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Die Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers - Voraussetzungen und praktische Durchsetzung (Teil I) (Leinekugel, GmbHR 2023, 1123)

Die gesetzliche Regelung in § 38 Abs. 1 GmbHG zur freien und jederzeitigen Abberufbarkeit ist auf Fremdgeschäftsführer zugeschnitten. Tatsächlich sind hingegen oftmals die Gesellschafter die Geschäftsführer. Das hat zur Folge, dass § 38 Abs. 1 GmbHG für diese vielfach als nicht passend empfunden wird und Einschränkungen des Grundsatzes der freien und jederzeitigen Abberufbarkeit erwogen werden bzw. die Abberufung aus wichtigem Grund nach § 38 Abs. 2 GmbHG besondere Bedeutung gewinnt. Oft haben Gesellschafter auch ein Sonderrecht auf Geschäftsführung. Dann oder wenn die Gesellschafter je zur Hälfte an der Gesellschaft beteiligt sind, stellen sich zusätzliche Fragen. Teil I des Beitrags behandelt die Voraussetzungen sowohl einer ordentlichen Abberufung als auch einer Abberufung von Gesellschafter-Geschäftsführern aus wichtigem Grund und gibt praxisrelevante Hinweise. Im Folgebeitrag werden hieran anknüpfend Fragen im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer Abberufung, wie der Wirksamkeitszeitpunkt, die Verwirkung der Abberufungsmöglichkeit, wechselseitige Abberufungen und der Beschlussmängelstreit über einen Abberufungsbeschluss behandelt.

I. Grundsatz: Freie und jederzeitige Abberufbarkeit eines Geschäftsführers
1. Allgemeines
2. Notwendigkeit eines sachlichen Grundes bei der ordentlichen Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers
3. Keine Analoge Anwendung von §§ 117, 127 HGB bei der Zwei-Personen-GmbH
4. Beschränkungen durch Vereinbarungen außerhalb der Satzung
5. Besonderheiten im Eigenverwaltungsverfahren
II. Abberufung aus wichtigem Grund
1. Beschränkbarkeit der Abberufungsmöglichkeit auf wichtige Gründe
2. Kein Ausschluss und keine Erschwerung der Abberufbarkeit aus wichtigem Grund
a) Mehrheitserfordernis
b) Stimmverbot des Betroffenen bei (tatsächlichem) Vorliegen eines wichtigen Grundes
c) Zustimmungspflicht zur Abberufung
d) Die Abberufung eines Geschäftsführers mit Sonderrecht auf Geschäftsführung aus wichtigem Grund
3. Definition des wichtigen Grundes
a) Grundsätze und Maßstäbe
b) Regelbeispiele und weitere Anwendungsfälle
c) Nicht ausreichende Vorkommnisse
d) Kompetenzverstöße
e) Zerwürfnisse
f) Darlegungs- und Beweislast
4. Kenntnis von der Pflichtwidrigkeit der die Abberufung betreibenden Gesellschafter
5. Eigene Pflichtwidrigkeiten der die Abberufung betreibenden Gesellschafter
6. Abberufungserklärung
7. Hausverbot
8. Neubestellung des Abberufenen


I. Grundsatz: Freie und jederzeitige Abberufbarkeit eines Geschäftsführers
1
§ 38 Abs. 1 GmbHG statuiert den Grundsatz der freien und jederzeitigen Abberufbarkeit der Geschäftsführer. Das unbeschränkte Abberufungsrecht ist die Kehrseite der gem. § 37 Abs. 2 GmbHG im Außenverhältnis unbeschränkten Vertretungsmacht des Geschäftsführers. § 38 Abs. 1 GmbHG ermöglicht den Gesellschaftern zu reagieren, wenn sie meinen, dass das Leitungsorgan ausgetauscht oder verändert werden sollte. Insbesondere können sie so auf veränderte Rahmenbedingungen oder auf Glücklosigkeit bei der Führung der Geschäfte reagieren.

1. Allgemeines
2
Die ordentliche Abberufung bedarf weder einer Begründung noch einer vorherigen Anhörung des Betroffenen. Sie erfolgt, vorbehaltlich abweichender statutarischer Regelungen, mit einfacher Mehrheit. Der Betroffene unterliegt bei einer ordentlichen Abberufung keinem Stimmverbot, ebenso wenig bei der ordentlichen Kündigung seines Geschäftsführeranstellungsvertrages. Die Abberufung kann zwar befristet, aber nicht bedingt vorgenommen werden.

