Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 47)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

OLG Brandenburg 19.4.2023, 7 U 106/19
Außergerichtliche Vergleichsvereinbarung als konstitutives Schuldanerkenntnis

1. Die Erklärung eines Schuldners, die gegen ihn gerichtete Forderung anzuerkennen, stellt zwar regelmäßig nur ein bestätigendes Anerkenntnis dar, mit dem alle Einwendungen tatsächlicher oder rechtlicher Natur für die Zukunft ausgeschlossen werden, die der Schuldner bei Abgabe der Erklärung kannte oder kennen musste.

2. Von einem konstitutiven Anerkenntnis kann ausgegangen werden, wenn die mit ihm übernommene Verpflichtung von ihrem Rechtsgrund, also von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen gelöst und allein auf den im Versprechen zum Ausdruck gekommenen Leistungswillen des Schuldners gestellt werden soll.

3. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage der Auslegung der Erklärungen der an der einseitig verpflichtenden Vereinbarung beteiligten Parteien. Zu berücksichtigen ist der Wortlaut der Erklärungen, darüber hinaus aber auch die Umstände des Falls, wie vorausgegangene Verhandlungen, Anlass und Zweck der Erklärungen und die Interessenlage der Parteien. Ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Verpflichtung stellt es dar, wenn der Schuldgrund in der Urkunde nicht oder nur in allgemeiner Form erwähnt wird.
(alle nicht amtl.)


OLG Düsseldorf 16.8.2023, 12 U 59/22
Bei Start-Up-Unternehmen sind die Grundsätze, die der BGH für eine positive Fortbestehensprognose i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO aufgestellt hat, nicht uneingeschränkt anwendbar

1. Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG ist in Verfahren der Insolvenzordnung dem Richter dieses (nur) bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag unter Einschluss dieser Entscheidung und der Ernennung des Insolvenzverwalters vorbehalten. Verwalterwechsel im laufenden Verfahren, etwa nach § 59 InsO aus wichtigem Grund oder im Wege der Bestellung eines von der Gläubigerversammlung gewählten anderen Insolvenzverwalters gem. § 57 Satz 3 InsO, obliegen dem Grundsatz von § 3 Nr. 2 e) RPflG folgend dem Rechtspfleger, denn der Gesetzgeber hat die jeweiligen funktionellen Zuständigkeiten zeitraumbezogen geregelt.

2. Bei einem Start-Up-Unternehmen sind die Grundsätze, die der BGH für eine positive Fortbestehensprognose i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO aufgestellt hat, nicht uneingeschränkt anwendbar (Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 20.7.2021 – I-12 W 7/21 und 17.1.2022 – I-12 W 17/21).

3. Die Rückwirkung der Zustellung der Klage des Insolvenzverwalters tritt nach § 167 ZPO auch dann ein, wenn – aufgrund eines Verschuldens im gerichtlichen Bereich – nicht die innerhalb der gehemmten Verjährungsfrist eingereichte Klage des Amtsvorgängers, sondern die des zwischenzeitlich bestellten Amtsnachfolgers zugestellt wird, sofern das Anspruchsbegehren identisch ist.

4. Gegenüber dem Ersatzanspruch des Insolvenzverwalters aus § 64 Satz 1 GmbHG a.F. kann sich der Geschäftsführer nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Auskunftsanspruchs zur Vorbereitung behaupteter Schadensersatzansprüche aus einer nicht der DSGVO entsprechenden Verarbeitung personenbezogener Daten bei der Verwertung der Insolvenzmasse berufen, da die Ansprüche nicht in einem so engen Zusammenhang stehen, dass die Geltendmachung und Durchsetzung des einen ohne den anderen treuwidrig wäre (Anschluss an Senatsbeschluss vom 22.12.2022 – I-12 U 46/22).
(alle amtl.)


OLG Frankfurt 11.5.2023, WpÜG 3/20
Kostentragungspflicht für Prüfung der Rechnungslegung auf zweiter Stufe nach teilweiser Aufhebung des Fehlerfeststellungsbescheids

1. Hat das Unternehmen bei der Prüfung seiner Rechnungslegung auf der ersten Stufe die Mitwirkung verweigert, ist es nach § 17c Satz 1 FinDAG zur gesonderten Erstattung der der BaFin auf der zweiten Stufe der Prüfung gesamten entstandenen Kosten verpflichtet, auch wenn ein Teil der Fehlerfeststellung der BaFin auf die Beschwerde des Unternehmens aufgehoben worden ist.

2. Weder eine unmittelbare noch entsprechende Anwendung des § 17c Satz 2 FinDAG kommt in einem solchen Fall in Betracht.

3. Die Festellungen der BaFin in einem bestandskräftigen Fehlerfeststellungsbescheid zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 108 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 (bzw. zuvor § 37p Abs. 1 Satz 2 Nr. 1) WpHG sind für ein nachfolgendes Verfahren der Kostenfestsetzung ebenso bindend wie eine darin bestandskräftig getroffene Kostenlastenentscheidung.
(alle amtl.)

 

BFH 13.9.2023, I B 11/22 (AdV)
Verfassungs- und unionsrechtliche Zweifel an Hinzurechnungsbesteuerung gem. §§ 7 ff. AStG

Auch wenn nach summarischer Prüfung verfassungs- und unionsrechtliche Zweifel an der Hinzurechnungsbesteuerung gem. §§ 7 ff. AStG jedenfalls insoweit bestehen, als die Niedrigsteuerschwelle i.S.d. § 8 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AStG (25 %) höher ist als die niedrigste nationale Gesamtsteuerbelastung bei unbeschränkt Steuerpflichtigen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG (22,825 % unter Einbeziehung der Gewerbesteuer), bleibt eine Beschwerde im AdV-Verfahren ohne Erfolg, wenn es ausgeschlossen erscheint, dass die Antragsteller angesichts einer „Nullbesteuerung“ der streitigen Einkünfte im Ausland von einer einen Verfassungs- beziehungsweise Unionsrechtsverstoß beseitigenden begünstigenden Rechtslage profitieren könnten.
(amtl.)

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.11.2023 10:44
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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