Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 45)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

OLG Düsseldorf 28.11.2022, 26 W 4/21 (AktE)
Unternehmensbewertung nach Börsenkurs und Ertragswert

1. Die unmittelbare Bestimmung des Anteilswertes allein anhand des Börsenwertes scheidet aus, wenn der Börsenkurs nur eingeschränkt aussagekräftig war.

2. Die Wahl der Bewertungsmethode im gerichtlichen Spruchverfahren obliegt grundsätzlich dem Tatrichter im Rahmen seines Schätzermessens. Weder die Aktionäre noch die Antragsgegnerin haben einen Anspruch auf die Anwendung einer konkreten Bewertungsmethode oder Beibehaltung der durch die Bewerterin/Prüferin bzw. des Gerichts erster Instanz gewählten Methode – hier: der Ertragswertmethode.

3. Der Umstand, dass Aktien der zu bewertenden Gesellschaft nur im Freiverkehr gehandelt wurden, steht der Heranziehung des Börsenkurses nicht entgegen, wenn die Aktien auf einem besonderen Teilsegment des Freiverkehrs – hier: im Segment „Entry Standard“ der Börse Frankfurt – mit einem den gesetzlichen Publizitäts- und Transparenzvorschriften vergleichbaren Informationsregime gehandelt wurden und konkrete Informationsdefizite nicht geltend gemacht sind.

4. Ob der Börsenkurs als Ergebnis einer effektiven Informationsbewertung tatsächlich den Unternehmenswert widerspiegelt, lässt sich nicht allein mit Hilfe der für die Frage der Marktenge entwickelten Kriterien des § 5 Abs. 4 WpÜG-AV beurteilen, vielmehr bedarf es einer ergänzenden Beurteilung der Liquidität. Mit der Liquiditätsanalyse sind insb. das Handelsvolumen pro Tag, die Relation aus Tagen mit Handel zu möglichen Handelstagen, der Streubesitz, die Handelsquote sowie die durchschnittliche relative Geld-Brief-Spanne gemessen an Durchschnittswerten der Indizes für den jeweiligen Zeitraum in den Blick zu nehmen.

5. Steht schon die nur eingeschränkte Liquidität – hier: sowohl im Drei-Monats-Zeitraum vor Bekanntmachung des Erwerbsangebots der Hauptaktionärin mit dem erklärten Ziel, die Kapitalbeteiligung auf 95 % aufzustocken, als auch im Drei-Monats-Zeitraum vor Bekanntgabe des beabsichtigten Squeeze-out – der Annahme einer Aussagekraft des Börsenkurses entgegen, kommt es auf die Analyse weiterer Aspekte der konkreten Informationsverarbeitung nicht an.

6. Für die Bestimmung von künftigen Wechselkursen gibt es derzeit keinen überlegenen theoretischen Ansatz. Annahmen zu erwarteten künftigen Wechselkursen sind für die gerichtliche Schätzung des Unternehmenswertes geeignet, wenn sie aus einer in den Wirtschaftswissenschaften anerkannten und gebräuchlichen Prognosemethode hier – der Kassakursmethode (sog. naive Prognose) – abgeleitet und plausibel sind.

7. Der Ansatz der Marktrisikoprämie mit 5,5 % nach Steuern ist bezogen auf den Bewertungsstichtag 30.6.2016 nicht zu beanstanden.

8. Vorerwerbspreise sind grundsätzlich nur im Rahmen von Plausibilitäts- und Kontrollerwägungen relevant.
(alle amtl.)

 

OLG München 20.10.2022, 7 U 1785/18
Loan Agreement mit der Gläubigerin eines Verlustausgleichsanspruchs zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens

1. § 302 Abs. 3 AktG verbietet der beherrschten Gesellschaft, innerhalb von drei Jahren ab Beendigung des Beherrschungsvertrags auf den Verlustausgleichsanspruch zu verzichten oder sich über ihn zu vergleichen; dies gilt auch für den Zeitraum vor der Vertragsbeendigung.

2. Dieses Verbot erstreckt sich auch auf Stundung und stundungsgleiche Rechtsgeschäfte wie die Umwandlung in eine Darlehensrückzahlungsforderung, es sei denn, mit der Maßnahme ein Insolvenzverfahren des Ausgleichspflichtigen i.S.v. § 302 Abs. 3 Satz 2 AktG vermieden werden.

3. Ein Verstoß gegen § 302 Abs. 3 AktG und damit eine Nichtigkeit eines sog. Loan Agreements gem. § 134 BGB liegt vor, wenn im Zuge des Agreements etwaige Verlustausgleichsansprüche einer GmbH, die über mehrere Jahre angewachsen und in den Jahresabschlüssen festgestellt sind, in einen von einer Kündigung abhängigen Darlehnsrückzahlungsanspruch umgewandelt werden.

4. Ein Vergleich mit einem Gläubiger des Verlustausgleichsanspruchs zur Abwendung des Insolvenzverfahrens i.S.v. § 302 Abs. 3 Satz 2 AktG setzt voraus, dass ein am Tag des Vergleichsschlusses vorliegender Insolvenzgrund entfällt.
(alle nicht amtl.)

 

BFH 30.5.2023, VIII B 15/22
Zum Begriff einer vGA i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG und i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG

Eine vGA gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG setzt nicht voraus, dass der dem Anteilseigner gewährte Vermögensvorteil der Minderung des Unterschiedsbetrags bei der Gesellschaft bei einer vGA gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG entspricht.
(amtl.)

 

BFH 15.3.2023, I R 24/20
Verdeckte Einlage durch Zuwendung eines Anspruchs auf bereits aufgelaufene Zinsen an Tochtergesellschaft

Werden durch Wertpapierdarlehen zwischen einer Mutter- und ihrer Tochtergesellschaft Ansprüche auf bereits aufgelaufene Zinsen aus den überlassenen verzinslichen Wertpapieren unter Verzicht auf die Vereinbarung von Kompensationszahlungen auf die Tochtergesellschaft übertragen, liegt darin eine verdeckte Einlage.
(amtl.)

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.11.2023 11:29
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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