3
Auch wenn ein Geschäftsführer notwendiges Organ jeder GmbH ist (§ 6 Abs. 1 GmbHG), ist die Abberufung des einzigen Geschäftsführers möglich. Nach Abberufung des einzigen Geschäftsführers haben die Gesellschafter ein freies Ermessen, wen sie zum Nachfolger bestellen. Die gesellschafterliche Treupflicht verpflichtet den Gesellschafter nicht, gerade eine ganz bestimmte Person oder gar einen der Gesellschafter zum Geschäftsführer zu bestellen. Können sich die Gesellschafter nicht auf die Bestellung eines neuen Geschäftsführers einigen, so muss die Bestellung eines Notgeschäftsführers nach § 29 BGB beantragt werden. Eine freie Abberufbarkeit des Notgeschäftsführers ist nicht möglich. Das Amtsende des Notgeschäftsführers lässt sich aber durch Neubestellung eines Geschäftsführers erreichen.

4
Der Grundsatz der freien und jederzeitigen Abberufbarkeit gilt nur in einer nicht mitbestimmten GmbH, es sei denn die mitbestimmte GmbH unterliegt dem DrittelbG. Geschäftsführer einer nach MitbestG oder MontanMitbestG mitbestimmten GmbH können während ihrer Amtszeit nur aus wichtigem Grund vorzeitig abberufen werden (§ 31 MitbestG bzw. § 13 MontanMitbestG jeweils i.V.m. § 84 Abs. 3 AktG). Zuständiges Abberufungsorgan ist dann nicht die Gesellschafterversammlung, sondern das Plenum des Aufsichtsrats; einer Delegation an Aufsichtsratsausschüsse steht § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG entgegen. Eine Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung besteht hier nicht, auch nicht ersatzweise. Bei Mitbestimmung nach dem DrittelbG ist zuständiges Abberufungsorgan, trotz GmbHR 2023, 1124des obligatorisch (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG) zu bildenden Aufsichtsrats, vorbehaltlich abweichender statutarischer Bestimmungen, die Gesellschafterversammlung.

5
Die Interessen des Geschäftsführers werden nach dem gesetzlichen Konzept allein im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses geschützt. Organ- und Anstellungsverhältnis stellen unterschiedliche Rechtsverhältnisse dar, die selbständig nebeneinander stehen und demgemäß auch rechtlich unabhängig voneinander nach den jeweiligen für sie geltenden Vorschriften beendet werden können (sog. Trennungstheorie). Die Abberufung als Geschäftsführer hat für sich genommen also noch keinen Einfluss auf den Anstellungsvertrag. Dieser und die sich hieraus ergebenden Vergütungsansprüche bestehen zunächst einmal fort. Ob das Anstellungsverhältnis vorzeitig beendet werden kann, hängt nicht von § 38 Abs. 1 GmbHG, sondern davon ab, ob die wesentlich strengeren Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB ebenfalls erfüllt sind. Im Gegensatz zur freien und jederzeitigen Widerruflichkeit der Organstellung steht der GmbH das Recht zur Kündigung des Anstellungsverhältnisses nur zu, wenn ihr dessen Fortsetzung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen und Umstände des Einzelfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Umgekehrt stellt die Abberufung eines Geschäftsführers gem. § 38 Abs. 1 GmbHG vorbehaltlich abweichender anstellungsvertraglicher Regelungen kein vertragswidriges Verhalten der Gesellschaft i.S.v. § 628 Abs. 2 BGB dar und berechtigt den abberufenen Geschäftsführer nicht zur Kündigung seines Geschäftsführeranstellungsvertrages aus wichtigem Grund.

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Das rechtliche Schicksal von Organstellung und Anstellungsverhältnis kann jedoch vertraglich miteinander verknüpft werden. Die weitreichendste Koppelungsklausel besteht darin, dass der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag auflösend bedingt durch die Abberufung als Geschäftsführer geschlossen wird. Denkbar ist aber auch, die Abberufung als Geschäftsführer (oder zumindest die Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grund) als Kündigung des Anstellungsvertrages zu definieren. Häufig wird auch die Beendigung der Organstellung als Grund für eine Kündigung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages ausgestaltet. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Koppelungsklausel führt eine solche wegen § 622 Abs. 5 BGB, wonach kürzere als die dort genannten Fristen nicht wirksam vereinbart werden können, aber nicht dazu, dass das Anstellungsverhältnis fristlos endet, obwohl es an einem wichtigen Grund fehlt. Vielmehr muss zumindest die Kündigungsfrist des § 622 BGB eingehalten werden, wenn nicht für die Beendigung des Geschäftsführeranstellungsverhältnisses zugleich ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 BGB vorliegt. Fehlt ein wichtiger Grund, so wirkt die Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages nicht sofort, sondern nur mit einer § 622 Abs. 1 BGB entsprechenden Frist.

2. Notwendigkeit eines sachlichen Grundes bei der ordentlichen Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers
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Bei Gesellschafter-Geschäftsführern kann sich eine Einschränkung des Grundsatzes der freien Abberufbarkeit aus den zwischen den Gesellschaftern bestehenden Treubindungen ergeben. Die gesellschafterliche Treupflicht verpflichtet die Gesellschafter, sich bei Ausübung ihrer mitgliedschaftlichen Befugnisse, insbesondere also auch...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.10.2023 09:35
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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