers im Gegensatz zu §§ 120, 93 AktG weitreichende Präklusionswirkung. Dies mag nicht Gegenstand und Ziel der Entlastung sein, ist aber ihre Folge; sie führt u.a. dazu, dass die Gesellschaft einzelne Ansprüche gegen ihre Geschäftsführer nicht mehr geltend machen kann und auch eine Berufung auf von der Entlastung erfasste Kündigungsgründe nicht mehr möglich ist. In dem Verlangen nach solchen Rechtsfolgen trotz einer zuvor ausgesprochenen Entlastung liegt ein Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens (Verbot des „venire contra factum proprium“). Die Verzichtswirkung erstreckt sich dabei auch auf Ansprüche gegen den Geschäftsführer aus ungerechtfertigter Bereicherung, wenn die die Bereicherung begründende Vermögensverschiebung auf Maßnahmen der Geschäftsführung zurückzuführen ist.

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Damit erfolgt indes keine pauschale, uneingeschränkte Freizeichnung. Neben den zeitlichen (an die Entlastungsperiode geknüpften) und personellen (an den vom Beschluss erfassten Geschäftsführer anknüpfenden) Beschränkungen erfasst die Präklusion inhaltlich nur die erkennbaren Ansprüche. Den Gesellschaftern ist nämlich nur eine begrenzte Kontrolle anhand der ihnen vorliegenden Informationen möglich. Die Entlastung stellt daher nur von solchen Ersatzansprüchen frei, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller ihr gemachten Vorlagen und erstatteten Berichte erkennbar waren. Die Entlastung erstreckt sich mithin auf Umstände, die die Gesellschafter durch Nachrechnen oder Nachfragen in Erfahrung bringen konnten, nicht aber bei Verschleierung von Informationen.

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Im vorliegenden Fall waren in den jeweiligen Bilanzen für die Jahre, in denen die Entlastung erteilt worden war, die Geschäftsführergehälter aufgeführt, so dass die Information über die ausgezahlte Vergütung erkennbar war (vgl. Rz. 24). Daher greift die Präklusionswirkung ein und schließt Schadenersatzansprüche aus § 43 Abs. 2 GmbHG aus. Die Entlastungswirkung greift dabei auch in Bezug auf die o.g. Ansprüche (§ 280 Abs. 1 und § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB), da sie mit dem Ersatzanspruch gem. § 43 Abs. 2 GmbHG wirtschaftlich identisch sind.

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2. Die Rechtsnatur der Entlastung ist umstritten, wobei sie – zu Recht – inzwischen als gesellschaftsrechtliches Institut und nicht mehr als Rechtsgeschäft angesehen sein dürfte. Ursprünglich wurde die Entlastung zwar nicht als Vertrag angesehen, ihr wurde dennoch die Wirkung eines negativen Schuldanerkenntnisses zugeschrieben, wobei nicht der Beschluss als solcher, sondern...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.08.2023 16:07
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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