Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 50)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

 

OLG Brandenburg 27.12.2022, 6 U 154/19
Sittenwidrigkeit eines Forderungskaufvertrags aufgrund eines kollusiven Handelns des Doppelgeschäftsführers

1. Wenn der Vertreter einer Vertragspartei kollusiv mit dem Vertragsgegner zum Nachteil des Vertretenen ein Geschäft abschließt, verstößt das Geschäft wegen einer sittenwidrigen Kollusion gegen die guten Sitten und ist gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Aus diesem Grund ist insbesondere auch ein Vertrag nichtig, wenn ein von den Voraussetzungen des § 181 BGB befreiter Bevollmächtigter seine Vollmacht missbraucht, um mit sich als Geschäftsgegner ein Geschäft zum einseitigen Vorteil einer der vertretenen Gesellschaften abzuschließen.

2. Das sittenwidrige Zusammenwirken erfasst dabei regelmäßig das gesamte Rechtsgeschäft, weil davon auszugehen ist, dass der benachteiligte Geschäftsherr bei Kenntnis des kollusiven Zusammenwirkens zwischen seinem Angestellten und dem bevorteilten Vertragspartner den Vertrag insgesamt nicht geschlossen und vollzogen hätte.

3. Vereinbarungen, welche Angestellte, Bevollmächtigte oder sonstige Vertreter einer Partei im Einverständnis mit dem Vertragsgegner zum eigenen Vorteil hinter dem Rücken des Geschäftsherrn und zu dessen Schaden treffen, verstoßen gegen die guten Sitten und sind wegen sittenwidriger Kollusion nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
(alle nicht amtl.)

 

BayObLG 23.8.2023, 101 W 184/21
Unternehmensbewertung nach der NAV-Methode bei Squeeze-out

1. Bei einer ihr eigenes Vermögen verwaltenden Gesellschaft ist die NAV-Methode (Net-Asset-Value) eine geeignete Bewertungsmethode. Bei ihrer Anwendung ist jeder Vermögensgegenstand gesondert zu betrachten, wobei die Einzelbewertungen nach der Methode erfolgen können, die jeweils passend erscheint.

2. Im Spruchverfahren ist ein Sachverständigengutachten nur einzuholen, wenn das Gericht streitige Punkte nicht aus eigener Sachkunde beurteilen kann und eine Begutachtung durch einen Sachverständigen gegenüber den bereits vorliegenden Daten einen Erkenntnisgewinn verspricht.
(alle nicht amtl.)

 

OLG München 12.6.2023, 7 U 3337/22
Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Überbewertung der Aktiva (Fall der Wirecard AG)

1. Eine signifikante Überbewertung der Aktiva der Gesellschaft mit der Folge der Nichtigkeit des Jahresabschlusses liegt vor, wenn wesentliche Vermögenspositionen wie z.B. Treuhandguthaben fehlen oder doch für Dritte nicht mehr auffindbar sind.

2. Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen der Überbewertung von Aktiva setzt voraus, dass die Überbewertung zum Bilanzstichtag für ordentliche Kaufleute erkennbar war.
(alle nicht amtl.)

 

BFH 4.4.2023, IV R 19/20
Angemessenheit der Gewinnbeteiligung eines typisch stillen Gesellschafters

1. NV: Ist der Betriebsausgabenabzug der Gewinnanteile des stillen Gesellschafters der Höhe nach streitig, besteht aber die Möglichkeit, dass eine atypisch stille Beteiligung am Handelsgewerbe einer Personengesellschaft vorliegt, ist das Verfahren zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der Personengesellschaft gem. § 74 FGO auszusetzen, bis durch einen – ggf. negativen – Bescheid geklärt ist, ob für die stille Gesellschaft ihrerseits eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte durch-zuführen ist. Abweichendes ergibt sich nicht daraus, dass der stille Gesellschafter in dem Gewinnfeststellungsbescheid der Personengesellschaft nicht in den Kreis der feststellungsbeteiligten Mitunternehmer aufgenommen worden ist und diese selbständige Regelung des Bescheids in Bestandskraft erwachsen ist (insoweit Aufgabe der im BFH, Urt. v. 19.2.2009 – IV R 83/06, BFHE 224, 340 = BStBl. II 2009, 798 vertretenen Rechtsauffassung).

2. NV: Es fehlt an dem für eine Mitunternehmerstellung des stillen Gesellschafters erforderlichen Mitunternehmerrisiko, wenn der Stille weder am Verlust der Gesellschaft noch an den stillen Reserven beteiligt ist. Erforderlich ist ein Gesellschafterbeitrag, durch den das Vermögen des Gesellschafters belastet werden kann (Bestätigung der Rechtsprechung).
(alle amtl.)

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.12.2023 11:43
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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